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Der Mark Brandenburg frühere Oberflächengestalt.

Von Dr. A. Berghaus.

( Aus der ,, Europa  ".)

Der Lauf der drei Hauptflüsse in der Mark Brandenburg, der Lausitz   und in Nieder- Schlesien  , nämlich der Elbe, Spree  und Oder, zeigt in bedeutenden Strichen eine Richtung, welche mit der weit durchgreifenden Streichungslinie aller norddeutschen Flößgebirge auffallend übereinstimmt. Ein Blick auf die Karte lehrt, daß er sie nur verläßt, um rechtwinkelig abzuweichen, und daß er dann oft fast ohne allen Uebergang wieder in die ursprüngliche Form zurückkehrt. Hauptpunkte solcher Art sehen wir an der Oder   bei Leubus  , bei Köben, bei Neusalz  , bei Sabor in Schlesien   und auf lausitz  - brandenburgischem Boden bei Fürstenberg; an der Spree sehen wir dieselbe Erscheinung am Ein- und Ausgange des Spreewaldes, 114 Kilometer unterhalb Kottbus   und bei Lübben  , und bald unterhalb der Einmündung des Friedrich- Wilhelms- Kanals; an der Elbe da, wo sie die Schwarzelster bei Jessen   aufnimmt, bei Magdeburg  und bei Werben unterhalb Havelberg  . Diese Einrichtung stimmt zu auffallend mit dem Gange der Flüsse, die zwischen Gebirgs fetten strömen, als daß man nicht geneigt sein sollte, hier in dem doppelten Wechsel der Strombahn Längen- und Quertäler zu sehen, deren bestimmende Bergrücken, welche der herrschenden Richtung folgten, von der Oberfläche verschwunden sind.

Betrachtet man indessen den Gegenstand näher und sieht die Längentäler als die Haupttäler des Landes, als die natür liche Richtung an, welche die Gestalt der Erdoberfläche dem Laufe der Ströme gegeben hat, während die Duertäler ihr Dasein späteren gewaltsamen Erscheinungen oder früheren ge­waltsamen Zerreißungen des natürlichen Verbandes der Ge­birgsketten verdanken, so werden auch diese vorzugsweise eines jeden Aufmerksamkeit bei einer Betrachtung auf sich ziehen, welcher aus dem Laufe der Flüsse die geognostischen Grundzüge des Bodens zu erforschen strebt.

Es ist klar, daß das Odertal von Oppeln bis nach Fürsten berg in seiner mittleren Richtung der Erstreckung eines großen Längentales folgt, welches in der tiefsten Senkung des nörd­lichen Fußes der nächsten Gebirge liegt. Die Richtung dieses Tales sieht man südöstlich unverändert fortgesezt in dem weiten Becken der Malapane und des oberen Endes desselben, um­schlossen durch die beiden Schenkel des Kalfgebirges von Tar­ nowitz   und Woischnit, fortgesezt bis in die Hochebene von Polen  , von welcher außer der Malapane auch die Przemsa  , die Piliza und die Warthe herabströmen. Nimmt man dieses Becken für den wahren geologischen Anfang des uneigentlich sogenannten Odertales, so wird der wasserreiche Bergstrom, welcher, mit den Zuflüssen von einem Teile des mährisch- schlesischen Gebirges und des nordwestlichen Abfalles der Karpathen erfüllt, bei Ostrau   auf mährischem Gebiete am südlichen Rande der Pro­ vinz Schlesien   das Gebirge durchschnitt, die Oder   nämlich, ein Nebenstrom, obschon der ansehnlichste, und erreicht erst unter­halb der Stadt Oppeln   das Haupttal.

Auf der Nordseite von Fürstenberg   ändert die Oder für ihren ganzen ferneren Lauf ihre Richtung, ohne daß doch das Längental, in welchem sie bis hierher strömte, aufhört; denn das Tal der Schlaube, mit dem Talgrunde von Müllrose   bis Neubrück, ist die unmittelbare Fortsezung desselben, in welcher der Friedrich Wilhelms- Kanal angelegt ist.

Die auffallende Biegung der Spree bei der Mündung ge­nannten Kanales führt in Hinsicht auf die Spree zu dem Ge­danken, den man von der Oder   gefaßt hat. Von hier an be­zeichnet das Bett der Spree   ununterbrochen die Richtung des Haupttales bis zu ihrem Einflusse in die Havel   bei Spandau  ; von dort aber ist es leicht, die unmittelbare Fortsezung des selben zu verfolgen durch die weiten einstigen Seebecken des Havelländischen und Linumer Luches, welche sich kurz oberhalb Havelberg   in die Havel   ergießen.

