brückend, hinüber reichen, um zu schauen, zu fühlen und helfend einzugreifen.

" Das trifft die Lahn ," hatte Arnold gerufen.

" Die Lahn , die Lahn !" tönte es ihm nach und, als hätte das Wort ihre Glieder gelöst, liefen die Männer einander stoßend und drängend, regellos in wirrem Durcheinander dem Ufer zu.

Das ist beim Schieferbruch," stammelte Cölestin , dem die Pistole entsunken war, und der, wie aus einer Betäubung er­wachend, nun gleichfalls den Kähnen entgegenstürzte.

Gott erbarme sich ihrer!" betete laut der Pfarrer und Pater Franziskus, die beide noch in den Kähnen geblieben waren und nun flehend die Hände zum Himmel hoben.

In dem Augenblick landete der Kahn, der von Amsee her über gekommen war.

Der Wind, der sich erhoben, hatte ihn daher getrieben, und Sepp hatte endlich die Kraft gefunden, ihn gegen die Landungs­stelle zu lenken.

Die Weiber saßen stumm und händeringend darin, jezt er­hoben sie sich wankend und leichenblaß bis in die Lippen.

Alles streckte ihnen die Hände entgegen, auch Arnold, sein Weib am Arme, kam herzu, um Gerta in Empfang zu nehmen. Helft, rettet!" rief Eva, die zuerst die Sprache wieder­gefunden, der Berg habt ihrs gesehen abgestürzt- gegen die Lahn mein Vater!" eine große, große Masse

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Sie fiel halb ohnmächtig Elsa in die Arme. Gegen die Lahn verschüttet, verschüttet die Armen -mein Gott, mein Gott!" So schrieen und jammerten in So schrieen und jammerten in verzweiflungsvollen Tönen und händeringend alle durcheinander.

Wir müssen hinüber! rief Cölestin jezt mit Mannesstimme. Sofort," bestätigte Arnold, eben so kräftig, und was Menschen vermögen, das soll geschehen."

Das soll geschehen, ja, ja, wir bringen ihnen Hilfe," riefen alle gleichzeitig, und die Männer sprangen in die Kähne, und voll Hast, in peinigend bebendem Mitgefühl suchten ihre zitternden Hände sic loszumachen, während andere die Ruder­stangen erfaßten.

Keiner von ihnen, kein einziger gedachte mehr der Veran­lassung, die sie hierhergeführt, und Elsa und Arnold erinnerten sich nicht mehr der Gefahr, in der sie soeben noch geschwebt hatten. Hinweggetilgt war jeder persönliche Groll und jede Empfindung von Gehässigkeit vor diesem großen Unglück, das ihre Mitmenschen getroffen, vor diesem allgemeinen Leid, das ihr Mitgefühl bis auf den Grund des Herzens erregte.

Ein Sinn und ein Gedanke beherrschte sie, ein Gefühl erregte ihre Nerven und zwang sie zu gemeinsamem Handeln. Hier offenbarte sich wieder der Urinstinkt der Menschheit, das natürliche Gesez, das als Bewußtsein der Gattung auftritt. Und dieses große soziale Gefühl der Zusammengehörigkeit aller, der Solidarität, trat auch hier, diesem allgemeinen Schmerz gegenüber, in sein erhaltendes, erhebendes und ewiges Recht.

Nur schnell, schnell; vorwärts, vorwärts!" erscholl es in ungeduldigstem Drängen rundum, in fiebernder Eilfertigkeit.

Arnold hatte sein Weib an sich gedrückt, es geküßt und war dann mit den anderen gegangen. Es galt kein Besinnen, kein Bedenken.

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Man hatte sich in den Kähnen verteilt; Arnold und Cölestin waren in dasselbe Fahrzeug gesprungen, und die Hände des jungen Priesters, die soeben noch in mörderischer Absicht sich gegen den erhoben, der ihm sein Glück für immer geraubt, be gegneten jezt den seinen beim Abstoßen des Kahns, ohne zurück­zuschaudern.

Die Frauen standen am Ufer.

" Nimm mich mit, Arnold," flehte Elsa mit gefalteten Händen. Auch Eva bat sie mitzunehmen.

Man antwortete ihnen nicht, die Männer arbeiteten mit aller Kraft um vorwärts zu kommen und von den starken Armen getrieben schwammen die Boote in den See hinaus, dem Drte entgegen, dem sie Hilfe bringen wollten.

