zusinken; Frau Gerta war noch nicht eingetroffen, aber sie konnte nicht länger zögern. Der Aufregung und Ungeduld Elsas gegen­über schien es indes, als zögerte sie schon zu lange. Elsa stand vor dem Spiegel, sie hielt ein weiches Filzkäppchen in der Hand, das sie in der Mädchenzeit getragen, und das sie nun hervor gesucht, weil sie es für die Reise als passend erachtete.

Arnold nahm es ihr scherzend aus der Hand und sezte es ihr auf, aber viel zu schief, wie sie lachend versicherte.

" Weil du nicht einen Augenblick ruhig hälst," sagte er, indem er von rückwärts den blonden Kopf an seine Brust zog; er kannte nur das eine Mittel, unter dem dieser sich stille ver­hielt, und er wendete es an.

Aber sie machte sich in nervöser Unruhe bald wieder von ihm los.

" Ich kann es nicht erwarten, Arnold, bis wir den See, bis wir diese Berge hinter uns haben!"

"

Undankbare, waren wir nicht hier so glücklich?"

Sie sah ihm still selig in die Augen.

"

Nehmen wir denn unser Glück nicht mit? Ach, ich werde jubeln, sobald die Schweizer Berge in unseren Gesichtskreis treten; wären wir nur schon dort, Liebster, hätte ich dich nur schon in Sicherheit!"

Er schüttelte den Kopf, scherzhaft verweisend." So darf meine mutige Frau nicht sprechen."

D, ich bin auf alles gefaßt, Arno, und du wirst mich immer stark finden, glaube es mir."

Sie sagte es innig, mit plözlichem Ernst. Seine Augen hafteten auf ihren Zügen, die ihr mutiger Ausdruck noch ver­schönte, mit einem Blick unendlicher Weichheit, unendlicher Zärt­lichkeit.

Ahnte er, daß sein Weib dieses Mutes gar sehr bedürfen würde? Wie ein leiser Schmerz durchbebte es ihn, aber es ging vorüber; er gehörte wieder ganz der Gegenwart, der unmittel­baren, mit ihren Wonnen, mit ihrer das ganze Sein ihm er­füllenden Seligkeit. Und es war in ihm ein Schwelgen, ein Sichversenken in Glück, ein Sichdaransättigen, das ihm jede Fiber durchdrang. In all ihrer Schöne und Geistigkeit ver­mochte er die Geliebte zu erfassen, und er hatte ihr wahres Wesen in seinen Augen, in seinen Händen, und er konnte die einen und die andern, so schien es, nicht mehr von sich lassen.

Als sie sich jezt wendete und nach einer Handtasche langte, die an einem Riemen hing, folgte er jeder ihrer Bewegungen und er legte jezt selbst den Riemen ihr über Schulter und Brust, mit aller Sorgfalt darauf achtend, daß er sie nicht drücke.

Sie duldete es ein wenig verschämt, in feuscher Haltung. Soll ich den Plaid über den Arm werfen?" fragte sie dann.

"

Bewahre, dergleichen hindert, das können wir nicht brauchen." Wenn es aber des Nachts kühl wird?"

Kühl, in meinen Armen?"

,, Und wenn es regnet?" entgegnete sie in schelmischer Op­

position.

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Seite des Sees kommend, eine Anzahl Kähne. Sie hatten sich dicht am Ufer gehalten, die Einbuchtung verbarg sie noch, aber der mehrfache Schlag ihrer Ruder wurde vernehmbar. Elsa hörte es nicht. Ganz Eilfertigkeit, ganz Freude, war sie in das Gemach zurückgetreten und rief nun Arnold zu, sich zu beeilen.

Komm," rief sie, komm, laß uns keinen Augenblick mehr zögern, wir fahren gleich hinüber." Sie nahm ihn bei der Hand, sie riß ihn mit sich fort. Sie eilten über die Stiege und traten aus der Tür des Hauses. Sich an den Händen haltend, liefen sie über den Wiesengrund dem Ufer entgegen.

Ein wirres und wildes Durcheinanderrufen mehrerer Männer­stimmen traf ihr Ohr. Ueberrascht blieben sie stehen, fast ver­steinert, aber da sahen sie auch schon die Kähne heranschießen, mit den darauf befindlichen Leuten, die jezt auch ihrerseits die beiden erblickt hatten. Sie brachen in ein lautes tobendes Halloh aus, in einen Ruf, so wild und bestialisch gleich dem, mit dem man den Fuchs aufstört, dem man nachsezt und der nun umstellt ist, und gleichsam herausgefordert wird zum Wider­stand, um so die Lust seiner Verfolger zu erhöhen und ihre gemeine Feigheit zu maskiren.

