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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
für sich zu gewinnen. Und als die Edelleute der Picardie ihn geradezu baten, sich zur Vernichtung der Bauern an ihre Spiße zu stellen, ging er um so bereitwilliger darauf ein, als in der Jacquerie mehrere seiner adeligen Parteigänger ermordet worden waren. Mit seinen eigenen Streitkräften, denen der Adeligen und mit Engländern und Briganten, etwa tausend Lanzen starf, stieß er bei Clermont auf ein Bauernheer unter dem obengenannten Wilhelm Cale, der den Seinen rieth, die Hülfe der BourgeoisKommunarden in Anspruch zu nehmen. Dem widersetzten sich die Banern. Als der König angriff, wußte er auch sehr bald, daß er hier den bestgedrillten Schaaren der Bauern gegenüberstand und nahm seine Zuflucht zu feigen Verrath. Er beantragte eine Unterredung mit Gale, dieser kam erwartungsvoll und ward sofort in Stetten gelegt. Die ihres Führers beraubten Jacques erlitten nun eine furchtbare Niederlage, welche sich zu einer schauderhaften Bauernniedermeßelung gestaltete. Den abgehauenen Kopf Cales frönte man mit einem Dreifuß von
rothglühendem Eisen. Ein zweiter Bauernhaufen, der sich mit Cale hatte vereinigen wollen, war furz vorher in der Nähe von Poir( spr. Boa) geschlagen und dabei etwa fünfzehnhundert Bauern getödtet worden. Andere zwei Bauernbanden, achthundert und tausend Mann stark, wurden an anderem Orte der Picardie abgeschlachtet.
Am 15. Juni erfuhr der Prinzregent, was sich 31 Meaur zugetragen hatte. Er eilte alsbald in jene Gegenden, die Adeligen strömten ihm in Schaaren zu und nun begann eine neue großartige Bauern schlächterei: bis zum 24. Juni sind dabei nach einem Chronisten mehr als zwanzig Tausend Bauern er= schlagen, gehängt oder verbrannt worden.
Ju einzelnen Dörfern, wo die Bauern sich verschauzten, vertheidigten sie sich äußerst zäh, zulezt zogen sie sich gewöhnlich in die Kirchen zurück, die ihnen nun als Festungen dienten, aber meist endlich zerstört oder sammit den Insassen verbrannt wurden von den nach den ersten Erfolgen schnell riesig anschwellenden Schaaren der Gegner der Jacquerie.
Heberall feierte die wüthende Nachgier der Adeligen die wildesten Orgien und die Königsgewalt, deren Pflicht gewesen wäre, den Adelsgreneln fräftig Einhalt zu thun, ergriff nur schwächliche Maßregeln; kennzeichnend sind die vom Prinzregenten verhängten Strafen, unter denen z. B. die Auferlegung einer Wallfahrt geradezu lächerlich erscheint.
Ja, es kam noch schlimmer. Die Adeligen hatten ihren Blutdurft gestillt, noch größer aber war der Gelddurst der föniglichen Kassen. Die Jacquerie gab den willkommenen Anlaß, ungeheure Geldbußen den wirklich oder angeblich Schuldigen aufzuladen, die den Bürgerkrieg überlebten. In Schaaren wanderten die Bauern fort, um der neuen Schinderei zu ent gehen, und wendeten sich aus dem Königreich in die Grafschaft Bar . Eine furchtbare Verödung des Landes war die Folge all dieser gesammten Mißhandlungen. So endete die Jacquerie, der große Bauernaufstand Frankreichs im 14. Jahrhundert.
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Aus dem Papierkorb der Beit.
