mit seinen fetsigen Schluchten und waldigen Klingen" hallte wider vom Kriegsruf und vom Donner der Schlacht. Mehr als einmal färbten sich das Gras der Wiese wie die Wellen der Tauber rot vom Blute der Erschlagenen. Die Städte mit ihren mächtigen Türmen, ihren alten Wällen und Mauern schauen uns trozig an und zwingen uns, ihrer früheren Größe und Bedeutung zu gedenken.

Unter den Städten des Taubergrundes fesselt heutzutage keine die Aufmerksamkeit in so hohem Grade als Rotenburg ob der Tauber*), die ehemalige freie Reichsstadt mit ihrer bewegten Vergangenheit.

Rotenburg hat heute etwa 6000 Einwohner und wird auch niemals mehr innerhalb seiner Mauern gezählt haben. Ihr Gebiet betrug einst, als sie freie Reichsstadt war, 612 Duadrats meilen. Es ist geradezu erstaunlich, welche Summe von Kämpfen, politischen Umgestaltungen und Katastrophen sich in dieser kleinen Stadt abgespielt hat. Auf diesem engen Raume vollzogen sich Ereignisse von weittragender historischer Bedeutung, und der Ruhm dieser Stadt, die heute in eine ganz bescheidene Rolle zurückgetreten ist, erklang durch alle deutschen Gauen.

Da wo die obere Tauber, im Sommer nur ein halb ver­siegter Bach, sich durch ein tiefes, mit allerlei einschneidenden Seitentälern und Schluchten versehenes Tal dahinschlängelt, steigt an einer großen Krümmung des Flüßchens ein steiles Plateau empor, einer mächtigen Bastion an Gestalt gleichend. Auf diesem Plateau erhebt sich die Stadt Rotenburg , von ihrer Lage Rotenburg ob der Tauber genannt. Sie bietet für den, der sie noch nicht gesehen, einen überraschenden Anblick, denn sie ist noch ganz in ihre unversehrte mittelalterliche Rüstung gehüllt, ihre alten Festungswerke sind noch vollständig erhalten. Rotenburg ist die einzige deutsche Stadt, die sich dessen rühmen kann und bietet dem Sohn des neunzehnten Jahrhunderts so das interessante und vollständige Bild ciner Stadt, wie sie im Mittelalter aussah, wo die kräftigen Väter lebten, litten und ſtritten.

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Die Stadt liegt langgestreckt, so daß sie einst zu ihrer Ver­teidigung eine starke Besazung erfordert haben muß. Von der Tauberseite aus mag ein Angriff früher kaum möglich gewesen sein; dagegen liegt die Ostseite schon offener da. Dort sind aber auch die Befestigungen am stärksten. Eine hohe und starke Mauer zieht sich um die Stadt, mit Schießscharten und auf der Ostseite mit einem bedeckten Gang für die Verteidiger ver­sehen; auf der Ost- und Nordscite liegt vor der Mauer der tiefe Graben, der heute trocken gelegt ist, und der hohe Wall, der früher die Belagerer verhinderte, in die Mauer Bresche zu legen. Eine Menge von Türmen und Toren ist in die Mauer eingefügt, alle noch ganz unversehrt erhalten, so daß man ein vollständiges mittelalterliches Festungswesen vor sich sieht. Die Stadt, die heute ziemlich industriell ist und deshalb auch eine eigene Sekundärbahn erhalten hat, trägt auch in ihrem innern Teil noch ein vorwiegend mittelalterliches Gepräge. Wir sehen daselbst eine große Anzahl Häuser, die durch Inschriften be­funden, daß sie 200, 300, 400 und 500 Jahre alt sind, und lesen auch, welche berühmten und hervorragenden Persönlich keiten daselbst schon gewohnt haben. Namentlich die Absteige­quartiere deutscher Kaiser und Könige sind mit Gedenktafeln versehen.

Die Stadt hat eine Anzahl Kirchen, darunter eine große gotische Hauptkirche. Auf dem geräumigen Marktplaz erhebt sich das Rathaus, ein prachtvoller Bau mit bewunderungs­würdigen Ornamenten und Arabesken und mit einer Säulen­halle über der Haupttreppe. In diesem Hause und vor dem selben spielten sich die bewegtesten Auftritte in der Vergangenheit Rotenburgs ab; hier regierten die Patrizier, als Rotenburg . das einst den Hohenstaufen gehört hatte, von Friedrich I. Bar­

*) Heute schreibt man fälschlich auch amtlich Rothenburg . Der Name wird in den Urkunden verschieden aufgeführt; man liest: Roten burge, Rodenburch, Rotenbure und Rotinburch. Ein th findet sich nirgends vor und ist durch die neue Schulweisheit erst eingebürgert worden.

barossa um 1172 zur freien Reichsstadt gemacht und den Burggrafen von Nürnberg zugeordnet worden war, von denen sich indessen die Stadt 1352 losmachte. Das Rathaus enthält einen schön dekorirten Ratssaal und eine Menge von Gemächern, sowie ein mächtiges Archiv. Unter dem Rathause befinden sich barbarisch eingerichtete Gefängnisse und Folterkammern, die unter dem tyrannischen Patrizierregiment nicht fehlen durften; in einem dieser Verließe tam 1408 der berühmte Rotenburger Bürgermeister Toppler durch Hunger oder Selbstmord um. Das Haus Topplers, zum Greifen genannt, steht noch in der Schmiedegasse und heißt heute noch zum Greifen; es befindet sich eine Wirtschaft darin.