Das Tal der Havel   selbst ist nur eine zufällige Verbindung

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von Seen, die sich gegenseitig ins Gleichgewicht sezen, die Ver­fettung einer Reihe von Vertiefungen des Bodens, welche, keinem bestimmten Geseze folgend, wahrscheinlich durch örtliche Vor­gänge auf der äußeren Oberfläche des leicht beweglichen, auf­geschwemmten Landes zu erklären sind.- So erscheint die Havel   als ein Nebenfluß des alten Oderlaufes, dessen Mündung in dem vormaligen Seebecken des Linumer Luches lag, daher es denn auch unter der gegenwärtigen Ver teilung des Fließenden, mit Rücksicht auf den längeren Lauf der Spree   und seines Parallelismus mit der Elbe, viel pas sender gewesen sein würde, den Namen der Spree   bis zur Elbe   beizubehalten, und die Havel   in die Spree, statt diese in jene fließen zu lassen.

Unterhalb Havelberg   nimmt das Bett der Elbe unſer märki­sches Hauptlängental ein, das nun bis auf unbedeutende Krüm­mungen ununterbrochen in gleicher Richtung fortgeht und endlich bei Hizacker den steil abfallenden Nordrand des Rückens der Lüneburger   Haide erreicht, an welchem es, in schnurgerader Richtung abschneidend, bis kurz vor Blekede fortläuft. Von dort aus erweitert es sich allmälich zu dem in gleichbleibender Streichungslinie sich fortsezenden, schmalen Meerbusen, an dessen Oberende Hamburg   liegt und in welchem Ebbe und Flut bis Geestacht, 22/2 Kilometer unterhalb Lauenburg  , vordringen.

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Und so leitet einen denn die Ansicht von der Grundgestalt des Landes dazu, die natürliche Mündung des Odertales nach Curhaven zu verlegen, jenseits dessen, vor der allmälich eingetretenen Zerstörung der Mündungsküsten durch nordwestliche Sturmfluten, Helgoland in einer ähnlichen Stellung gewesen sein wird, wie noch heute der Fels des Tour de Cor­ douan   an der Mündung der Gironde  .

Dentt man sich den Spiegel der Oder um etwa 25 Meter über seinen gegenwärtigen Stand erhöht, ohne ihr deshalb eine vermehrte Wassermasse zu geben; nimmt man ferner das Tal zwischen Brieskow   und Frankfurt   als geschlossen und den Rücken der Lüneburger   Haide bei Hißacker und Blekede als unmittel bar verbunden an, so werden alle Gewässer des schlesischen und lausißer Gebirges sich in ein großes Binnenmeer ergossen haben, dessen südliches Ufer sich ungefähr in der Linie erstreckt haben mag, die man an der Oder bei Leubus   nach dem Bober   unter halb Bunzlau  , an diesem Fluß und dem Queiß abwärts über Sagan und Christianstadt, und von da westwärts über Gassen und Sommerfeld, über die Neiße bei Forste hinweg nach Kott bus zur Spree und dem Spreewalde, von Lübben   nach Baruth  . Luckenwalde  , Treuenbrießen, Belzig  , Ziesar   bis an die Elbe   bei Parey   zieht, indes das nördliche Ufer desselben in seiner west­lichen Hälfte an dem sehr gleichförmigen südlichen Abfalle des mecklenburgischen Landrückens in der Priegnitz und dem Lande Ruppin fortgegangen sein dürfte.

Die große Menge flacher Landseen und mit Torf gefüllter Sümpfe, welche das Gebiet dieses Binnensee's vor seinen Um gebungen auszeichnen, und die auffallend niedrige Lage dieses Landstriches mögen im Verein mit den oben angestellten Be­trachtungen die Voraussezungen dieses Binnensee's rechtfertigen. Lag der niedrigste Teil des Bodens dieser Wassermasse in der Richtung der Längentäler des tief verschütteten Flößgebirges, so wird es leicht erklärbar, daß auch die Gewässer nach dem Durchbruche bei Frankfurt   und bei Blekede in derselben ihren Abzug genommen haben.

Was die ursprüngliche Richtung des Elbtales anbetrifft, so verband sich dasselbe bei Magdeburg   bis Havelberg   mit dem großen Längentale der Oder. Das Urbett der Elbe ist wohl ohne Zweifel in der Ohre, die nur geringes Gefälle befizt, in dem Seebecken des Drömlings und des Barenbruches, der Aller und der Weser   unterhalb der Mündung des zulezt genannten Flusses zu erkennen, so daß die heutige Wesermündung die der Elbe war.