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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Bis zu seinem zehnten Jahre blieb Schubert im väterlichen Hause. Mit fünf Jahren bekam er von seinem Vater den Elementar- Unterricht und so lauten die Aufzeichnungen des Vaters, im sechsten Jahr ließ ich ihn die Schule besuchen, wo er sich immer als der erste seiner Mitschüler auszeichnete."
Schon früh begann sich die Liebe zur Musik in ihm zu regen. Als er später von Michael Holzer, Chorregenten von Lichtenthal, Singunterricht erhielt, versicherte dieser oft unter Thränen, daß er noch nie einen solchen Schüler gehabt habe.„ Wenn ich ihm was Neues beibringen will," erklärte dieser, ,, so hat er es schon gewußt.'
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Ju Oftober 1808 wurde der Knabe, nachdem er den beiden Hoffapellmeistern Salieri und Eybler vorgestellt worden war, in die kaiserliche Hofkapelle aufgenommen. Bald wirfte er dort nicht nur als Bratschist und Geiger mit, sondern in Abwesenheit des Dirigenten Rucziska leitete er auch die ganze Stapelle. Um diese Zeit entstanden seine ersten, aber noch unbedeutenden Compositionen:" Hagars Klage" und" Der Vatermörder".
In den Jahren 1814 bis 1816 mußte Schubert , der inzwischen aus der Hofkapelle ausgetreten war, eine Lehrerſtelle in seines Vaters Schule annehmen. Innerlich widerstrebend ertrug er doch dieses Jod), und gerade in diese Jahre fällt eine unerhörte Produktivität. Erwähnen wollen wir nur einige von den größeren Arbeiten: Die Zauberoper Zauberoper Des Teufels Luftschloß", die Opern und Singspiele„ Der vierjährige Posten ", " Fernando", Claudine von Villa Bella ",„ Die beiden Freunde von Salamanka"," Der Spiegelritter", „ Der Minnesänger" und" Adraft". Ferner die G- Dur Messe, eine in B- Dur, das erste Stabat Mater , das Streichquartett in G- Moll, zwei Klaviersonaten und die Symphonien in B- und D- Dur.
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Weit bedeutender aber als alle diese Arbeiten, von denen besonders die Opern den Stempel der Jugendlichkeit und Ungleichmäßigkeit an sich tragen, sind die Lieder für eine Singstimme, vou welchen er schon im Jahre 1813 viele komponirt hatte.
Von da an begann seine fast ausschließliche Vorliebe für das Lied. In das Jahr 1814 fallen„ Sehnsucht", " Thekla"," Elysium"," An Emma", „ Das Mädchen aus der Fremde",„ Der Taucher " u. a. Nachhaltiger als Schiller beschäftigte ihn später, von Mathisson abgesehen, dessen Einfluß auf ihn kein sonderlich guter war, Ossian und Goethe.
tische Schauspiel" gelangte am 20. Dezember 1823 im Theater an der Wien " zur ersten Aufführung. Die Musik besteht aus einer Reihe lose zusammenhängender Gesangs- und Instrumentalsätze. Hervor zuheben sind davon die schöne F- Moll- Romanze " Der Vollmond strahlt" und der Geistergesang.
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Schon wenige Wochen später vollendete der Komponist ein anderes Bühnenwerk von noch größerem Umfang, die heroisch- romantische Oper Fierrabras ". Aber auch diese erlebte das Schicksal von„ Alfonso und Estrella ". Treffend sagt Hanslick über das Tertbuch zu dieser Oper:" Es ist ein trauriges Prototyp für die ganze Gattung jener heroischromantischen Opern, welche einst zu Dußenden die deutsche Bühne beglückten. Es wird dabei ein vollständiger Kindheitszustand des Publikums vorausgesezt und eine ebenso vollständige Resignation des Stomponisten auf Alles, was Poesie, Geschmack und Zusammenhang heißt. Die Oper spielt am Hofe Karls des Großen, es fehlt also nicht an Prunk und prahlerischen Kriegsvirtuosen. Wer nur aufund prahlerischen Kriegsvirtuosen. Wer nur auf tritt, ist ein Held ohne Gleichen."
nochmals in lugarn und in der Steyermark. Hier entstand eine Reihe symphonischer Arbeiten und eine Anzahl Tänze, an welchen sich der Einfluß der Zigeunermusik geltend macht.
Ju das Jahr 1826 fällt auch der Lieder- Cyklus ,, Winterreise ", aus welchem die an düsterer Verzweiflung und Schwermuth reichen Lieder„ Der Wegweiser"," Das Wirthshaus" und„ Der Leiermann" hervorzuheben sind.
Jm März 1828 entschloß sich Schubert , nach langem Widerstreben, zu einem Konzert, welches im Lokal des österreichischen Musikvereins stattfand. Die traurige, materielle Lage des Komponisten aber, welcher Zeit seines Lebens aus Armuth und Schulden nicht herausfam, vermochte auch dieser geringe Erfolg nicht zu verbessern.
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Die Lieder dieses Jahres, des letzten Lebensjahres, gehören zu den besten, welche Schubert je geschaffen. Das Bild"," Der Atlas", „ Die Stadt"," Das Fischermädchen" u. a. wurden hernach in dem Cyklus„ Schwanengesang" vereinigt. Im Oftober 1828 verschlimmerte sich der Zustand Schuberts auf Besorgniß erregende Weise. Als er am 31. Oktober im Gasthaus zum rothen Krenz" cinen Fisch essen wollte, faßte ihn plöglicher Efel an, als hätte er Gift genossen. Von diesem Augenblick au nahm er außer Arzneien nichts mehr zu sich.