Im Kornfeld.( 3n unserem Vilde.) Wie seltsam! Mitten im Winter, während die Schneeflocken wirbelu und tanzen, während die schwere, weiße Todtendecke über den kahlen Feldern liegt taucht hier ein Stornfeld mit reifen, nickenden Aehren und bunten Blumen, Mohn und Cyanen, vor uns auf, und mitten aus der reichen, goldenen Saat grüßt uns ein lieblicher Mädchenkopf. Wie seltsam und doch einfach! Die Natur, die still nach ihren ewigen Gesetzen geht, hat nun alles Leben uns genommen. Traurig ragen die kahlen Bäume in den düsteren Wolfenhimmel hinein, die Bäume, die noch kurz vorher in ihrem reichsten Blätterschmuck geprangt und ihre herrlichsten Früchte getragen haben. Finster und vergrämt ſtarren uns die Gärten entgegen, in denen nur hier und da eine hungrige Krähe durch das raschelnde Stroh huscht, mit dem Beete und Rosenstöcke umkleidet sind. Kein warmer, leuchtender Sonnenstrahl dringt in die Wohnungen der Menschen nichts, nichts ist geblieben von einstiger Pracht und einstiger Schönheit. Und doch: die Kunst, die ewig gleiche die haben wir noch, die Kunst, die uns nie verläßt, die feinen Wechsel von Tag und Nacht fennt, von Frühling und Winter. Mit nimmermüdem Blick späht sie aus im Sommer und hält das Bild der Aehrenpracht fest, damit es uns auch in den Tagen des Naturichlases erfreue und grüße als Erinnerung einstiger Herrlichkeit und neue Wiederkehr verheiße. Und überall und immer, wo die Natur uns nichts mehr zu bieten vermag, da steht die Kunst mit stillem, sinnendem Auge neben uns und giebt uns Alles zurück, was wir vermissen. Sie schmückt die Gärten mit neuen Blumen und malt uns über den düstersten Wolfen einen nenen, funkelnden Sommerhimmel. So ist sie die Schwester der Natur geworden, das ewig ruhende Abbild jener, die ewig forteilt.
Ein Duell in alten Zeiten. Wie Einer einmal ein Duelt abgewiesen hat, schildert der fürstlich Liegnißsche Hofmeister Hans v. Schweinichen in seinem kulturgeschichtlich höchst interessanten Tagebuch folgendermaßen: Es war bei Ihrer Fürstlichen Gnaden( dem Herzog von Liegnitz ) ein Hauptmann Grottikan, derselbige wollte sonsten alle Lente fressen; wird mit einem Niederländer auf den Abend uneinig, daß sie einander fordern. Des Morgens fommit der Niederländer und fordert den Grottifau. Nun hatte er ein hölzern Schenkel, den gurtet er in dem Bette ab und spricht mit dem Niederländer: wie er nun vermeint, daß er ihn erreichen faun, nimmt er den hölzern Schenkel, schluget den Niederländer vor den Hals, daß er neben dem Bette niederjank. Er rafft sich ja wieder auf und lief davon. Also hatte das Geraufe ein Ende, wollt ihn darnach nicht mehr fordern.
Die arme Frau und der Reiter. Die Frau hatte einen schweren Sorb dürres Holz, sah sehr fothig aus und gab zähneknirschend einen Ton von sich, der eine Mischung von Weinen, Beten und Fluchen war. Was fehlt Euch, Mutter?" fragte ich.„ Ach, der unbarmherzige Zeterhallunke hat mich mit dem Pferde in den Graben geworfen. Er ritt auf dem Fußsteige und ich wich ihm
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links aus, so weit ich konnte. Er rührte sich keine Spanne und das Pferd stieß mich hinunter und er ritt fort, ohne sich umzusehen. Das Pferd ist menschlicher als er. Hätte ich ihn nur mit dem großen Stocke auf den Stopf geschlagen."„ Das wäre freilich nicht übel gewesen, wenn Ihr nur den Hiruschädel tüchtig getroffen hättet." Dergleichen Dinge gesche en alle Tage zu Dußenden; weder Gerechtigkeit noch Polizei nimmt Notiz davon. Die Gerechtig eit hat mehr zu thun; sie muß ihre Chokolade trinken, und die Polizei muß ihren Thorgroschen gehörig einnehmen und das Chausseegeld heben. Reiner der Orduungsherren kommt heraus; oder kommt er heraus, so reitet er mit einer Hyperbel von Impertinenz( mit übertriebener Anmaßung) selbst auf dem Fußsteige und stößt mit dem Gaute den armen Wanderer in den Graben. Kommits einmal zur Sprache, so heißts ganz sanft und glimp lich:„ Aber, gnädiger Herr, Sie sollten doch etwas vorsichtiger sein."
