welches noch viel feinere Verschiedenheiten in der äußeren Körperform wahrzunehmen imstande ist.
Wir können uns vielmehr zum Zwecke unserer Betrachtung damit begnügen, festzustellen, daß einerseits unterscheidende Racenmerkmale auch unter nahe verwandten Stämmen vorhanden sind, daß andererseits aber in jedem dieser Kreise außerordentliche Verschiedenheiten in der Bildung des Körpers im ganzen oder in seinen einzelnen Teilen vorhanden sind.
Welchen Umfang diese lezteren gewinnen können, möge ein Beispiel erläutern. Der kopenhagener Anatom Schmidt, welcher in außerordentlich umfassender Weise die Schädel der Bewohner der dänischen Inseln und Jütlands untersuchen konnte, dem namentlich auch diejenigen alter Familien aus verschiedenen Jahr hunderten mit einander zu vergleichen möglich war, fand in diesem gewaltigen, lange Zeiträume repräsentirenden Material eines einzigen Volksstammes Vertreter aller möglichen, sonst nur in den entferntesten Weltteilen vorhandenen Racenschädel und konnte neben echte Neger-, Mongolen und Indianerschädel andere, zum Verwechseln ähnliche stellen, welche auf dem Boden seiner Heimat gewachsen waren.
Das gleiche Resultat ergab sich auch bei Berücksichtigung derjenigen Karaktere, welche allgemein als die Kennzeichen niederer Racen betrachtet werden. So bildet der Schädel eines dänischen Edelmannes, welcher wegen seiner Schönheit sogar in Volksliede verherrlicht war, ein treues Ebenbild des Neander talschädels, jenes Gefährten vorweltlicher Tiere, welcher von den Antropologen bald als der Typus einer niederen Entwick lungsstufe des Menschengeschlechts, bald als patologisch gedeutet
wurde.
Die große Verschiedenheit der Körperformen unserer modernen, zivilisirten Nationen fordert unwillkürlich zu Erklärungsversuchen heraus, welche aus nahe liegenden geschichtlichen Gründen mit Vorliebe in der Vermischung der durch den gesteigerten Verkehr in vielfachste Berührung tretenden Racen gesucht wurde. Man könnte sich in der Tat vorstellen, daß schließlich infolge dieses Verhältnisses eine völlige Ausgleichung ursprünglicher Racenmerkmale und die Bildung einer einheitlichen Körperform stattfinden müßte, wenn es nicht Racen gäbe, welche troz Jahrhunderte langer Zerstreuung unter fremden Völkern und vielfacher Vermischung mit denselben, dennoch ihre ursprünglichen Raceneigenschaften treu bewahren.
Wir erkennen demnach ein erstaunliches Vermögen, die äußeren Körperformen, sowie auch geistige Eigenschaften äußeren Einflüssen gegenüber zu bewahren, andererseits aber eine hohe Variabilität der Körperform innerhalb derselben Race. Während die erste Tatsache für eine ursprüngliche Verschiedenheit in der Racenbildung verwertet werden könnte, nötigte die zweite zur Vorsicht in dieser Beziehung und legt die Möglichkeit nahe, daß auch die größten Differenzen in der Köperbildung durch die Einwirkungen der Außenwelt entstanden seien; die lezteren müssen nur entweder in ungewöhnlicher Intensität oder längere Zeiträume hindurch in Wirksamkeit getreten sein.
Gelingt es nun, nachzuweisen, daß solche Einflüsse, wenn auch nur in eng begrenzten Kreisen, deutliche und bleibende Umgestaltungen der Bewohner unseres Erdballs herbeigeführt haben, so ist hiermit auch die Entstehung der natürlichen Racen durch äußere Einwirkungen wahrscheinlich gemacht. Betrachten wir nun die Tatsachen, welche hierfür sprechen.
