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noch vorhandenen großen Kaiserpofal mit gutem Wein dar. Der alte Wüterich ward milder gestimmt und ver sprach in seiner Tigerlaune Schonung, wenn einer aus dem Rat den mächtigen Humpen auf einmal leeren könne. Das ge­lang dem Altbürgermeister Nusch und die Stadt kam mit einer Brandschazung davon.

So die Ueberlieferung, an die sich das erwähnte Festspiel genau anschließt. Die Aufführung des Festspiels findet im Nat­haussaal, also am selben Ort statt, wo die erschreckliche Ge­schichte" selber passirt ist und tausende strömen von allen Seiten nach Rotenburg  , um das merkwürdige Schauspiel mit anzusehen, dessen Darstellung einen mächtigen Eindruck macht*).

Neben dem Rathause in einem mit einem Türmchen ver sehenen Gebäude befand sich die Trinkstube, wo sich die Pa­trizier zu versammeln pflegten und wo auch die politischen Komplotte ausgcheckt wurden. Es ging wüst und roh zu; die Gelage waren oft von Schlägereien begleitet, und man weiß zwei Fälle, in denen Patriziersöhne dort erschlagen wurden, darunter der Sohn des bekannten Stefan von Menzingen, von dem weiter unten die Rede sein wird.

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Auf dem großen Marktplaze, wo heute friedlich die Bauern­weiber der Umgegend Gemüse und Eier feilbieten, spielten sich die dramatischen Szenen des großen Bauernkrieges resp. der Reformationszeit ab. Damals hielt sich der bekannte Refor­mator Karlstadt   in Rotenburg   versteckt und der Rat konnte ihn nicht ausfindig machen. Mit dem Ausbruch des Revolu­tionssturmes im Frühling 1525 trat Karlstadt  ( eigentlich An­ dreas Bodenstein   aus Karlstadt  ) öffentlich auf und hatte viele Anhänger; die von ihm gepredigte Bilderstürmerei ging bald vom Wort zur Tat über. Man zeigt noch das Fenster, durch das Karlstadt   nach dem Ende des Bauernkriegs mit Hülfe eines Fräuleins von Badell flüchtete. Darauf ward mancher Spott­vers gemacht. Bald erhob sich in der Stadt jene evangelische" Partei der Städte, die mit den aufständischen Bauern gemein­same Sache machte resp. die Bauern erst in den Kampf trieb. An der Spize der städtischen Demokratie in Rotenburg   stand jener Stefan von Menzingen, ein staatsmännischer Kopf aber zweideutiger Karakter, aus einem alten Patriziergeschlecht, der einst dem Herzog Ulrich von Württemberg   gedient hatte und jezt zugleich den Evangelischen" und dem Markgrafen Kasimir von Ansbach   dienen wollte. Wahrscheinlich wollte er Rotenburg   in den Besiz des Markgrafen bringen. Für die evangelische Sache wirften noch Dr. Deuschlin, der Pfarrer an der Hauptkirche, ein äußerst radikaler Mann von großer Beredsamkeit, Hans Schmidt, der blinde Mönch, der Alt­bürgermeister Ehrenfried Kumpf, der Schulrektor Bessenmayer und andere. Auf dem Markte fanden die großen Gemeinde­versammlungen statt, wo Menzingen   seine aufregenden Reden hielt und einen Ausschuß wählen ließ, der den alten Rat völlig lahm legte. Der Ausschuß handelte ganz im Einverständnis mit den aufständischen Bauern. Zugleich erhob sich draußen im Gebiet der Reichsstadt die ganze Landwehr. Rotenburg  hatte nämlich sein Landgebiet, um es vor plözlichen Einfällen sehdelustiger Raubritter zu schüzen, mit einer lebendigen Hecke umgeben und die Wegübergänge durch Türme gedeckt, auf welchen sich Söldner mit Hackenbüchsen befanden. Dies nannte man die Landwehr und Rotenburg   war wegen dieser Schuzmaßregel vom Burggrafen von Nürnberg   vergeblich belagert, 1408 sogar in die Reichsacht erklärt worden. Die Bauern der Landwehr waren

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alle friegsgeübte Leute, denn sie hatten in langen Fehden viele Burgen gebrochen; sie bildeten das eigentliche Kriegsheer der freien Reichsstadt Rotenburg  . Bewaffnet waren sie mit Tartsche, Sturmhaube, Seitengewehr und dem langen Spieß oder dem Faustrohr; sie verstanden fürtrefflich einen Sturm anzulaufen oder dem Anprall eines reisigen Geschwaders zu widerstehen. Unter den ledernen Kollern dieser Bauern schlugen eiserne Herzen.

*) In diesem Jahr wird für den deutschen Juristentag in Roten­ burg   eine eigene Aufführung des Festspiels veranstaltet. Die Stadt steht sich nicht schlecht dabei.