Ceume.
Amerikanische Redeblüthen.„ Rednerisch ist er eine Fenerrafete, der Intelligenz nach ist er nur der Raketenstock." So beurtheilte Herrn Bryant, den durchgefallenen Präsidentschaftskandidaten bei der letzten Wahl in den Vereinigten Staaten Nordamerikas , ein Lincolner Kollege desselben. Man hat seine Kongreßreden ausgegraben und darin allerdings merkwürdige Redeblümchen gepflückt. Als Anhänger der Silberwährung und Feind des Goldes hat er da unter Anderem gesprochen von einem Kreuz aus Gold , auf dem das amerikanische Volk gefreuzigt werde. Ein anderes Mal bezeichnete er die Aufgaben der Gesetzgebung in der Geseßgebung als etwas Aehnliches, wie in der Praxis der Schweinezüchter, die ihren Zöglingen Rundhölzer um die Schnauze binden, damit sie wohl fressen, aber den Boden nicht aufwühlen können.
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,, Bürger" als Schimpfname. Ruhig und friedlich lebende Edelleute wurden im ausgehenden Mittelalter von ihren raubritterlichen, raussüchtigen Standesgenossen schimpfweise„ Bürger" genannt, und die so Scheltenden glaubten sie damit am ärgsten zu brandmarken. Der verächtliche Ausdruck, mit welchem die nämlichen Edelsten und Besten der Nation die Bewohner der betriebsamen, aufblütenden Städte benannten, war: Ummauerte Bauern". Dieser Scheltname hat die gute Eigenschaft, über die wirkliche Enwickelung der städtischen Gemeindewesen Licht zu verbreiten.
Weltgeschichtliche Brosamen.
Marschall Segur hatte eine Ordonnanz erlassen, nur Adelige in den Offizierstab der Artillerie aufzunehmen, andererseits ließ aber ein solcher Posten nur Bejezung mit unterrichteten Leuten zu. Da ereignete sich etwas sehr Spaßhastes. Da der eine Examinator, Abbé Bossut , nur Taugliche, wenn auch Bürgerliche, als zulässig bezeichnete, und der Andere, Cherin, nur Adelige, fanden sich unter hundert Bewerbern nur vier oder fünf, welche beiden Bedingungen entsprachen.
Versailler Polil.k. Von einem Tage zum anderen wechselt man in Versailles System und Ideen über die
Politik. Keine Regeln, keine Grundsäke. Die Sonne leuchtet alle Tage einer Ansicht in Versailles , Unsicherheit der Schwäche, völlige Unfähigkeit. Wenn wir die Wet und die Menschen beobachten, muß unser Herz brechen oder hart werden. Chamfort.
Lyrische Ecke.
Reue.
Von Emil Hauth.
ch habe geirrt, ich habe gefehlt
Und manchem Herzen schlug ich Wunden, Weil ich selbst den Weg des Lebens gesucht, Bis ich den Weg des Lebens gefunden.
Nun, da ich mit sicherer, starker Hand Das Schiff meines Wollens weiß zu lenken, Soll ich, das mit heißer Qual ich gebaut, In dem todten Meere der Rene versenken? Geht mir mit dem feigen, erbärmlichen Rath! Ich mag nicht in stumpfer dieune versimpeln; Des Mannes Rene ist die That,
So fahr ich hinaus mit lachenden Wimpeln.
~ Räthsel- Ecke.
Bilder Rätbfer.
B& Q
Auflösung des Rathfels in Nr. 4: Uns innig Unsinnig. Nachdruck des Juhalts verboten! Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Herrn Edgar Steiger , Leipzig , Oststr. 14, richten.
Berantwortl. Redatteur: Edgar Steiger , Leipzig . Verlag: Hamburger Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Auer& Co., Hamburg.-
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