den sie seit zwanzig Jahren immer dasselbe mit derselben Stimme sagen hörten, bei ihnen nimmer erzielt hätte. Pater Franziskus pries die Armen im Geiste, denn ihrer sei das Himmelreich, er tadelte alle, die in vermessener Eitelkeit sich über jene sezen wollten, denn ihrer harre die Strafe.
Er belächelte die, die da lernen und immerdar lernen und können doch nimmer zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Er warnte vor der falschen Lehre und der Verführung, die jezt überall das Haupt erhebe. Aber die Guten dürfen diese nicht hören und ihrer nicht achten, sondern bleiben in dem, was ihnen bisher gelehrt worden sei, denn sie wissen, von wem sie dics gelernt haben. Wenn sie aber dennoch auf jene hören und sich mit ihnen einlassen, so haben sie selbst ihr Verderben besiegelt.
Und nun wies der Pater auf die schrecklichen Beispiele hin, wo Gott , um die sündige Menschheit zu strafen, all seine Schrecken auf sie losgelassen. Mit erhöhter Stimme, in lebhafter Schilderung und dramatischem Ausdruck sprach er von den Wasserfluten, die, bis auf den frommen Noa, alles hinweggetilgt, und er erzählte von Sodom und Gomorrha, wo Feuer vom Himmel gefallen, und er erinnerte schließlich an jene dunkle Prophezeiung, wo die Berge übereinanderstürzen werden am Tage des jüngsten Gerichts. Wahrlich, durch den Unglauben unserer Zeit wird dieses Ende beschleunigt werden.
Den frommen Zuhörern saß das Entsezen im Herzen; war dieses Ende nicht vielleicht schon ganz nahe? Aber zugleich mit dem tiefen Schreck regte sich doch auch wieder das Bewußtsein, daß sie das Böse ja niemals mit Absicht getan, und wenn ihre Kinder dem Unglauben zuncigten, für den sie alle bestraft werden sollten, so waren sie dazu verführt worden, und im tiefsten Herzen suchten sie alle Schuld von sich ab und jenem zuzuwälzen, der allein dafür verantwortlich gemacht werden fonnte, dem Doftor, dem Bücherschreiber, dem Juden.
An diesem Donnerstag Nachmittag saßen im Niederndorfer Wirtshause am untern Ende des Sees einige Kleinbauern an dem großen Tisch unter der Linde beisammen.
Darunter der Gschwandtner und Menzel, der Fischer. Die Bauern saßen in Hemdärmeln, jeder hatte ein Glas Bier vor sich, und sie diskutirten laut und eifrig die Ereignisse, die alle Gemüter beschäftigten.
Aus dem Pfarrhause, das gerade gegenüber lag, trat ein großer, hagerer Mann, mit rasirtem Kinn, es war der Kirchen diener. Er sezte sich zu ihnen und bestellte ein Glas Bier. Gleichzeitig kam auch ein Arbeiter den Weg vom See herauf, er war aus dem Drte und hatte im Schieferbruche gearbeitet. Er grüßte und wollte vorüber, sie aber riesen ihm zu und fragten ihn, was es Neues in Amjee gebe. Der Gschwandtner wies ihm einen Plaz am unteren Ende an und schob ihm sein Krügel hin, daß er daraus trinke.
" Na, Woferl, ist's denn wirklich wahr", fragte er, die Arbeiten im Schieferbruch bleiben also eingestellt, und die Wand schreit noch immer?"
" Ja", sagte der Wofert,„ schreien tuts schon, aber die schreit schon lang, und deswegen hätten's die Arbeit doch nicht einstellen müssen. Aber natürlich, den Herren is alles eins, ob wir verhungern oder nicht; sie haben uns unsern Lohn auszahlt, und weiter kümmern sie sich nicht um uns."
Die Bauern stimmten ein, und sie schimpften nun weidlich über die Kommission und über die gar so g'scheiten Herrn, die schier alles wissen möchten, aber der Jesuit habe Recht, es bringe tein' Segen und die Zeiten würden immer schlechter.
Eine schnell daherrollende Equipage, die vor dem Pfarrhause hielt, unterbrach diese Auseinandersezungen und lenkte ihre Aufmerksamkeit dahin.
Ein hochgewachsener Mann, das blasse Gesicht sorgfältig rafirt, den schwarzen Tuchrock bis an den Hals geschlossen, iprang heraus und überschritt die Schwelle.
Der Kutscher fuhr hierauf an das Wirtshaus heran und berlangte ein Glas Bier.
Der Wirt brachte es ihm rasch.
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Vom Grafen Falkenau, nicht wahr?" fragte er in lächelnder Zuvorkommenheit, indem er den Hals der Pferde klopfte,„ ich kenne die Pferde."
