ergaben, zu beachten. Auch rücksichtlich der Wohnungen selbst ließ man sich nur von den nächſtliegenden Erwägungen leiten; Schuz gegen die Unbilden der Witterung zu gewähren, eine Zufluchtsstätte zu sein, war ihre ganze Bestimmung.
Diese Zeiten liegen weit hinter uns. Mit der Entwicklung der Intelligenz und der Kultur und dem allmälichen Ausbau der staatlichen Ordnung ist man längst dahin gelangt, die Nachteile einer ungesunden Lage gebührend zu berücksichtigen und sich zu bemühen, die in früheren Zeiten bei Ortsanlagen begangenen Fehler gut zu machen durch Bekämpfung der schädlichen Einflüsse ungesunder Terrains.
Schon im grauen Altertum, lange vor der christlichen Zeitrechnung, widmeten die Kulturvölker den Wohnungsverhältnissen eine bemerkenswerte Aufmerksamkeit. So mußte nach dem mosaischen Gesez ein Haus, an welchem bestimmte Anzeichen die wir nach der Beschreibung auf den Schwamm oder ähnliches beziehen können hervortraten, niedergerissen werden. „ Wenn hierbei die sonderbare Vorstellung bestimmend war, daß das Haus vom Aussaz befallen sei, so war doch der faktische Erfolg gewiß nuzbringend"*).
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Griechenland zu seiner Blütezeit betätigte praktisch die Erkenntnis der wichtigen Aufgabe, die Gesundheit seiner Bürger zu schüzen. Man war bemüht, den Boden rein zu halten, drainirte die Sümpfe, errichtete kostspielige Wasserleitungen, öffentliche Bäder 2c.- Plato , ein Aristoteles hielten staatliche Gesundheits- bezw. Baubeamte für unentbehrlich.
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leben mußte;-die das ganze Mittelalter nicht auszurottende Sitte, die Toten innerhalb der Ringmauern in der geweihten Erde des Kirchengrundes zu begraben, alles das schuf oder förderte wenigstens eine unversiegbare Quelle furchtbarer Krankheitsfeime, die nur zu bald in Aussaz- oder Pestepidemien sich äußerten und denselben Jahrhunderte lang entschiedensten Vorschut leisteten, so daß im Volke die furchtbare Idee Wurzel faßte, die göttliche Vorsehung" habe beschlossen, das ganze Menschengeschlecht zur Strafe für seine Sünden" zu vertilgen*). Lange, bis zum Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts, dauerte es, bis ein richtiges Verständnis für die Hygiene der Drtsanlagen und Wohnungen anfing sich Bahn zu brechen, bis man begann, wissenschaftlich die Frage zu behandeln, wie dem ursächlichen Zusammenhange der Epidemien mit den haarsträubenden örtlichen und Wohnungsverhältnissen in den übervölkerten Städten beizukommen sei.
Der erste, der sich in dieser Rücksicht große Verdienste er warb, war der berühmte Arzt Johann Peter Frank . In seinem von 1778 bis 1819 erschienenen großen Werke:" System einer vollständigen medizinischen Polizei" finden wir sehr be achtenswerte Angaben über gute Anlagen und gesunde Bauart menschlicher Wohnungen, über öffentliche Reinlichkeitsanstalten 2c. Er wendet sich mit Entschiedenheit gegen alle Schwierigkeiten, welche einer gedeihlichen Entwicklung der Hygiene entgegenstehen und verficht den wichtigen Grundsaz, daß, wo das Gesammt wohl inbetracht kommt, sowohl die Beschränkung der persönlichen Freiheit, als auch die Beschränkung der Freiheit in der Be nuzung des Eigentums unerläßlich sei.
Ein Gefühl der Beschämung muß uns überkommen, wenn wir bei Betracht dieses unzweifelhaft richtigen staatsrechtlichen Grundsazes daran erinnert werden, daß wir heute, nach nahezu hundert Jahren einer großartigen Entwicklung, in Deutschland kaum die primitivsten Anfänge gemacht haben, ihn zum Heile des Volkes zu verwirklichen. In einer im Jahre 1872 vom Reichskanzler Fürsten Bismarck an den Bundesrat erstatteten Darlegung, betreffend die„ Verwaltungsorganisation der öffentlichen Gesundheitspflege", finden wir das denkwürdige Geständnis: „ Die Frage, bis zu welchem Grade der Staat befugt sei, im Interesse der öffentlichen Gesundheit in die Privat rechte der Einzelnen einzugreifen, sei in Deutschland kaum zum Bewußtsein der Gebildeten gekommen und deshalb zu einer gesezlichen Regelung noch nicht reif."
