Gesammtbevölkerung Deutschlands . Es steht außerdem zu erwarten, daß bei der nächsten Zählung im Jahre 1885 noch eine ganze Reihe anderer Städte- so Düsseldorf , Krefeld , Altona , Magdeburg 2c. die Zahl von 100,000 Einwohnern überschritten haben werden.
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Dieser Vorgang der Menschenanhäufung in großen VerkehrsZentren ist die notwendige Folge einer entwickelten Volkswirt schaft. Er ist nüzlich, insofern er dazu führt, die scharfen Konsequenzen der modernen Wirtschaftsweise zu ziehen und da durch diese Wirtschaftsweise selbst umzugestalten. Es sind aber auch große Uebelstände für die Gesammtheit und das Wohlbefinden des Volkes damit verbunden, Uebelstände, die auf die Dauer geradezu degenerirend auf die höher zivilisirten Nationen wirken.
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In den vom Zuzuge der Menschenmassen betroffenen Zentren zeigt sich zunächst fast ununterbrochen ein Mangel an Wohnungen überhaupt; sodann ein beständiger Mangel an folchen Wohnungen, wie sie den individuellen und wirtschaft lichen Kräften und Bedürfnissen der verschiedenen Wohnungsinhaber und ihrer Familien entsprechen.
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Weitere schwerwiegende Uebelstände sind: daß die bauliche Einrichtung der Wohnungen im großen und ganzen in jeder Beziehung-besonders aber in gesundheitlicher oft selbst den notwendigsten und allerbescheidensten Anforderungen nicht entsprechen; daß die willkürliche und völlig unberechtigte Steigerung der Mietpreise seitens spekulativer Hausherren viele Familien, und zwar meistens die der so wie so schon hart genug bedrückten Arbeiter, kleinen Gewerbtreibenden 2c., in ihrer Existenz fortwährend schädigt,- daß überhaupt, alles in allem, die modernen Wohnungsverhältnisse im höchsten Grade störend und zersezend auf die BVolkswohlfahrt im allgemeinen, sowie auf die Sittlichkeit und Wohlfahrt des Familienlebens im besonderen einwirken.
Durchschnittlich noch ungesunder als die überall noch in großer Zahl vorhandenen Altbauten sind erwiesenermaßen die modernen Neubauten in unseren Großstädten. Die hohen, und troz vieler sanitären Verbesserungen durch öffentliche Anlagen, troz der fortschreitenden Errungenschaften der ärztlichen Wissen schaft, nicht nur nicht fallenden, sondern eher steigenden Sterblichkeitsziffern in den großen deutschen Städten lassen einen Zweifel an der Richtigkeit dieses von hervorragenden Männern Wissenschaft, u. a. auch von Virchow , abgegebenen Urteils nicht aufkommen. Eine Ausnahme dürften nur die Städte machen, wo sich die Sitte des Familienhausbaues erhalten hat, oder wo, wie in Württemberg, fast alle neue Häuser isolirt erbaut werden müssen und eine geringe Bewohnerzahl haben.
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Bewohnerzahl und dünnere Wände haben als die Mietskasernen.
Mancher dürfte versucht sein, erstaunt zu fragen: Was bieten denn die dünnen Mauern gegenüber den dickeren für Vorteile? Sind leztere nicht ein Beweis größerer Solidität?
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Die Hygienifer haben auf diese Frage längst die Antwort gegeben. Es ist wie Dr. Erismann anführt ganz falsch, zu glauben, die Wände unserer Häuser haben den Zweck, uns vollständig von der äußeren Luft abzuschließen; die Wände haben vielmehr die Aufgabe, die Geschwindigkeit der Luft beim Durchgang der lezteren durch die Wand so weit herabzusezen, daß wir dieselbe nicht unangenehm empfinden und in einer vollkommen windstillen Atmosphäre zu leben glauben. Bei guter Konstruktion der Wände wird dieser Zweck in der Tat erreicht, und wir haben kein Gefühl davon, daß auch bei geschlossenen Fenstern und Türen unsere Wohnungsluft in beständiger Bewegung ist und durch die Wand hindurch fortwährend erneuert wird.
Instinktiv hat der Mensch von jeher der Forderung Genüge geleistet, daß die zum Hausbau verwendeten Materia lien porös sein müssen; er hat luftdurchlassende Wände gebaut, ohne zu ahnen, welche Wohltat er sich damit selbst erweist. Trozdem gerät mancher noch heutzutage in Erstaunen, wenn er von einem Luftwechsel durch die Wand hört; es ist dies umso auffallender, als gewiß niemand an der Durchlässigkeit der Mauern für Wasser zweifelt, man vergißt, daß die Luft 770mal leichter und beweglicher ist, als das Wasser, und also mit viel geringerer Mühe in die feinsten Poren hineindringt als das leztere.