Der Kutscher bejahte, nachdem er das Glas geleert und ein zweites bestellt hatte.
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, Das war gewiß auch ein geistlicher Herr, den Sie da in die Pfarrei gebracht haben?" forschte der Wirt neugierig weiter, nachdem er ihm das zweite Glas emporgereicht.
" 1
, Einer vom Jesuitenorden war's," versezte der Kutscher mit einem pfiffig überlegenen Gesicht, der Pater Cölestin ." Dann ergriff er wieder die Zügel und fuhr davon.
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Der Wirt kam zu seinen Gästen, um ihnen das soeben Gehörte mitzuteilen.
„ So, ein Pater ist das," meinte der Fischer Menzel,„ das hab ich nicht g'wußt, und ich hätt' ihn auch nimmer dafür g'halten."
"
Hast vielleicht schon mit ihm zu tun g'habt?" fragten die andern.
„ Freilich, ich und er sind ja heut die ganze Nacht am Sce herumg'fahren."
„ Geh, ist's wahr, wegen was denn, habt's Fisch g'fangen." „ Bewahr, die Gabel hab' ich zwar mitg'habt und das Licht auch, aber ich hab's nicht anzünden dürfen, und ich hab müssen ganz still dahinfahren, daß niemand uns hört."
"
" Ah!" riefen alle interessirt, und was weiter?"
" No, wir sind bis zur englischen Villa g'fahren, und wie wir dort hinkommen, hab' ich müssen dicht gegen das Gebüsch hinfahren, und da sind wir halt auf der Lauer g'legen." Wem habt's denn aufg'lauert?"
„ Ja, das weiß ich nicht, und vielleicht hat er's selber nicht g'wußt. Ich hab' ihm g'sagt, Sie Herr, da ist niemand, schon seit einem Jahr ist da alles verschlossen, weil der Herr, dem das g'hört hat, g'storben ist, und seine Tochter ist auch nicht mehr da. Er hat aber g'sagt, ich soll ruhig sein, und soll mich nicht rühren. Und er selber hat sich nicht g'rührt, aber g'horcht hat er, und wenn's im Laub g'raschelt hat, oder ein bissel Geröll von oben herunter kommen ist, so ist er z'sammengefahren. Und einmal fasst er mich bei der Hand; saperlot, ich hab' auch Muskeln, aber mit so einem Griff hab' ich noch keinen ang'fafſt', und er fragt mich: hörst du's? Ich hab aber nichts gehört. Er aber sagt: das ist Gesang, ich aber fag: gar keine Spur, das ist der Wind, der saust immer so in der Nacht. Ich spüre aber wie seine Hand zittert, und darauf befiehlt er mir, ich soll ans Land fahren, damit er aussteigen könnt. Ich will ihm's ausreden. In der Nacht ist's da gar g'fährlich, sag ich, und auf dem Fleckt ist's niemal geheuer g'wesen; aber seine Augen funkeln mich darauf so grimmig an, daß ich mich schier vor ihm g'fürcht hab, und so hab ich ihm seinen Willen tan. Er steigt aus und deut't mir, ich soll z'rückbleiben, aber wie er sich wend't, seh ich etwas blizen in seiner Hand; ich möcht drauf schwören, daß es der Lauf einer Pistole war. Denk ich mir, das ist ein Selbstmörder, und schon will ich ihm nachgehen, aber dann sag ich mir, man muß ein' jedem seine Freud lassen, und besser ist's immer, er bringt sich selber um, als am Ende
mich, denn der ist nicht recht bei Sinnen-na, ich hab' ja nicht g'wußt, daß das ein Pater ist," fügte Menzel entschuldigend hinzu, als der Kirchendiener ihm einen Blick der zurechtweisung zugeworfen.
"
Und hat er geschossen?" fragten seine Hörer um ihn herum. " Ich hab' nichts gehört. Ewig lang ist er mir ausgeblieben, so daß ich eine Riesenangst friegt hab', aber endlich kommt er daher, steigt ein, ohne ein Wort zu sagen, und deut't mir nur, ich soll wieder zurückfahren. Ich hab mir das nicht zweimal sagen lassen, ich war froh, als wir wieder da waren. Aussteigen aber sag ich, na Herr, ich hab's Ihnen ja g'sagt,
Beim
dort ist niemand, und Sie haben auch niemanden finden können. Nein, sagt er, aber seine Stimm hat keinen Ton g'habt, und wie er mir jezt das Fahrgeld in die Hand druckt, fahr ich zurück, denn seine Hand war kalt wie von einem Toten."
„ Na, jezt hast ihn aber frisch und lebendig wiederg'sehen,"