jenes famose System vorherrscht, nach welchem Literatur, Geschichte und Mytologie, ja sogar die Sprachen der alten Griechen und Römer der Jugend als wichtiger aufgedrängt werden, denn Literatur, Geschichte, Mytologie und Sprache des eigenen Vaterlandes. Wir legen natürlich auf die Mytologie nur insofern Wert, als wir aus derselben Aufschlüsse über die Gedankenwelt unserer Altvordern gewinnen.
In den altgermantischen Heldensagen sind eine Menge prächtiger Schilderungen enthalten über Natur- und Kulturzustand jener für uns heute noch so anziehenden und interessanten Zeit. So finden wir in dem bekannten Heldengedicht„ Wieland der Schmied " eine hübsche Schilderung des Waldes; es ist beschrieben, wie der junge starke Königssohn Siegfried, der Held des Nibelungenliedes, von dem Schmied Mime in den Wald geschickt wird, um, wie der vor des jungen Recken Kraft sich fürchtende Schmied hofft, von dem im Walde hausenden Drachen Fafner, dem Hüter des Nibelungenschazes, verzehrt zu werden. Da heißt es( nach der Uebersezung in Simrocks Heldenbuch) im zwölften Abenteuer:
,, Noch stand die Sonne niedrig, da fuhr zum grünen Wald Siegfried der junge; wie fröhlich ward er bald,
Als er im lichten Scheine die Bäume grünen sah; Voll Freuden wollt' er springen, nicht wußt' er wie ihm geschah. Er begann ein Lied zu singen, noch saug's der Widerhall, Da schuf ein lustig Ringen der starken Stimme Schall ; Bald freut ihn mehr zu lauschen des Bächleins muntrem Gang; Bald wie ein wonnig Rauschen durch alle Läuber sich schwang. Bon abertausend Stimmen der Wald erfüllet war, Von Blüten summten Immen zu Blüten immerdar; Bald Adlerflügelschläge, bald fleiner Vögel Lied, Bald Reh' im Laube raschelnd, bald Wasservögel im Ried. Hier ging ein Rudel Hirsche; Zwanzigender stolz Wiesen den Hindinnen die Wege durch das Holz; Dort schoß ein wilder Eber auf seiner Jagd vorbei, Hier balzten Auerhähne, dort kreiste herrlich der Weih. Wie leuchtend durch die Grüne die Morgensonne schien! Siegfried der Kühne sprang wie ein Tor dahin: Er hatte nie die Wunder der Wildnis gekannt, Bald an dem Orte stand er, dahin ihn Mime gesandt."
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Welch prächtige Schilderung der Wunder der Wildnis", wie der. unbekannte Dichter sagt! Die lebendige Phantasie unserer kräftigen Altvordern bevölkerte diese Wälder, über welche einst des Asengottes Odin wilde Jagd dahinfuhr, mit allerlei fabelhaften Ungeheuern, namentlich mit Drachen und Lindwürmern, welche grimmigen Geschöpfe so lebendig geschildert werden, daß man als sicher annehmen kann, es habe sich zu jener Zeit eine nun ausgestorbene Art von menschenfressenden Tieren in den Wäldern umhergetrieben, wahrscheinlich eine Art von Sauriern, die ungefähr so aussehen, wie uns die Drachen und Lindwürmer überliefert worden sind. Es war die Aufgabe der Helden des Landes, diese Ungeheuer zu vernichten, wobei sie nach der Sage nicht selten selbst das Leben ließen. Es meldet z. B. die Sage von einem Vorfahren des gleichfalls sagenhaften Helden Struthan Winkelried, daß der erstere einen Lindwurm, die Plage des Landes, erschlagen habe. Da wir nun einmal bei jung Siegfried waren, so wollen wir auch den Dichter des Wielandliedes schildern lassen, wie Siegfried den Drachen Fafner erschlägt. Fafner der Drache ist der Bruder des Schmieds Mime und Mime fordert den brüderlichen Drachen auf, den unbändigen Knaben Siegfried , der den Ambos des Schmieds in den Grund geschlagen, zu verschlingen. Siegfried sollte nämlich bei Mime die Kunst des Schmiedens erlernen, aber Mime fürchtete sich, von dem unbändigen jungen Recken erschlagen zu werden.
