für ihre Forderungen das Vorzugsrecht vor hypotekarischen Forderungen und die Gleichberechtigung mit sonstigen bevorzugten Forderungen haben.
Das wären die Hauptpunkte, um die es sich bei Erlaß eines Baugesezes für das deutsche Reich handeln dürfte. Der auf Grund solch eines Gesezes zu führende Kampf gegen die
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geschilderten Uebelstände ist auch ein und gewiß nicht unwesentlicher Teil des allgemeinen großen Kampfes für die eigene Veredelung und die Lebensveredelung Aller", für die Befreiung der arbeitenden Klassen von Not und Elend, für den Sieg der Sozialgerechtigkeit!
Zu dessen hundertjährigem Geburtstag. Von J. Stern.
Das Städtchen Muskau in der Lausitz hat in der lezten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der deutschen Literatur zwei äußerst produktive Männer von verschiedener Geistesrichtung gegeben, deren Werke von ihren Zeitgenossen mit lebhaftem Interesse aufgenommen wurden, während sie heutzutage fast verschollen sind. Die pikanten aber bizarren Schriften des geistreichen Fürsten Bückler- Muskau sind längst in die Rumpelkammer der Literatur gewandert und verdanken es nur den satirischen Ausfällen eines Börne und Immermann , daß sie nicht ganz in Vergessenheit geraten sind. Ein größeres Verdienst als um die Literatur hat sich derselbe um die Gartenkunst erworben, indem er durch seine berühmten Parkanlagen um Muskau und Braniz bei Kottbus die Landschaftsgärtnerei, in welcher er den natürlichen( englischen) Stil einführte, auf eine bis dahin in Deutsch land ungeahnte Höhe hob.- Von weit größerem Wert als die Schriften des Fürsten sind die Leopold Schefers, eines Mannes von echt dichterischer Begabung. der, auch abgesehen von dem zufälligen Umstand seines Geburtsjubiläums, es verdient, daß man die Erinnerung an ihn auffrischt.
Konventikelwesen gerichtete pikante Novelle„ Die Sibylle von Mantua" folgten rasch nacheinander. Es sind lyrisch- epische Dichtungen in Prosa. Sie führen den Leser nach China , Kanada , Konstantinopel , auf die griechischen Inseln, nach Rom , Venedig u. s. w. und fesseln durch ein ebenso glänzendes wie treues Kolorit, reizende Erfindung und lebendige Phantasie, welche, unterstüzt von sehr genauer Kenntnis fremder Länder und Sitten, das Fernste in seinem eigensten Schmuck lebendig veranschaulicht. Zugleich bekunden Schefers Novellen große Innigkeit des Gefühls und tiefe psychologische Kenntnis. Namentlich versteht der Dichter weibliche Karaktere mit großer Wahrheit zu schildern. Ueber diese Vorzüge übersicht man gern die oft bizarre und phantastische stoffliche Einkleidung und die nicht selten ungelenke Sprache. Seine lezte, unvollendet gebliebene epische Dichtung in Herametern,„ Homers Apoteose", will neben einer Verherrlichung des größten Epifers aller Zeiten ein Bild des ganzen Menschenlebens sein, aus welchem die Blume der Dichtkunst hervorblüht; doch verliert sie sich häufig ins Bizarrre. Von Schefers bedeutenden teoretischen Kenntnissen in der Musik zeugen seine Oper Sakontala " und viele von ihm komponirten Quartette. In späterer Zeit wandte sich Schefers Muse vor zugsweise der lyrischen Poesie zu. Es erschienen von ihm: „ Kleine lyrische Werke,"" Vigilien,"" Gedichte". Höchst originelle Poesien sind„ Hafis in Hellas", worin sich das anakreon tisch Spielende der althellenischen Liebespoesie mit der didak tischen Richtung und der Bilderpracht des Orients vereinigt, und der„ Koran der Liebe nebst kleiner Suna," die Fortsezung des Hafis , voll schalkhafter Epigramme, leichtfüßiger Dityramben, erotischer Legenden und Parabeln von höchst abgerundeter Form. Durch beide Dichtungen zieht sich als roter Faden die Polemit gegen den Spiritualismus, aber in orientalischer Lyrik verhüllt. Manches Fremdartige darin erklärt