am frühen Morgen des nächsten Tages zusammentreffen sollten. Sie wollten über das Gebirge weiter gehen und die Grenze zu erreichen suchen.

Georg hatte indes am Montag Morgen, dem der verab redeten Zusammenkunft, den Freund vergeblich erwartet. War ihm ein Unfall begegnet, oder war es das Glück, das ihn dort unten festhielt?

Sepp, der schlaue und verläßliche Bursche, war am Abend zu ihm gekommen; er brachte ihm Brod und die Nachricht, er möge Arnold erst am nächsten Morgen erwarten.

Aber auch dieser brachte ihm nicht den Freund.

Nun wußte er, was ihn zurückhielt, und so selbstlos und verständig Georg war, und so wenig er sich jemals einer lächer lichen Illusion einer Hoffnung hingegeben, er litt jezt grausam und tief unter den sich ihm aufdrängenden Vorstellungen und die Einsamkeit, in der er sich befand, steigerte sein Herzleid und seine Traurigkeit. Nichtsdestoweniger hielt er aus, und als ihm Sepp den Tag darauf einen Brief Arnolds brachte, worin ihm derselbe mitteilte, daß er morgen, also Donnerstag, des abends mit Elsa die Fußpartie übers Gebirge antreten werde und ihm den Punkt angab, wohin er ihnen entgegen kommen sollte, ließ er zurücksagen, er werde bestimmt an Ort und Stelle sein, um ihnen beiden als Führer zu dienen.

Er wollte ihnen noch diesen lezten Beweis seiner Ergeben heit und Treue geben.

Indes hatten die Vorfälle in Amsee und Solenbad die länd= liche Bevölkerung sehr alterirt, und namentlich in den Dorf schaften am unteren Ende des Sees, wo das Land flacher wird und fleine Bauernwirtschaften sich befinden, hatte sich die all­gemeine Stimmung sofort gegen jene Verdächtigen und polizei­lich Verfolgten erklärt, und, voll Besorgnis um die eigene Existenz, begann man nun selbst gegen jene alle möglichen Be­schuldigungen und Verdächtigungen aufzubringen.

Die Arbeiter des Salzbergwerks waren unter der übrigen ländlichen Bevölkerung von jeher als Freigeister und Demokraten verschrien gewesen, jezt hatte sich als sicher herausgestellt, daß die Leute verbotene Bücher lasen, daß der Georg Hofer es war, der sie verbreitet, und ein Doktor, der sie geschrieben.

Die mehrfachen Entlassungen in der Saline belehrten wohl auch die Arbeiter selbst, daß mit dergleichen nicht zu spaßen sei, und die vorsorglichen unter ihnen, und besonders die alten, wiesen ihren Söhnen gegenüber, die es, wie sie fürchteten, auch mit der Aufklärung und dem Bücherlesen hielten, auf Georg als auf ein abschreckendes Beispiel hin. Ihre ganze Abneigung aber wendete sich dem Doktor zu, den man ihnen als den Rädelsführer bezeichnete, und der Schuld war, daß ihre Vor­gesezten ihnen nun aufsässig wurden.

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Echaden wieder gut zu machen, die Straßen und Dämme wieder herzustellen und die Brücken wieder auszubessern. Sie waren ja bereits so gut wie ruinirt, sie wollten ihre lezten Groschen nicht auf Dinge verwenden, die ein Wink des Höchsten aber­mals gefährden konnte.

Sie hatten gearbeitet, sich redlich gemüht, ja geschunden, es hatte ihnen nichts genizt, es ruhte kein Segen darauf.

War es nicht besser, so entschieden die Trägen und Indo­lenten, sich zu demütigen, und durch Gaben und Beten die Für­bitte derjenigen zu erflehen, die ihnen allein noch Hilfe ver schaffen konnten?

Jezt trat ein Ereignis hinzu, das alle diese Angst und Bedrängnis noch vermehrte und diese schwachen Köpfe vollends verwirrte.

Am Dinstag waren die Arbeiten bei dem Schieferbruch am Plattenberg plözlich eingestellt und die Arbeiter entlassen worden.

Das betraf weniger die Gemeinde Amsce, als die am untern Ende des Secs gelegenen Ortschaften, aus denen sich die Mehr­zahl der Arbeiter des Schieferbruchs rekrutirt hatte. Das war ein neues Unglück und für die Zukunft ein folgenschweres, denn es hieß, der Tagbau würde für immer eingestellt bleiben. Das erschien nun den meisten als eine ungerechtfertigte Maßregel, als eine Hartherzigkeit.