Fafner der Drache bekommt Appétit und antwortet seinem Bruder mit einem wahren Kannibalen- Humor:
" Da sprach sein Bruder Fafner: Schon gut, er kommt doch bald? Es ist jezt gar so einsam hier in dem tiefen Wald; Ich sehe gerne Leute bei mir auch dann und wann,
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So allein ist's zum Verschmachten für den Menschenfreund im Tann." Bu Mittag wird er kommen" das ist mir herzlich lieb, Er ist zu Tisch gebeten, ich wünsche nur, er blieb' Nicht gar so lange außen; mir wird das Fasten schwer; Das Mahl verschieb ich ungern; send' ihn ja zeitig hierher."
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Aber die Mahlzeit sollte dem Menschenfreund im Tann" übel bekommen. Siegfried fam, zündete sich im Walde ein mächtiges Feuer an, in das er eine große Buche legte, und aß dann mit einemmal den ganzen Mundvorrat auf, den ihm Mime für sieben Tage mitgegeben; auch trant er seinen ganzen Weinvorrat aus. Er sollte nämlich für Mime im Walde Kohlen brennen, was ein Vorwand war, ihn dem Drachen zu überliefern.
Der junge Rede fühlt sich stark und gewaltig und wünscht sich ein Abenteuer in dem verrufenen Wald:
Es ist ein rechter Jammer, wie wunderlos die Welt, Wie soll sich da erweisen in seiner Kraft ein Held? Tursen, Bergriesen, die sieht man garnicht mehr,
O führ' doch aus der Wildnis ein scheußlich Untier daher!"
Nun kam zur selben Stunde Fafner, der grimme Wurm, Aus des Berges Schlunde; er schoß daher im Sturm, Die Beute zu verschlingen lechzt' ihm schon der Gaum, Da fuhr der junge Degen empor aus seinem Heldentraum. Er sah den Drachen kriechen und sprach: Wie bin ich froh! Wie ich es eben wünschte, es fügt sich völlig so! Nun kann ich mich versuchen!" Hin lief der Rede gut Und riß die mächt'ge Buche hervor aus des Feuers Glut.
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Seine Kraft war sonder Gleichen: er lief den Lindwurm an Und schlug ihm in die Weichen, daß weit erscholl der Tann . Da sprühte Gift und Geiser des wilden Drachen Schlund Und wieder schlug ihn Siegfried ; da ward ihm Heldenstärke kund. Da wandte sich der Drache, er ringelte den Schweif Und zuckte nach dem Jüngling mit schnell entrolltem Reis; Der aber sprang zurücke und schlug ihm auf das Haupt Mit dem Feuerbrande. Da war er Sinnes beraubt
Und stöhnte furchtbar brüllend die lezten Geister aus, Den Wald mit Schrecken füllend und alles Wild mit Graus. Noch fielen Schläge herab von Siegfrieds Hand:
Da war der Wurm gestorben; sein lezter Seufzer entsandt."
So erschlug jung Siegfried, der stärkste aller Reden, der es verschmäht hatte, Waffen in den Wald mitzunehmen, den gewaltigen Drachen Fafner.