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Wenige Menschen machen sich eine richtige Vorstellung davon, wie groß der Luftwechsel sein muß, damit die Luft ge= schlossener Räume eine gute Beschaffenheit behalte. Sogar die Fachgelehrten unterschäzten noch vor kurzer Zeit die Größe des notwendigen Luftwechsels, und erst durch zahlreiche Beobachtungen gewann man eine Vorstellung darüber, wieviel frische Luft einem von Menschen bewohnten Lokale stündlich zugeführt werden muß. Jezt weiß man, daß in Krankenhäusern, selbst bei großer Reinlichkeit, die Luft nur dann gut und geruchlos erhalten werden kann, wenn jedem Patienten per Stunde wenigstens 60 Kubikmeter frischer Luft zugeführt werden. In chirurgischen Krankensälen verlangt man 100 Rubikmeter, und für ansteckende Kranke noch mehr. In Gefängnissen soll der Luftwechsel per Stunde und Kopf 50 Kubikmeter betragen; in Kasernen 30-40; in Schulen 15-20; in Versammlungslokalen 60; in Werkstätten und Fabriken 60-100; für Privatwohnungen- reichen 50-60 Rubifmeter aus. Diese Zahlen beanspruchen natürlich keine absolute Gültigkeit, weil die Größe des Ventilationsbedürfnisses selbst keine absolute ist, aber sie geben wenigstens einen Begriff von den normalen Luftmassen, welche man gegenwärtig zur Reinhaltung der Luft bewohnter Räume für nötig hält.
Sonach unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß die eng aneinander stehenden, häufig in Höfen belegenen und ringsum zugebauten Mietskasernen den Anforderungen an genügenden Luftwechsel nicht genügen.
In den modernen Mietskasernen der Großstädte verbreiten sich namentlich die zymotischen Krankheiten, wie Pocken, Masern, Schwindsucht, Scharlach, Diphterie , Typhus, Cholera 2c. und wird eine an Körper und Geist franke Nachkommenschaft erzogen. Selbst die widerstandsfähigsten Altersklassen bleiben nicht von den vernichtenden Einflüssen verschont, geschweige denn die Kinder im zartesten Alter. So genießt ja bekanntlich Berlin hinsichtlich der Kindersterblichkeit leider mit vollem Recht des traurigen Rufes, daß dieselbe dort, besonders in der heißen Jahreszeit, durchweg nicht nur relativ, sondern sogar absolut In Berlin wohnen auf wenig mehr als einer deutschen eine weit höhere iſt, als in irgend einer anderen Großstadt, Quadratmeile jezt mehr als eine million Menschen. Es London nicht ausgeschlossen. Die Berichte des statistischen ist dies ein Verhältnis, welches über das vom Standpunkte der Bureaus der Stadt Berlin geben als einen Hauptgrund dieser öffentlichen Gesundheitspflege aus zulässige Maß menschlichen betrübenden Erscheinung die Art und Weise an, wie in Ber : Zusammenwohnens weit hinausgeht. lin gebaut und darum gewohnt und gelebt wird." An anderer Stelle in diesen Berichten heißt es:" Die so überaus Zusammenwohnens in eng aneinander gebauten turmhohen Gebäuden mit fleinen Höfen und bewohnten Kellern hin." von jeder Großstadt, wo das Mietskasernensystem existirt. Was hier von Berlin gesagt ist, das gilt im wesentlichen Allerdings, die Mietskasernen machen, oberflächlich betrachtet,
Erwägt man indessen, daß
in den nördlich und östlich gelegenen großen Bezirken noch recht viel Boden als Ackerfläche benuzt wird, so ergibt sich, daß der
wirklich bewohnte Raum eine noch größere Zusammenhäufung von Menschen zeigt, als oben angegeben; in Wahrheit kommen nur noch etwa 21/2 Duadratruten auf je einen Bewohner. Seit 25 Jahren hat die Bevölkerungsdichtigkeit in Berlin sich mehr als verdoppelt! Wer die Entwicklung dieser Großstadt auch nur oberflächlich verfolgt, das Verschwinden der kleineren und
einen weit vorteilhafteren Eindruck als die Altbauten. Leztere mittleren Häuser gegenüber der entsezlich überhand nehmenden
aber