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Die alte Gerta hatte Eva, die in lautes Weinen ausbrach, beschwichtigend an sich gezogen und führte sie ins Haus, Sepp, der die Taschen und einen Handkoffer aufgeladen, folgte ihnen dahin.

Elsa blieb unbeweglich am Ufer und sah den Booten nach, die immer kleiner erschienen und dem bedrohten Orte immer näher kamen. Ihr Herz war schwer zum Zerspringen, ihre Lippen zuckten und große heiße Tränen liefen die blassen Wangen hinab.

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Warum hatte er sie nicht mitgenommen, wie hatte er sie nur von sich weisen können! Erscheint denn die Frau auch dem Manne, der sie liebt, als eine Ueberflüssige, wo es gilt mutig zu sein und tatbereit? Haben wir nicht auch Arme, zu helfen, zu retten und anderen beizustehen? Ist nicht in unserem Herzen ein Born von Liebe? Ihr dünkt, als erstünden ihr Riesenkräfte, als könne sie alles tun und wagen, sobald sie nur wieder an seiner Seite stünde, als gäbe es da für sie nicht Tod und Ver­derben. Aber hier in Untätigkeit und Dual verharren, in der furchtbaren, verzehrenden Angst um den Geliebten-! D, wenn sie es doch wüßten, die Männer, zu was sie uns ver­dammen in ihrer zärtlichen Sorge um uns es ist schlimmer als Tod, denn es ist verlängerte, sich fortspinnende Todesqual! Die Boote waren gelandet sie sieht sie nicht mehr. Ihr Geliebter war dort, wo ihm in jedem Augenblick Verderben drohte drohte sie konnte nicht hier bleiben, es war unmöglich. Sie fonnte nicht leben ohne ihn, sie wollte es nicht. Aber sie hatten alle Fahrzeuge mitgenommen, auch das von Eva. Da erinnerte sie sich des Bootes, das sie vor vier Tagen hierher gebracht, es mußte sich noch in der Schiffshütte befinden.

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Sie eilte dahin, sie fand es und machte es los. Sich keinen Augenblick besinnend, brachte sie es heraus, trieb es vorwärts, und mit kräftigen Ruderschlägen den See schräg durchschiffend, nahm sie die Richtung der Lahn entgegen.

Das Landen wurde ihr nicht leicht.

Der gewöhnliche Landungsplaz war überfüllt mit Kähnen, sie mußte versuchen seitwärts anzulegen. Hier aber schoß der Waldbach mit rasender Gewalt zwischen den engen Dämmen in den See hinaus. Durch die lezten Regengüsse hoch ange­schwollen, kam sein Niveau fast dem des Dammes gleich, und in seinem tosend jähen Fall führte er Steine mit sich, die er vor sich her schleuderte und weit hinaus in den See.

Der Wirbel, der hierdurch im Wasser erzeugt ward, drehte ihr das Schiff immer wieder herum. Ihrer Kaltblütigkeit und Geschicklichkeit gelang es endlich doch, dasselbe hinüber zu bringen, und sie landete links vom Waldbach.

Sie lief den Strand hinauf und sah sich um. Nichts Un­gewöhnliches zeigte sich hier ihrem Blick.

Hübsch und friedlich, wie immer, lag die kleine Ortschaft, eingebettet zwischen den hohen Wänden des Salz- und Platten­berges, der erstere von dem hohen Blassen noch überragt. Aber Elsas Augen wandten sich zagend dem Plattenberg zu, der ihr zur Linken sich erhob, und forschend suchte sie hier die Ab­bruchsstelle. Sie war im Schatten und nichts davon zu meiken. Der Berg zeigte die gewöhnliche Form, und er sah so fest und unzerstörbar aus in seiner kompakten Masse und Gewaltigkeit.

Die Sonne war hinter dem Salzberg längst hinabgesunken, aber jezt leuchtete die Kuppe des Plattenberges und die ganze Kette der sich daran schließenden Bergesgipfel plözlich auf in einem zarten Rot. Und immer höher und intensiver wurde das Glühen; ein überaus schöner und erhebender Anblick, ganz ge­eignet, Frieden und Beruhigung zu bringen in ein verstörtes Gemüt.

Elsa atmete auf.

Es konnte doch nur ein kleines Stück des Berges sich ab­abgelöst haben, das Abrutschungsgebiet war begrenzt, und wenn auch einige Hütten zerstört worden, Menschenleben waren viels leicht nicht zu beklagen.

Sie lief weiter ins Tal hinein.

Aber da tamen ihr auch schon Weiber und Kinder entgegen; sie rannten hierhin und dorthin, planlos und ohne Besinnung