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Ein Schnurrig Stück Menschenleben.

Humoristische Erzählung von Hans Eckart.

Siehst du," begann Christian seufzend von neuem, kaum daß mir das Glück einen Augenblick gelächelt hatte, begann auch sofort wieder mein unerhörtes Pech. Ich war also in den Familienvagen aufgenommen, aber wo sollte, wo konnte ich sizen? Im Fond des Wagens saßen Vater und Mutter; ihnen gegenüber die beiden Töchterlein, reizende Kinder, sag' ich dir, Hans; auf dem Bock neben dem Kutscher saß der Sohn,- es blieb nichts übrig, als daß der Kutscher sich auf den Fuß­boden seines Sizes hinabsezte und mir seinen Plaz einräumte. So saß ich, aber wie hockte ich da! Hoch oben über den beiden bildhübschen Mägdelein, und mit dem Rücken ihnen zugekehrt, cine Unterhaltung pure Unmöglichkeit, dabei stets der Gefahr ausgesezt, mit meinen ziemlich langen Rockschößen die Hüte der Mädchen zu berühren; hielt ich die Rockschöße mit den Händen fest, so flafften sie auseinander und gaben meine hellfarirten Hosen den Blicken der Wageninsassen preis, sezte ich mich drauf, so drohte bei dem beständigen Stoßen und Rütteln des Wagens und den dadurch hervorgerufenen heftigen Schwankungen meines Körpers der Rock aus allen Näten zu gehen, kurz, ich mochte tun, was ich wollte, so spielte ich doch auf meinem Kutschertrone eine lächerliche Rolle und das Kichern der Mädchen hinter mir wollte denn auch gar kein Ende nehmen. Und welch' ein Kichern, gedämpfer Silberglockenklang, wenn diese Mädchen­stimmen einmal laut lachten, das fam auch oft genug vor, waren sie völlig bezaubernd. Lache du mich aus, so viel du willst, Hans, ich verdien' es, da ist kein Zweifel, aber wars nur der Umstand, daß ich solange unter den denkbar ungünstigsten Umständen ausschließlich in Gemeinschaft mit Bar­ baren oder beinahe Wilden gelebt hatte, genug, ich war über und über verliebt, che noch der Abend kam, feine drei Stunden, nachdem ich die liebenswürdige Familie zum ersten mal gesehen."

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" In welche?" fragte ich jezt ganz ernst.

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" In welche, ja, wenn ich das nur gewußt hätte. Ich glaube ernstlich in beide. Schelte mich nicht, Hans," fuhr er fort, als er sah, daß ich mein Gesicht in noch ernsthaftere Falten legte, was fann ich Unseliger dafür? Auch Schiller liebte beide Mädchen von Lengefeld,-von Bürgers Doppelliebe gar nicht zu reden."

,, Wirst du wieder geliebt, Christian?" examinirte ich mit unzerstörbarem Ernst weiter.

" Ich keine Idee. Ueberhaupt diese Frage, Ich wiedergeliebt werde, es ist ja längst alles vorbei, habe sie seit dem einen Tage nie wieder gesehen."

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ob ich

ich

Nun, da brauchst du also nicht mehr zu seufzen.-" Erst recht grade,- denn es ist alles vorbei, alles, nur cines nicht, meine Verliebtheit.- Sichst du, seit ich jezt mit meiner Preisarbeit fertig bin, regt sich in mir wieder der Mensch, der heißblütige, lebenslustige Mensch, die lieblichen, schelmischen, entzückenden Gesichter tauchen täglich und nächt­lich in meinen Träumen deutlicher, lockender in meinem Ge­dächtnisse auf, es ist mir, als ob die längst verwelften Blumen, die sie mir zum Abschiede auf dem Bahnhof in Eisenberg, wohin mich noch selbigen Abend die ganze liebenswürdige Familie begleitete, gegeben hatten, wieder zu duften begönnen,- ich bin also verliebt, hoffnungslos verliebt, so hoffnungslos wie nur je ein Mensch, oder wahrscheinlich wie nie ein Mensch vor mir."

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Na, aber Christian, so schlimm ist die Sache doch nicht, suche die ungeheuer liebenswürdige Familie auf, wähle dir von den zwei Mädchen vorläufig eines, ungefähr so wie es Schiller gemacht, auf solche Abwege wie Bürger wirst du hoffent lich nicht kommen, und heirate sie, wenn's eben nicht anders

sein kann."

