sprünge, so daß der Federbusch des Kommandanten häufige bedenkliche Schwankungen machte.
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Doch nun nahte die durchlauchtige Equipage; das Hurrah der aufgestellten Schuljungend brauste herüber, der Kommandant nahm seine stolzeste Haltung an und wollte eben präsentiren lassen gab eine kleine Wespe dem großen Aft eine andere Wendung. Sie stach nämlich den Schimmel, wir wissen nicht warum, an einer sehr empfindlichen Stelle.
Nun war's mit der Geduld des edlen Schlachtrosses vorüber. Es warf sich in den wildesten Galopp und ging durch, ohne sich um das wehende Taschentuch des der durchlauchtigen Equipage vorausreitenden Zeremonienmeisters zu bekümmern. Das Tier strebte offenbar seinem Stalle zu. Der bestürzte Feldherr machte die größten Anstrengungen, das Tier zum Stehen zu bringen, was aber nur zur Folge hatte, daß es ihn abwarf, wobei er auf das Knie fiel, so daß seine Galahose dort ein mächtiges Loch bekam. Der Tschako slog weithin.
In diesem Moment fuhr die Durchlaucht vor der Front vorbei. Sie soll sich halb tot gelacht haben über den ergözlichen Anblick des seitab mit der zerrissenen Hose sich am Boden wälzenden Kommandanten, während die Bürgersoldaten in ihrer Bestürzung das Präsentiren vergaßen. Herr Haberlein aber wankte nach Hause, wo seine ehrsame Ehefrau bei seinem Anblick die Hände über dem Kopf zusammenschlug. Er ließ sich) viele Wochen lang nicht außerhalb seiner vier Pfähle sehen und legte seine Würde nieder.
Er hat in seinem Leben nie wieder nach militärischem Ruhm Sehnsucht gehabt. Der Schimmel hat's freilich am schwersten büßen müssen. Er endete sein frevelvolles Dasein unter den Händen des Schinders.
Kreusa.( Seite 549.)
A. T.
Warum bin ich vergänglich, o Zeus ? so fragte die Schönheit. Macht' ich doch, sagte der Gott, nur das Vergängliche schön. Und die Liebe, die Blumen, der Tau und die Jugend vernahmens; Alle gingen sie weg, weinend, von Jupiters Tron.
Ja, auch die Liebe, obgleich sie auf ewig geschworen wird, und es gehört zu den tieftragischen Seiten des Menschendaseins, wenn bei zwei Menschen, die einst in heißer Liebe für einander geglüht und einen Bund fürs ganze Leben geschlossen haben, die schöne Flamme allmälich schwächer und schwächer slackert und endlich ganz verlischt. Noch tragischer ist es, wenn auf der einen Seite die Glut des Herzens noch heiß und innig lodert, während der andere Teil von einem andern Magneten angezogen wird. Unter den vielen modernen Dichtern, die es unternommen haben, einen solchen Konflikt poetisch zu beleuchten, steht Goethe obenan, der in seinen von beschränkten Pharisäern und Aftermoralisten als unmoralisch verdächtigten„ Wahlverwandtschaften " dieses erotische Problem in genialster Weise behandelt hat. Aber auch bei den Alten, bei welchen die Polygamie zulässig war, begegnet uns dieser Konflikt häufig in Sage und Dichtung. So in der Sage von Jason und Medea , welche durch Grillparzers Klassische Trilogie das goldne Bließ" wohl vielen unter unsern Lesern aus dem Teater bekannt ist. Medea , die titanenhafte Kolcherin, war in heißer Liebe für den Argonautenführer Jason entbrannt, der mit seinen Gefährten nach Kolchis geschifft war, um das ersehnte goldne Bließ zu erobern. Sie half ihm mit ihren Bauberkünften das glorreiche Unternehmen glüdlich zu vollführen. Jason mußte zuerst zwei flammenatmende Stiere an eine diamantne Pflugschar spannen und damit vier Morgen eines noch nie gepflügten Feldes