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Der harte Druck des Patrizierregiments warf die bürger­liche Demokratie in Rotenburg nieder, aber das Gemeinwesen geriet dadurch auch in Verfall. Als 1802 die Stadt der bayrischen Monarchie einverleibt wurde, kannten die Roten­ burger kaum ihre Vergangenheit mehr. Auf dem Archiv des Rathauses lagen die kostbarsten Akten und Dokumente wie wertlose Hadern durcheinander; die glänzenden und reichen Forschungen des Rotenburgischen Geschichtschreibers Bensen*) ( gest. 1863) fonnten weder das allgemeine Interesse der Roten­ burger auf ihre Vergangenheit lenken, noch die städtische Ver­waltung dazu bewegen, das kostbare Archiv ordnen zu lassen. Dem Schreiber dieser Abhandlung wurde in Rotenburg von einem, der's wissen fann", folgendes erzählt: Es ist noch nicht allzulange her, daß ein geschichtskundiger Rotenburger in einen Wurstladen kam, um sich eine Wurst zu Gemüte zu führen. Sie wurde ihm in ein merkwürdig aussehendes altes Papier eingeschlagen und er fand zu seinem nicht geringen Erstaunen, daß dies Papier ein Stück von dem Fehdebrief war, den einst Götz von Berlichingen an die Stadt Rotenburg gerichtet hatte. Der Geschichtskundige cilte zu dem Wurstladen zurück, dessen Besitzer ihm sagte, daß er noch einige Körbe voll solch alten Krempels" habe, den er auf dem Rathause als Makulatur zum Wursteinwickeln gekauft habe. Von da ab wurde kein Makulatur mehr aus dem Rathause abgegeben, allein das Archiv ist heute noch ungeordnet, seine Schäze noch ungehoben. Es würde uns 7-8000 Mart tosten", sagte dem Verfasser sein Gewährsmann, und das können wir in dieser schlechten Zeit nicht ausgeben."

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Und doch hat der Stadt Rotenburg ihre Vergangenheit zu neuem Ruhm, zu neuem Verkehr und zu neuem Reichtum ver­holfen. Ein Rotenburger Glasermeister dichtete ein Festspiel, die bekannte Tilly- Affäre betreffend, und es gelang diesem ein­fachen Manne, was dem Gelehrten Bensen nicht gelungen war, den historischen Sinn bei seinen Mitbürgern wieder zu er wecken.

Die Tilly- Affäre, welche historisch nicht ganz erwiesen ist, für die aber auch zu viele tatsächliche Anhaltspunkte vorhanden sind, als daß sie ins Gebiet der Sage verwiesen werden könnte, spielte sich auf dem Rathause ab. Tilly hatte im Jahr 1631**) Rotenburg nach tapferster Verteidigung, bei der Weiber und Kinder mithalfen, mit Sturm genommen. Der große Verlust, den er bei dem Sturm erlitt, hatte seine ganze Wut entflammt. Die Stadt sollte wie Magdeburg behandelt werden. Als Tilly nach dem Rathause der eroberten Stadt zog, warfen sich die schwangeren Frauen und die Kinder vor ihm nieder und flehten um Gnade. Er soll doppelsinnig geantwortet haben: Lasset die Hunde leben!" Der versammelte Rat wurde zum Tode bestimmt und der Bürgermeister Bezold mußte inmitten einer Wache den Scharfrichter holen. Der Scharfrichter aber weigerte sich, die Räte zu enthaupten; unterdessen brachte man Tilly

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*) Siehe Bensens treffliche Quellenwerke: Historische Forschungen über die ehemalige Reichsstadt Rotenburg "( 1883); Geschichte des Bauernkriegs in Ostfranken"( 1841); Altertümer und Inschriften der Stadt Rotenburg "( 1841); Beschreibung und Geschichte von Roten­ burg "( 1856). Auch Merz hat in seinem Werke: Rotenburg in alter und neuer Zeit"( 1873) viel Interessantes gesammelt.

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**) Der sonst so gewissenhafte Bensen läßt Tilly am 29. Sept. 1632 vor Rotenburg erscheinen.( Historische Untersuchungen 2c. Seite 340.) Tatsächlich ist Tilly am 30. April 1632 gestorben.