Auch im alten Rom finden wir die Organisation einer Baupolizei. Dieselbe hatte eine genaue Aufsicht über Gebäude, Wasserleitungen, Kloaken, Uferbauten, Flußregulirung 2c. zu führen; ihre Beamten die Curatores- waren mit großer Machtvollkommenheit ausgestattet. Ein wahrscheinlich von Nero erlassenes Edikt lud durch Gewährung bedeutender Begünstigungen zum Häuserbau in Rom ein; jedem Sklaven, der auf eigene Kosten ein Haus erbaute, war Freiheit und Bürgerrecht zugesichert. Als die übermütigen Patrizier das Bestreben offenbarten, durch Ankauf der kleineren, vom niederen Volke bewohnten Gebäude Raum zur Aufführung weitläufiger Brachtbauten zu gewinnen, und hierdurch die Gefahr einer Wohnungsnot nahe gerückt war, wurde im Jahre 48 n. Ch. unter Kaiser Claudius verboten, Gebäude zum Abbruch zu verboten, Gebäude zum Abbruch zu verkaufen. Dieses Edikt wurde durch Vespasian erneuert. Der Sieg des Christentums über das Heidentum bereitete, wie so mancher andern Institution römischer Kultur, auch der Das ist leider nur zu wahr! Eine wirkliche, nachhaltige römischen Baupolizei ein Ende. Die kirchliche Auffassung des Reform der öffentlichen Gesundheitspflege auf dem Gebiete des Mittelalters war ihr, wie überhaupt der Gesundheitspflege, nicht Bauwesens erfordert ein weit entschiedeneres Eingreifen des günstig. Man suchte die Krankheiten. nicht mehr, wie früher, Staates in Privatrechte, als die Masse der„ Gebildeten" ge in natürlichen und daher vermeidbaren Umständen, im Gegen- neigt ist zuzugeben. Denn lediglich privatrechtliche Interessen teil, man betrachtete sie als„ unvermeidliche Schickungen Gottes ", sind es ja, deren Herrschaft das materielle, geistige und körper denen der Mensch in Demut sich zu fügen habe. Der menschliche Wohl des Volkes auch auf diesem Gebiete untergräbt und
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vernichtet.
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liche Körper galt nicht mehr als ein zu pflegendes und rein zu haltendes Heiligtum, sondern als die verächtliche Hülle einer Die modernen wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse sündhaften Seele, die der haarsträubendsten asketischen Beinigung begünstigen das Zusammenströmen großer Menschenmassen i und Vernachlässigung zu unterwerfen man sich nicht scheute. den Zentren der Industrie und des Handels in außerordentlich hohem Grade. Diese Zentren üben eine so ungeheure An
Neben dieser kirchlichen Reaktion wirkten die politischen Zustände sehr ungünstig auf das Bauwesen ein. Die Wehrhaft
machung auch der kleinsten mit Stadtrecht versehenen Orte;- die Errichtung einer großen Zahl von Burgen, die in der ersten Hälfte des Mittelalters vollständig des Schuzes der Glasfenster entbehrten und deren Wohnräume nach unsern Begriffen kaum den Namen von Ställen verdient hätten;
ganzer Verteidigungslinien auf Bergrücken
in sumpfigen Niederungen, die durch stehende Wassermassen dem Feind den Angriff erschweren sollten;
folgende statistische Notiz zeigt:
ihre Einwohnerzahl in den stärksten Dimensionen wächst, wie
Im Jahre 1860 besaß Deutschland ohne Desterreich fünf Städte mit mehr als 100,000 Einwohnern, nämlich Berlin , -die Errichtung Hamburg , Breslau , Dresden und München , die eine Gesammt bevölkerung von zirka 1,070,000 Seelen aufwiesen. Jezt, nach faum vierundzwanzig Jahren, haben wir zwanzig Städte mit in den Gassen enge, mehr als 100,000 Einwohner; zu den vorhin genannten find winklige, ungepflasterte und schmuzige Gassen, hohe Giebelhäuser hinzugekommen: Leipzig , Königsberg , Köln , Hannover , Frank mit überhängenden Stockwerken, oft ohne Hofräume und Gärten, furt a/ M., Bremen , Stuttgart , Straßburg , Danzig , Barmen, der das Land durchziehenden Fehden dicht zusammengepreßt sammen 42 millionen Einwohnern, also fast zehn Prozent der
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*) Vergl. Sander, Handbuch der öffentlichen Gesundheitspflege".
S. 118.
*) Vergl. Häfer, Lehrbuch der Medizin und der epidemischen
Krankheiten". III. Band.