So viele arme Leute sollten damit um den lezten Verdienst, um ihr leztes Stück Brod gebracht werden. Aber ihre Vor­gesezten wollten sie eben in irgend einer Weise bestrafen, so argumentirten sie, weil man gegen sie aufgebracht war, weil man auch sie verführt glaubte und von dem schlechten Geiſte angesteckt.

So wurden auch hier die üblen Wirkungen wieder dem Einen in die Schuhe geschoben, den die Dummheit alsbald als die alleinige Ursache ihres Unglücks zu bezeichnen beliebte.

Seinen Namen kannten nur wenige, in seiner Fremdartig feit war er niemandem geläufig, allein die eigensinnige Erbit terung wußte sich zu helfen. Der Mann war ein Doktor, ein Bücherschreiber, folglich mußte er ein Jude sein; damit war für alle Antipatien, die sich jezt über ihn häuften, das rechte Wort gefunden.

In Amsee und in der Lahn   hatten die Maßnahmen der Arbeitseinstellung ebenfalls die Gemüter erschreckt und zu noch weiteren, auch lokalen Besorgnissen Veranlassung gegeben. Der Plattenberg erhob sich ja gerade von der Lahu aus und war eine Abrutschung möglich, so mußte sie diesen Ort unmittelbar Iam Montag erschienen, um an dem, als gefährlich bezeichneten betreffen. Eine Kommission von Sachverständigen war bereits Gestein des Plattenbergs den Augenschein vorzunehmen. Die Herren fanden in der Tat den Schiefer stark zerklüftet, und in im Boden. Zu jenen Stellen, wo die Tannen schief standen, den oberen Partien angelangt, fand man auch hier und da Risse wagte die Kommission sich nicht mehr hin, aber sie verfügte daß diese Bäume sämmtlich gefällt werden müßten, denn sie übten einen zu starken Druck auf die gelockerten Gesteinsmaffen

Und hatte es ihnen ein Beamter denn nicht geradezu in's Gesicht gesagt: Wie, ihr untersteht euch, über eure Lage zu jammern, ihr verdient aber immer noch zu viel, ihr habt so viel Geld, daß ihr es für schlechte Bücher hinauswerft, wir

werden euch weniger geben müssen?

Wie gewöhnlich war auch die Kanzel benüzt worden, um solche Anschauungen zu festigen und zu verbreiten, und die Aengstlichkeit zu mehren.

Ein Jesuitenpater hatte sich in dem Kirchsprengel am untern Ende des Sees eingefunden, er predigte und hörte Beichte.

darunter aus.

Hierauf stiegen die Herren so rasch wie möglich wieder herab. Weder an der Bergwand noch an dem übrigen Terrain waren Zeichen wahrgenommen worden, die auf eine allzunahe Die Leute hier waren sonst nicht für die Jesuiten   einge- und allzugroße Gefahr schließen ließen, und so glaubte man mit aber lief man dem Pater zu, und fühlte sich in seiner Auf der Weiterbearbeitung überhaupt alles Notwendige veranlaßt nommen und sezten ihnen bedeutendes Mißtrauen entgegen, jezt der vorstehenden Maßregel und dem Verbot des Sprengens und

geregtheit und Kleinmütigkeit dazu gedrängt, auch galt es, sich vor dem Verdacht, zu den Aufgeklärten zu gehören, sicher zu stellen.

zu haben.

Am Donnerstag war abermals ein Bitttag angeordnet. In der Kirche von Niederndorf   predigte der Jesuitenpater Die Leute waren eben alle in äußerster Noth und wußten Franziskus, und im Hinblick auf die neuen und drohenden Ereig

sich nicht zu raten und zu helfen. Sie waren seit Jahren durch andauernden Regen, welche Hochfluten und Ueberschwemmungen herbeiführten, aufs höchste bedrängt; sie erkannten darin den

nisse war die Kirche überfüllt.

dem von der Seite einfallenden Licht der bemalten Bogenfenster Der hohe asketisch aussehende Mann auf der Kanzel, von Zorn des Himmels und die strafende Hand, die schwer auf gestreift, dessen Stimme so machtvoll tönte und dessen Worte drossenheit wollten die Leute auch nicht mehr daran gehen, den haltigen Eindruck auf seine Zuhörer, den ihr guter alter Pfarrer, ihnen ruhte. Aber in ihrer Niedergeschlagenheit und Ver- so eindringlich und patetisch waren, übte einen starken und nach­