( Nach einem alter Porträt.) Anläßlich des 100 jährigen Geburtstages( 31. Januar 1897).
Die Lieder aus dieser Epoche gehören zu dem Schönsten, was Schubert an edler Einfachheit und Tiefe des Ausdrucks geschaffen hat. Wir erwähnen nur: Das liebliche Haideröslein", Wonne der Wehmuth", ,, Trost in Thränen"," An Mignon"," Meeresstille " und den gewaltigen, hinreißenden„ Erlkönig ".
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Im Jahre 1818 fam Schubert zum ersten Mal in die Fremde, nach Ungarn , wo er sich mit slavischen Volksweisen bereicherte.
Die ersten bedeutenden Erfolge errang Schubert im Jahre 1821 mit der Veröffentlichung seiner Lieder. Damals aber beschäftigte er sich auch schon wieder mit musikalisch- dramatischen Kompositionen.
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Im Jahre 1825 schrieb Schubert die romantische Oper Alfonso und Estrella ", welche aber bei seinen Lebzeiten nicht zur Aufführung fam. Erst 1854 gelangte sie unter Mithülfe Franz Liszts in Weimar zur ersten Darstellung, aber ohne besonderen Erfolg. Liszt selbst nennt sie ein Singspiel, keine Oper, und sagt, der Grund ihrer unzureichenden Wirkung liege nicht bloß in dem schwachen, handlungsarmen Libretto, sondern auch in Schuberts Mangel an dramatischer Auffassung und szenischer Erfahrung.
Besseren Erfolg hatte Schubert mit einem anderen Bühnenwerke aus dem Jahre 1823, mit dem Drama „ Rosamunde, Fürstin von Cypern". Dieses„ roman
,, nun einmal der Theaterdämon im Nacken saß", eine einaftige Operette,„ Die Verschworenen". Den leichten, singspielartigen Stoff wußte Schubert mit leichten, singspielartigen Stoff wußte Schubert mit solcher Zartheit und Grazie zu bearbeiten, daß dieses kleine Werk zu seinen besten dramatischen Schöpfungen gehört.
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In den Jahren 1823 und 1824 entstand der herrliche Lieder- Cyklus„ Die schöne Müllerin ", eine Novelle in Liedern. Troß der freien, zwanglosen Behandlung ist dieser Cyklus ein Meisterwerk ge= schlossener Harmonien, die sich, bis aufs Feinste nuancirt, aneinanderreihen zu einem vollendeten Tonwerk. Danksagung am Bach"," Bächlein, laß dein Rauschen sein"," Meine Laute hab ich gehängt an die Wand"," Die liebe und die böse Farbe" sind die herrlichsten Blüthen aus diesem duftenden Kranz von Melodien. Hier" schreibt Louis Köhler löste Schubert die Liedweise von der Form des Allgemeinen und individualisirte sie. Seine Lieder sind durch und durch neu, in der Melodik, wie in der Begleitung, in der Harmonik, wie im ganzen Say. Schuberts Melodie hat die Springkraft, das Quellende eines plößlich natürlich Entstehenden und bewährt doch zugleich die höchste, künstlerische Bildung."
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Am 3. November begab er sich nochmals früh Morgens nach Hernals , wo seines Bruders Requiem aufgeführt wurde. Es war die legte Musik, die er vernahm. Am 16. November schlossen. die Aerzte auf Ausbruch des Nervenfiebers. Vom 17. Abends an nahm das Deliriren zu. Zwei Tage darauf nahm ihn der Tod, den er in Tönen so ergreifend geschildert hatte, sanft hinweg. Ihm", schließt sein Biograph, , verdankt die deutsche Nation den unbestrittenen Ruhm der liederreichsten unter den Völkern, und so lange der Gesang auf den Lippen der Deutschen nicht ausstirbt, werden auch Schuberts Lieder in Menschenherzen tröstlichen und befeligenden Widerhall finden."
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Ein Märtyrer der Schule.
Novelle von Henrik Sienkiewicz. ( Schluß.) Deutsch von Wilh. Thal.
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o brachte Michel einmal mehrere Nächte, um mich nicht zu stören, in einem ungeheizten Zimmer Als ich es bemerkte, rief ich ihn in mein Zimmer und ging noch einmal mit ihm alle seine Lektionen durch, um ihm zu beweisen, daß er sie wußte und daß es unnütz war, sich so der Grkältung auszusetzen.
Aber schließlich sing ihm der Kopf an zu wirbeln, und er wußte selbst nicht mehr, ob er seine Lektionen begriffen hatte oder nicht. Er verlor seine Kräfte, er verlor seine Farbe und wurde immer düsterer und schweigsamer.
So vergingen Tage und Wochen, und obgleich der Aermſte ſeine Anstrengungen verdoppelte, 10 wurden die Resultate doch jeden Tag unbedeutender. Die Briefe, die Frau Marina schrieb, machten das lebel noch schlimmer. Der liebe Gott hat Dich mit ganz besonderen Fähigkeiten begabt, und darum habe ich die feste Ueberzeugung, daß Du mein Vertrauen nicht täuschen wirst. Ich hoffe, mein Sohn, Du wirst meine Stüße werden."
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Als das Kind zum ersten Mal einen solchen Brief empfing, packte es mich bei den Händen und hörte trotz des Schluchzens, das ihn erstickte, nicht auf auszurufen:
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