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.Schweig, ich bitte dich, schweig mir vom Heiraten, Hans,

( Fortsezung.)

ich heirate ganz gewiß nie. Ja wenn ich wählen könnte, vielleicht würde dann noch alles gut, aber dazu müßte ich wieder mit der Familie zusammenkommen, und dazu müßte ich wissen, wo sie wohnt, wie sie heißt"

Diesmal vermochte ich meinen Ernst nicht mehr zu wahren, ich lachte laut auf.

Du bist ein Prachtkerl, Christian," rief ich. Liebt der Mensch zwei Mädchen auf einmal und fümmert sich nicht ein­mal darum, wie sie heißen und wo sie wohnen--

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Gefümmert habe ich mich schon darum, aber ich war damals, als ich plözlich aus wochenlanger Höllenqual befreit wurde, so entzückt, verwirrt und verlegen zugleich, daß der Name, den mir der joviale alte Herr nannte, an mein Ohr schlug, ohne in meinem Gedächtnis haften zu bleiben. Ich glaubte ihn zwar zu wissen, als ich mich aber seiner erinnern wollte, es war auf der Eisenbahnfahrt nach einem tiefen Schlaf, in den ich kurz nach meiner Abfahrt von Eisenberg verfallen war, wir hatten noch auf die fröhliche Bekanntschaft und auf ebenso fröhliches Wiedersehen eine erkleckliche Anzahl Flaschen föstlichen Weins geleert, da war er wie ausgelöscht. Anfänglich tröstete ich mich mit dem Entschluß, innerhalb der nächsten sechs Wochen auf einige Tage nach Eisenberg zurückzukehren und die Familie aufzusuchen, aber das verhinderte die unglückliche Preisarbeit, die in Angriff zu nehmen, mein alter Dheim mir auf das dringendste anrict. Als ich damit einmal begonnen, nahm mich, das interessante Tema und der Ehrgeiz, den Preis zu erringen, gefangen, ich vergrub mich in die Bücher und schaute nicht auf, dachte über nichts anderes nach, bis die Arbeit endlich, weil der festgesezte Einlieferungstermin vor der Tür stand, abgeschlossen werden mußte, und nun, da der Bücher­wurm wieder Mensch wurde, war's zu spät. Ich bin freilich in Eisenberg gewesen, habe nach einer Familie mit zwei Töchtern und einem Sohn, der junger Student war, überall geforscht

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Er hielt inne, seufzte wieder tief auf und zuckte verzweifelt die Achseln.

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wenn

" Du fandest keine Spur einer solchen Familie, du nicht gar zu ungeschickt gesucht hast, ist das kaum denk­bar. vier, " Im Gegenteil: ich habe zu viel Spuren fünf solche Familien entdeckte ich, alle natürlich abgereist,- eine zu vorübergehendem Aufenthalte hier am Orte. Diese suchte ich zuerst auf, alles stimmte: eine behäbige Mutter, ein behäbigerer, urgemütlicher Vater, ein flotter, nur zu flotter aber alle hatte ich. alle Bruder Studio, zwei Töchter, hatten mich noch nie im Leben gesehen, und die Töchter- o du mein grundgütiger Himmel!-gut mögen sie sehr sein und entgegenkommend sind sie auch sehr, aber hübsch waren mindestens schier dreißig sie nie, lang, erschreckend mager,

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Jahre, das war mein erster Fund. Die zweite der Familien schien mir ganz sicher die rechte zu sein, der Name Klang mir, je öfter ich mir die Sache überlegte, desto bekannter, endlich hätte ich fast schwören mögen, die müßtens sein,- leider wohnten sie weit entfernt, deshalb konnte ich mich nur brieflich melden. Ich schrieb also, daß ich mich mit Freuden der frohen Stunde und aller Freundlichkeit erinnere u. s. w. Acht bange Tage wartete ich, dann kam ein Brief, der mir in gar nicht mißzuverstehender Weise mitteilte, daß man mich für einen Narren hielte, man habe einen Menschen meines Namens nie gesehen und wünsche, wie wörtlich zu lesen stand- mir fünftig die Mühe des Briefschreibens nicht mehr zu machen." ,, Und die übrigen Familien?"

Der vierte

Von einer erhielt ich gar keine Antwort. Familienvater endlich schrieb mir kurz und bündig:, Wir hatten zwar das Vergnügen, in Eisenberg einen angenehmen jungen