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Unter den äußeren Einwirkungen, welche eine Umgestaltung der Bewohner irgend eines Landes herbeiführen, könnten zu nächst die allgemeinen physikalischen Eigenschaften der lezteren, die Temperatur, der Feuchtigkeitsgehalt der Luft, Windrichtungen, Verteilung von Wasser und Erde, sowie die Vegetation und die Nahrungsmittel, welche Tier- und Pflanzenreich darbietet, verstanden werden. Allein es ist keine Wahrscheinlichkeit vorhanden, einen Einfluß dieser Faktoren nachzuweisen, denn wir sehen, daß die Racenkaraktere nach der Berstreuung ihrer Besizer über die Erde keine wesentlichen Aenderungen erfahren haben, außer durch Vermischung mit anderen Racen, wie das Beispiel der nach Amerika verpflanzten Neger zeigt. Höchstens scheint große Kälte, wie bei den Eskimos, eine Verringerung des Längenwachstums des Körpers herbeizuführen, indem die typischen Karaktere der Körper- und Gesichtsbildung die Abstammung derselben von den Rothäuten Nordamerikas noch erkennen lassen. Ja, es ist sogar zweifelhaft, ob der geringere Längenwuchs wirklich von der niederen Temperatur abhängt, da die die Südspize Amerikas bewohnenden Patagonier, welche derselben Race angehören, sich gerade durch die entgengesezte Eigenschaft, eine Zunahme der Körpergröße, auszeichnen.
Obwohl nun der umgestaltende Einfluß klimatischer Verhältnisse keineswegs in Abrede gestellt werden soll, sonderen weiteren Untersuchungen der Antropologen empfohlen werden muß, so ergeben doch die wenigen angeführten Beispiele, daß die eigentlichen racebildenden Kräfte anderswo gesucht werden müssen.
Stellen wir dagegen, um unserer Aufgabe näher zu treten, die Frage, unter welchen Umständen die auffallendsten Abwei chungen von dem einmal feststehenden Typus einer Bevölkerung angetroffen werden, so werden wir mit Notwendigkeit auf patologische Zustände geführt. Je höher dieselben entwickelt sind, um so mehr wird der Racentypus verwischt und treten an dessen Stelle eigentümliche Züge hervor, welche in allen Ländern und bei allen Racen die gleichen sind. Bewohner der verschiedenen Zonen und Weltteile, Abkömmlinge verschiedenartigster Racen können hierdurch ein so gleichartiges Ausschen erlangen, als wären sie Geschwister oder ein und derselben eigentümlichen Race entsprungen.
Während die höheren Grade solcher Störungen das Gepräge patologischer Zustände offenbar an sich tragen, indem die Funk tion zahlreicher und wichtiger Organe tiefe Veränderungen erleidet, zu denjenigen der Körperform nicht selten solche auch der geistigen Funktionen sich gesellen, finden sich neben diesen patologischen Typen so zahlreiche und allmäliche Abstufungen der patologischen Karaktere, daß in manchen Gegenden der allge meine Typus der Bewohner ein abweichendes Gepräge von dem jenigen ihrer Nachbarn und Stammesgenossen erfährt.
Ist dieses aber der Fall, wie wir es noch an einzelnen Beispielen erweisen werden, so ist hiermit die Möglichkeit einer Racenbildung durch patologische Prozesse gegeben. Ob eine solche in einem dieser Fälle stattfindet, ob die durch patologische Einwirkungen hervorgerufenen Karaktere durch Vererbung sich fortpflanzen und stationär werden können, dies kann freilich nur die Beobachtung von Jahrhunderten ergeben.
Dennoch aber brauchen wir auf die Klärung dieser Frage auch auch in der Gegenwart nicht gänzlich zu verzichten, wenn aud) die endgiltige Lösung derselben der Zukunft vorbehalten werden muß. ( Schluß folgt.)
Ein deutsches Städtebild.
Von W. Blos.
Der kleine Fluß Tauber , der bei Wertheim in den Main fällt, durchströmt ein herrliches Tal, reich gesegnet mit Korn und Wein. An den Ufern des Flusses liegt eine Anzahl alter Städte, teilweise weithin berühmt in der Vergangenheit, heute still und klein, überholt von der rasch rollenden Entwicklung der
größeren modernen Pläze. Wir betreten hier historischen Boden; das stille und freundliche Tal, nur da und dort von dem Pfiff des Dampfroffes durchtönt, war einst der Schauplaz furchtbarer und blutiger Kämpfe. Auf diesem engen Raum spielte sich manches gewaltige historische Drama ab und der Taubergrund