aufreißen. Hierauf mußte er Drachenzähne in die gepflügten Furchen fäen und die geharnischten Männer, die aus der furchtbaren Saat emporwuchsen, töten. Endlich war noch der fürchterliche Drachen zu töten, der das in einem Hain aufgehängte goldne Bließ bewachte. Siegreich kehrte der Held mit den Genossen und der Geliebten, welche den föniglichen Palast ihres Vaters heimlich verließ, nach der Heimat zurück. Dort vollführte Medea ein neues Wunderwert durch die Gewalt der magischen Kräfte. Sie verjüngte den Vater ihres Gatten, den greisen Aeson, indem sie aus verborgenen Kräutern ihm neue Jugendkraft und Jugendfrische einflößte. Nach zehn Jahren einen Lebenssaft braute, der alle Adern des Greises durchströmte und aber war Jason der Medea überdrüssig und stand im Begriff, sich mit der fürstlichen Tochter Kreons, Kreusa, zu vermählen. Medea stellte fich fanft und duldend; sie schidte selbst der Braut ein Hochzeitkleid. Aber die zauber- und fräuterkundige Kolcherin hatte das Gewand mit fühlte sie heiße Flammen ihr Innerstes verzehren und starb einen einem giftigen Saft getränkt, und faum hatte Kreusa es angelegt, so qualvollen Tod. So sehen wir sie auf unserem Bilde, angetan mit dem verhängnisvollen Kleid. Wie eine schlafende Blume liegt sie entfeelt in den Armen des Todes, indes der nichts böjes ahnende Gatte mit Entsezen auf das arme Opfer rasender Eifersucht blickt. getränkte Medea ließ nun ihrer Rache freien Lauf: auf Kreons Palast ließ sie Feuer regnen, den Kreon selbst einen Raub der Flammen werden; sie ermordete ihre und Jasons Kinder und eilte darauf mit seinem Gram und seiner Verzweiflung überließ, die seine Tage fürzte einem brachenbespannten Wagen durch die Lüfte, indem sie den Jason und ihm den Rest seines Lebens verbitterte.
St.
Die
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Beiträge zur Länder und Völkerkunde.
Ueber das Institut der Sauïa und die Brüderschaft der Senussia in Nordafrika . Die Sauïa spielt bei allen nordafrikanischen Völkern, Berbern wie Arabern, eine der größten Rollen unter allen öffentlichen Einrichtungen. Es ist dies gleichzeitig eine Art des Gottesdienstes, eine Schule und eine gastfreie Herberge für Wanderer, Arme und Kranke. Wo eine Brüderschaft wie die der Senussia herrscht, ist die Sauia aber zugleich auch der Herd des Fanatismus. Unter allen Umständen verkörpert sie in sich die idealen Strebungen des mohame= danischen Lebens in diesen Ländern, ist der praktisch bedeutsamste Ausdruck des religiösen Fühlens und Wollens. Einige Sauïa haben sich zum Rang von Universitäten erhoben. Es gibt welche im südlichen Algerien , welche ihre Schüler von Marokko bis Egypten beziehen. Die weitaus meisten sind jedoch Elementarschulen, in denen die Kinder der Wohlhabenden für eine Vorauszahlung von 80 Reichsmark den ganzen hier üblichen Unterricht erhalten, welcher im Lesen und Auswendiglernen bestimmter Teile des Korans und einiger Gebete besteht. Außer dem Unterricht erhalten die Kinder Wohnung, Kleidung und Nahrung für die ganze Zeit ihres Aufenthaltes. Die Kinder der Armen bekommen dieses alles umsonst. Die Pilger und Bettler werden in jeder Sauïa drei Tage unterhalten. Selbst herrenlose Pferde und Maultiere werden ernährt, bis ihr Eigentümer sie reklamirt. Das Haupt der Sauïa ist in der Regel erblich, wo es aber notwendig wird, diese Regel zu durchbrechen, wird von der Gesammtheit der Taleb( Tolba) ein neues Haupt gewählt, welches nach wohlbestandener, einjähriger Probezeit erblich wird.