An gefährlichen Tieren trieben sich hauptsächlich der Auerochs und der Bär in den germanischen Wäldern umher, und unsere Altvordern fleideten sich in die Felle des Bären, tranken ihren Met aus den Hörnern des Auerochsen und trugen auch wohl die abgezogene Kopfhaut des Auerochsen sammt den Hörnern wie eine Art Helm auf den Kopf, um den Feinden in der Schlacht damit furchtbar zu erscheinen. Ihr Schlachtgebrüll soll so furchtbar gewesen sein, daß den Feinden schon oft beim Anhören dieses infernalischen Lärms der Mut entsant, wie Cäsar erzählt. Sie bewiesen stets einen außerordentlichen Mut; es geht sogar die Sage, daß im Norden einzelne starke Helden den Bären unbewaffnet angegriffen und erwürgt hätten. Das wird wohl über trieben gewesen sein. Unsere Illustration stellt eine Bärenjagd dar, bei der der angegriffene Meister Bez auch seinen wohlbewaffneten An greifern sehr gefährlich wird. W. B.
Vor und nach der Parade.( S. 544 u. 545.) Das war noch die schöne alte Zeit der Bürgergarden, bei denen es so gemütlich herging, daß ihre vor den Toren der Städte ausgestellten Schildwachen Strümpfe stridten. Die Waffen dieser friedlichen Helden wurden niemals mit Blut befleckt; höchstens dienten die blanken Schwerter derselben dazu, Brod- und Käselaibe zu zerhauen. Man denke nur an die„ Funken" in Köln und an die leipziger Kommunalgarde.
Für die angesehenen Bürger" war es aber ein Ziel ihres Ehr geizes, bei den Bürgergarden eine Offizier- oder Befehlshaberstelle zu haben. Die Herren Schlachter- und Bäckermeister stellten zu dieſen Offizieren ein großes Kontingent, da sie gewöhnlich die imponirendsten und umfangreichsten Gestalten aufzuweisen hatten. Sonstige Qualifi fation zu militärischen Aemtern war freilich in der Regel nicht an ihnen zu entdecken.
Herr Ochsenschlächter Haberlein in- Rumpendorf war von seinen Mitbürgern zum Oberbefehlshaber der etwa 50 Mann starken Bürger garde ernannt worden. Wir wissen nicht, ob er die Taktik des Starthagers Hannibal oder diejenige Friedrichs II. von Preußen zu seinem Spezialstudium gemacht hatte. Aber er konnte martialisch fluchen, und wenn er so einen„ Kreuzmillionenschwerenöter!" über einen losließ, so fonnte man schon glauben, er habe sämmtliche Feldzüge. Napoleons mitgemacht. Dazu besaß er eine stattliche Leibessülle und einen alten Grauschimmel; recht grob war er sonst auch noch also wer fonnte geeigneter sein zum Oberbefehlshaber der Bürgergarde von Rumpen dorf, als Herr Haberlein?
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Aber der tapfere, Kommandant sollte einem tragischen Geschick ver
fallen.
Eines Tages passirte die regierende Durchlaucht des Ländchens ihre getreue Stadt Rumpendorf und es war abgemacht, daß die Bürger garde zu einer Parade antreten sollte. Herr Haberlein wollte sich einen großen Tag machen und sich im Strahl der durchlauchtigen Gnade sonnen. Er warf sich in seine Galauniform, schnallte sich seine silbernen Sporen an, hing den gewaltigen Kavalleriesäbel um, den er von seinem Großvater ererbt hatte und der bei Roßbach mit dabei gewesen" war, und bedeckte endlich sein Haupt mit dem fübelförmigen Tschako, den ein ungeheurer Federbusch schmüdte. Dann führten der Hausfnecht Johann und die stämmige Trine den alten Feldherrnschimmel vor. Mit einem alten Heringsfaß wurde dem korpulenten Kriegshelden ermög
licht, den Rücken des Schlachtrosses zu besteigen.
Militärisch grüßend ritt Herr Haberlein davon und wie er fo gravitätisch im Sattel saß, war seine Eheliebste nicht wenig stolz. Er
war doch ein geborener General.
Auf dem Paradeplaze stellte sich die Bürgergarde auf. Die Waffen blinkten im Sonnenstrahl. Alles freute sich an der militärischen Machtund Brachtentfaltung; nur der Schimmel des Kommandanten schien mit allem unzufrieden zu sein. Er unternahm bösartige Seiten