sich aus seiner Vorliebe für den Orient und die religiös- sittlichen Ansichten des Mohame danismus, die besonders start in Mohamets türkischen Himmelsbriefen" hervortritt. Den ersten Rang unter Schefers Dichtungen nimmt sein„ Laienbrevier" ein. Das Werk ist wie ein Brevier eingerichtet; jedem einzelnen Tage des Jahres ist eine Betrachtung gewidmet, ohne daß sich der Dichter dabei an die Jahreszeiten gebunden hätte. Es ist ein panteistisches Erbaus ungsbuch, reich an poetischen Schönheiten. Der Inhalt wechselt zwischen großartigen Naturhymen, populär- philosophischen Erörterungen über Glück und Unglück, Lust und Leid, welch lezteres als Läuterung und Klärung des Menschenherzens gekennzeichnet wird, herrlichen Ausblicken auf den Umschwung der Kultur, wie besonders Ermahnungen, dem Reinmenschlichen und der Natur sich unbefangen hinzugeben, der ungetrübten Liebe und Güte ganz das Herz zu weihen. Unserem modernen Geschmack will indessen Schefers Laienbrevier, das seiner Zeit zur großen Popularität gelangt und sogar noch mehr Erfolg hatte, als Panteisten Giordano Bruno ein herrliches Denkmal gesezt hat, nach dem allzustark darin hervortretenden Geiste der Beschau eine Meisternovelle, worin der Dichter den großen Rückerts„ Weisheit des Brahmanen", nicht mehr zusagen, weder " Graf Branik,"" Genevion von Toulouse" und die gegen das lichkeit und Naturseligkeit, noch nach der monotonen Form des durch keine Abwechslung belebten jambischen Fünffußes, welche durch häufige Breite und Weitschweifigkeit keineswegs gewinnt. Doch sind darin eine Menge Goldkörner enthalten, welche ge sammelt und fachlich gruppirt eine hübsche Antologie bilden
Leopold Schefer , der liebenswürdige optimistische Panteiſt, gehört zu den Dichtern, die wie Rückert und Grillparzer ihre poetischen Anregungen und Kunstideale von den in Deutschland beinahe gleichzeitig auftretenden Richtungen, der Klassik und Romantik, empfingen. Geboren am 30. Juli 1784 zu Muskau , beschäftigte er sich, nachdem er das Gymnasium zu Baußen absolvirt hatte, in seiner Heimat mit Matematik, Philosophie, den klassischen und orientalischen Sprachen und Musik. Seine ersten poetischen und musikalischen Erzeugnisse wurden von seinem um ein Jahr jüngeren Landsmann, dem Grafen und späteren Fürsten Pückler- Muskau herausgegeben, der lange als deren Verfasser galt. Auch seine zweite Sammlung erschien zwei Jahre später anonym. Im Jahre 1813, als der Graf an dem Kriege gegen Frankreich teilnahm, ernannte er Schefer zum Generalverwalter seiner Güter. Später machte er, zumteil als Begleiter seines vornehmen Protektors, größere Reisen nach Frankreich , England, Italien , Griechenland , den jonischen Inseln, der Türkei und Kleinasien . 1820 nach Muskau zurückgekehrt, lebte er fortan hier, in enger Verbindung mit dem Fürsten , seinen Studien und literarischen Arbeiten, ohne jedoch sein Amt dabei zu vernachlässigen; er verwaltete dasselbe vielmehr eine lange Reihe von Jahren ebenso umsichtig als uneigennüzig, zur größten Zufriedenheit seines Gutsherrn. Leider erinnerte man sich trozdem seiner nicht, als die Standesherrschaft Muskau verfauft wurde, und nun geriet der Greis, der im Vertrauen auf den Fürsten nie an sich gedacht hatte, noch in drückende Verhältnisse, denen sein am 16. Februar 1862 erfolgter Tod ein
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Ende machte.*) Schefer entfaltete zuerst als Novellist eine große Fruchtbarkeit. Die Erzählungen:„ Novellen,"„ Neue Novellen,"" Lavabecher," Kleine Romane,"" Göttliche Komödie in Rom,
*) Vgl. Salomon, Geschichte der deutschen Nationalliteratur, VIII. Tie einzig vorhandene ausführliche Biographie Schefers von Lüdemann habe ich auch in bedeutenden Biblioteken nicht erlangen können.
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