Unter der Decke der türkischen Herrschaft bereitet sich in der arabischen Bevölkerung Nordafrikas seit zwei Jahrzehnten eine mächtige Bewegung vor, deren Ziel die religiöse Reform und durch diese zugleich die soziale ist. Nach dem Bilde früherer Sekten oder Brüderschaften bildete sich in der Kyrenaika zu Dschebel Lakhedar unter der Anleitung eines aus Oran stammenden, durch seinen Mut und seine Tugenden ausgezeichneten Taleb die Brüderschaft der Senussia . Der Name des Taleb war Si- Mohamed- Ben- Ali- Essenussi und er war damals das Haupt der Sauïa El Beïda zu Dschebel Lakhedar; schon in den fünfziger Jahren war der Ruf seiner Heiligkeit weit über die Grenzen dieses Klosters hinausgedrungen und der einfache Priester war in den lezten Jahren vor seinem Tode, der 1859 erfolgte, eine der Mächte der islamitischen Welt. Die Kyrenaika wurde durch ihn gleichsam ein Staat im Staate, und zwar ein teokratisch regierter, und es fehlte wenig, daß die Marmarika und Tripolitanen ihm mehr gehorchten, als den türkischen Beamten. Seine Macht war noch gewachsen, als er kurz vor seinem Tode seine Residenz weiter in die Wüste hinein verlegt hatte. Mochte er an den Spruch denken:„ Major e longinquo reverentia", oder mochte er sich besser geschüzt fühlen in größerer Entfernung von der Küste, oder sah er endlich die wunderbar rasche Ausbreitung seiner Anhänger in den Oasen und in Wadai voraus: er wanderte südwärts nach der Oase Dscherbub, welche zwei Tagereisen von der Ammonsvase gelegen ist. Hier starb er 1859, und nachdem ein Taleb von Tuat, der ihm folgte, ermordet worden war, wurde sein ältester Sohn El- Mehedi zu seiner Nachfolge berufen, und dieser leitet noch heute die zum feſtgegliederten Orden gewordene Brüderschaft mit fester und fühner Hand. Vor seinem Tode hatte der Vater dem Sohne die Rolle eines Retters der islamitischen Welt in dem großen Zusammensturz prophezeit, welcher am Ende des ersten Jahrtausends der Hedschra( November 1882) eintreten sollte. Bezeichnenderweise sollte der größte Aft in diesem Zusammensturz der Fall des Sultanats von Kon stantinopel sein. Mit noch größerer Bestimmtheit sahen aber die Senussia dem Falle Egyptens entgegen und es war sehr falsch, wenn die europäischen Politifer in der Niederlage Arabis einen Schlag sahen, der dem Ansehen des Islam in Nordafrika überhaupt beigebracht wor den sei. Seitdem die egyptische Regierung den Handel unterbrochen hatte, den El- Mehedi mit den von seinen sudanesischen Freunden ihm als Tribut gezahlten Negersklaven nach Egypten trieb, war ein heiliger Zorn über den Gottesmann gekommen und er sprach mit den Worten eines berühmten Propheten von Mostaganem : Die Türken und Christen gehören in dieselbe Klasse, ich werde den einen wie den anderen die Köpfe abschneiden.
Klüger als andere Sektenführer hat El- Mehedi es bis heute vermieden, unmittelbar in die Politif einzugreifen. Das Beispiel des Scheit Rhuma, der an demselben Dichebel Lathedar die Fahne der Empörung gegen die Türkenherrschaft aufgepflanzt hatte, hat Bater und Sohn gewarnt. Die Senussia begnügten sich damit, die geistliche Macht ihres Ordens auszubreiten, welche schon heute über gewaltige Machtmittel gebietet. Sie gründeten ihre Klöster, fuchten die Schulen in ihre Hände zu bekommen und sammelten Schäze. In diesen geldarmen Ländern sind die Senussia schon heute nicht nur eine geistliche, sondern auch eine gewaltige Geldmacht. Sie haben es zunächst nicht nötig, eine politische Macht zu schaffen; denn sie ziehen aus der Kyrenaifa mehr Steuern als die Türken, haben die Oasen der lybischen Wüste, von Kufra und Fessan in der Hand und sind die zweite Macht, nach dem Könige, in Wadai. Man rechnete schon vor einigen Jahren, daß El- Mehedi ohne Fessan und Wadai 50 000 Araber jederzeit ins Feld zit stellen vermöchte. Wenn nun El- Mehedi es vermeidet, die weltlichen Machtmittel zu gebrauchen, welche dergestalt ihm zur Berfügung stehen, so spielt doch die berühmte Sauia von Dscherbub immerhin eine große politische Rolle in allen Unruhen, welche die islamitische Bevölkerung Nordafrikas oder des Sudan aufregen. Gabriel Charmes