Und all die Männer schrieen in lauten und zornig rauhen Tönen durcheinander, kamen auch mit einander in Streit, weil sie alle gleichzeitig anlegen wollten, weil jeder der erste sein wollte, ans Land zu kommen.

"

"

, Geh ins Haus zurück, Elsa," gebot Arnold, sein Weib mit zärtlicher Gewalt von sich drängend, schließ dich dort ein; ich will erfahren, was diese Leute wollen, aber du hinderst mich in der Bewegung."

Sie aber warf sich an seinen Hals.

Laß mich bei dir," flüsterte sie in bebender Bitte. Mehrere Bauern und Arbeiter mit roten erhizten Gesichtern, mit Stöcken bewaffnet, waren aus den Boten gesprungen, in drohender Hal­tung stürzten sie herbei, aber da sprang mit einem Saz ihnen allen voran Pater Cölestin .

Seine Augen starrten wild, sein Gesicht war wie im Wahn­sinn verzerrt.

Er hatte das Schreckliche mit angesehen; das Weib, das er mit der glühendsten Sinnlichkeit liebte, in den Armen eines andern Mannes getroffen, die mit Gattenzärtlichkeit schüzend sich um ihren Leib legten. Alle Dual, die ein Menschenherz grim mig anfällt, alle Martern der Seele brachte ihm dieser Anblick. Er bedeutete Vernichtung für sich selbst, Vernichtung auch für diese anderen.

Ein Schrei entringt sich seiner Brust, als wäre sein Herz geborsten, dann wühlen die bleichen zitternden Hände die Waffe hervor, die er dort geborgen hat.

Die Männer kommen an ihm vorbei, in tobendem Ungestüm, die Stöcke geschwungen stellen sie sich dem Einzelnen entgegen, der in Notwehr sich befindend, den Lauf einer Pistole ihnen entgegen hält.

Aber Cölestin stößt die Andrängenden zurück, und wieder ist er der erste, und Aug in Aug steht er jezt dem Gehaßten

Dann will ich dich schon hüllen; du mußt die Arme frei gegenüber, und ihr..

behalten."

"

Warum?"

Weißt du es nicht?"

Aber sie wußte es, und sie flog ihm an den Hals und um­schlang ihn mit beiden Armen.

In die selige Stille, die nun folgte, drang von außen das Geräusch von Ruderschlägen. Beide fuhren in die Höhe.

Sie sind's, sie kommen!" Es war ein Ruf der Freude, der Befriedigung, und Elsa, voll rascher Lebendigkeit, sprang gegen den Balkon hinaus, um nachzusehen.

In der Tat, ein Boot kam von Amsee herüber; es war

dem Ufer schon ziemlich nahe. Sie erkannte Gerta und Eva

und den kleinen Sepp, der das Ruder führte.

"

Willkommen, willkommen!" rief sie laut, und jubelnd winkte

-

..

Daein donnerndes Rollen, ein Druck und Fall, eine Erschütterung, die sich momentan ihren Nerven mitteilt, mit elektrischem Stoß sie durchfährt und ihre Körper wirft. Ein dumpfes Getöse poltert nach, Grauen erweckend, unbegreiflich.

Ein Schrei entringt sich all diesen Kehlen, dann stehen sie, die leichenfahlen Gesichter dem See entgegengewendet, wie ein gewurzelt, regungslos und jede Brust ermangelte des Atems. Hier war ein Schreckliches geschehen, ein Etwas, das mit ihrer Erfahrung nicht zusammenstimmt, das Echo war ver tlungen, man hörte nichts mehr. Aber eine schwarzgraue

Staub

wolfe schwebte einem dichten Schleier gleich über den See

von zerriebenem Gestein.

Der Berg

-

wie

der Berg" kam es jezt tonlos, in ge sie ihnen zu, mit beiden Armen. Auch die im Boot befind- quetschten unartikulirten Bauten von den zitternden Lippen ber

lichen grüßten gegen sie herauf.

In demselben Augenblick näherten sich, von der anderen

Männer. Ihre Augen starren nach dem jenseitigen Ufer, ihre Arme breiten sich aus, als wollten ihre Sinne den Raum über