Als der Bauernfrieg in Franken ausbrach, zogen die Männer der Rotenburger Landwehr das Taubertal hinab und an den Neckar   zum großen evangelischen Haufen; sie wählten den glänzendsten Helden des Bauernkriegs, Florian Geyer   von Geyersberg, zu ihrem Führer. Dieser bildete aus der roten­burger Landwehr seine berühmte schwarze Schaar, die tapferste Truppe aller Bauernheere, die militärisch disziplinirt war und nicht aus Kistensegern und Seckelleerern", sondern aus lauter erprobten Kriegern bestand. Die Schwarzen, die sich von Aus­schreitungen fern hielten, verachteten jene undisziplinirten Massen, die sehr gut Klöster plündern und den Pfaffen den Wein aus­trinken konnten, aber oft beim ersten Kanonenschuß davon liefen. Die schwarze Schaar hielt in der blutigen Schlacht von Ingol­statt( 4. Juni 1525) der ungeheuren Uebermacht des Truch­sessen von Waldburg, des Bauernjörg  ", Stand, nachdem das ganze übrige Bauernheer mutlos die Flucht ergriffen hatte. Die Schwarzen wurden, nachdem sie wie die Spartaner bei den Thermopylen gekämpft, in den Ruinen des Schlößchens von Ingolstatt fast vollständig aufgerieben.

Am 15. Mai 1525 war Florian Geyer  , ebenso geschickt als Redner wie als militärischer Führer, in Rotenburg   erschienen, um die Stadt in den Bund der Bauern zu bringen. Mit ihm erschienen der Schulteiß von Ochsenfurt  , Hans Pezold, und der große Lienhart" von Schwarzenbronn  , lezterer ein Hauptmann der rotenburger Landwehr. Auf dem Markte versammelte sich die Gemeine und Herr Florian sprach, wie ein Geschichts­schreiber sagt, würdig seines ernsten und strengen Sinnes," zu der Menge. Die Ratsherren sprachen dagegen, denn was er forderte, die Abschaffung der Gülten und Frohnden, wollte ihnen nicht in den Sinn. Aber sie gaben nach, nachdem auch der Schulteiß von Ochsenfurt   dafür gesprochen, und Rotenburg  trat in den Bund, gab auch zwei treffliche Geschütze zur Be­lagerung des Frauenbergs her, die Hans Boßler, der Büchsen­meister, der gar wohl anklopfen" konnte, nach Würzburg   ge leitete nebst 600 wohlgerüsteten Bauern aus der Landschaft. Auch zwei rotenburger Ratsherren, Ehrenfried Kumpf und der junge Jörg Spelt, zogen mit, und der leztere freute sich kind lich, die großen Quadersteine aus den Mauern des festen würz burger Schlosses schießen zu können.

Er freute sich nicht lange, denn schon am 2. Juni erfolgte der Vernichtungsschlag gegen die Bauern bei Königshofen   an der Tauber und in den lezten Tagen des Juni fand das große Blutgericht in Rotenburg   statt. Der Rat hatte Menzingen  , Dr. Deuschlin und alle Führer, deren er habhaft werden konnte, eintürmen lassen. Von hundert weiteren Namen, die man zur Verantwortung geladen, hatte man vorläufig nur fünfzehn fest­nehmen können. Am 28. Juni zog Markgraf Kafimir cin und ließ seinen Freund Menzingen   im Stich. Siebzehn Gefangene wurden auf dem Markte enthauptet, zuerst Menzingen  , dann Dr. Deuschlin, dann der blinde Mönch, der stehend gerichtet sein wollte und dessen Haupt erst bei dem zweiten Schlage fiel, dann der Schulrektor Bessenmayer und die anderen. Das Blut floß wie ein Bach" die steile Schmiedegasse hinab. Nachträg lich fanden noch mehrere Hinrichtungen statt. Viele Rotenburger  wurden flüchtig und sahen ihre Heimat nie wieder, wie Ehren­fried Kumpf; Jörg Spelt wurde erst nach langer Zeit wieder zugelassen.

Dieser Markt hat überhaupt viele Hinrichtungen gesehen. Die Rotenburger   übten ein wahres Schreckensregiment. Die gefangenen Raubritter richteten sie gewöhnlich ohne Erbarmen hin und waren die gefürchtetsten Gegner derselben; es war cin seltener Fall, daß der alte Wolf von Wunnenſtein seinen Sohn, den sie gefangen hatten, retten konnte. Aber auch ihre eigenen

Hauptleute verfielen oft genug dem Beil des Henkers, wenn sie sich schlagen ließen. Die Fehden, welche Rotenburg   führte, waren zahllos; es vergingen namentlich im fünfzehnten Jahr­hunderten nur wenige Jahre, ohne daß sie zu Feld lagen. Auch an inneren Kämpfen war Rotenburg   reich, wir wollen nur des großen Aufstandes von 1450 Erwähnung tun, der durch

den Steuerdruck veranlaßt wurde.