92

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Mit welchen Schwierigkeiten die Legung großer Kabel verbunden ist, ersieht man vielleicht am besten aus der Aufzählung einiger mißglückter Versuche. Nachdem gegen Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre die unterseeische Verbindung mehrerer Orte geglückt war, tauchte der Gedanke auf, auch Europa mit Amerika telegraphisch zu verbinden. Das Unternehmen, das besonders der reiche Amerikaner Field förderte, wurde im August 1857 begonnen. Zwei Schiffe trafen sich in der Mitte des Meeres, dort wurden die Enden der von ihnen mitgebrachten Kabel zusammengeschweißt und auf den Grund ge= senkt; dann trennten sich die Schiffe nach verschiedenen Seiten, wobei sie das Kabel abrollen und sich auf dem Meeresgrund einbetten ließen. Hierbei darf das Schiff weder zu schnell, noch zu langsam fahren, denn das Kabel hat an seinem eigenen Gewicht sehr viel zu tragen und kann bei ungeeigneten Bewegungen des Schiffes leicht reißen. Thatsächlich trat ein solches Reißen des Kabels schon wenige Tage nach der Trennung der beiden Schiffe ein, so daß die Arbeit eine vergebliche gewesen war. Doch wurde der Versuch im nächsten Jahre mit besserem Erfolge wiederholt; die Trinity- Bai auf Neu- Fundland und Valentia auf Irland , die eine Entfernung von 350 Meilen haben, waren am 5. August 1858 tele­graphisch verbunden. Aber nachdem das Kabel 129 Depeschen aus Europa nach Amerifa und 271 De­peschen in umgekehrter Richtung befördert hatte, hörte seine Thätigkeit bereits am 1. September 1858 auf, so daß die ungeheuren auf das Unternehmen ver­wandten Summen, etwa 24 Millionen Mark, ver­loren waren.

Nach sechs Jahren war ein neues Unternehmen finanziell gesichert, so daß wiederum ein Stabel an= gefertigt wurde, sein Gewicht betrug 82000 Zentner. Diese ungeheure Masse wurde auf dem größten da­maligen Schiffe, dem Great- Eastern verladen, der am 23. Juli 1865 Valencia verließ, um nach Westen zu dampfen; in einer Entfernung von 200 Meilen riß das Kabel, und der Great Eastern kehrte un verrichteter Dinge nach Europa zurück. Bereits im nächsten Jahre wurde der Versuch wiederholt; am 13. Juli 1866 dampfte der Great- Eastern mit einem nenen Kabel wiederum aus Valencia ab. Diesmal ging Alles gut; am 27. Juli landete er in Neu­ Fundland , und noch am Abend desselben Tages wurde die telegraphische Nachricht hiervon nach Irland gesandt.

Noch im selben Jahre versuchte man, das ein Jahr zuvor gerissene Stabel wieder aufzufischen; auch dieses Unternehmen glückte, das aus dem Meeres­grunde heraufgeholte Ende wurde mit dem mit­gebrachten Vorrath zusammengeschweißt, und die weitere Abwicklung ging glücklich von Statten, so daß am 8. September 1866 zwischen Europa und Amerika zwei telegraphische Leitungen vorhanden waren. Sehr bald folgten dann eine Reihe anderer Kabel, und heute sind alle Theile der Welt telegraphisch mit­einander verbunden.

Freilich hat die unterseeische Telegraphie noch weitere Schwierigkeiten, als die der Kabellegung zu überwinden. Zwischen dem Leitungsdraht und dem durch die isolirende Schicht von ihm getrennten gut leitenden Wasser treten besondere elektrische Er scheinungen auf, durch die das Telegraphiren er­schwert wird. Man muß sich infolge dieser Er­scheinungen, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, mit recht schwachen Strömen begnügen, so daß man bei langen Leitungen nicht die gewöhn­lichen Morseschen und Hughesschen Apparate an wenden kann. Der Strom genügt gerade noch, eine Magnetnadel, um die er in mehreren Windungen geführt wird, aus ihrer Richtung abzulenken, wie beim Morseschen Schreibapparat aus Punkten und Strichen das Alphabet zusammengesezt wird, so wird hier dasselbe durch die Ausschläge nach den beiden verschiedenen Seiten erreicht. Die Magnet nadel trägt einen Spiegel, auf den ein Lichtstrahl von einer Lampe geworfen wird; der Spiegel wirft ihn weiter auf eine Stala, und die Bewegungen dieses Lichtzeigers sind es, die in dem stillen, von jedem Geräusch der Außenwelt abgeschlossenen Raume beobachtet werden.

So hat der kühne Unternehmungsgeist des Men­schen, geleitet von der wissenschaftlichen Erkenntniß, zu immer neuen Versuchen angestachelt durch die Bedürfnisse des Kapitals, in den Telegraphen und ganz besonders in den Verbindungen der durch große Ozeane getrennten Länder, Wunderwerke geschaffen, Ozeane getrennten Länder, Wunderwerke geschaffen, gegen die alle Ruhmesthaten siegreicher Helden in ein Nichts verschwinden; der Kampf gegen die feind­lichen Naturgewalten wurde gewonnen, und die Näher­führung der Menschen um ein gutes Stück gefördert.

Spielkinder.

( Fortsetzung.)

Roman von Georg Hermann .

ieber flöhe ich mein Lebtag schwarze Pudel, eh ich noch einmal eine Regisseurstelle über­nehme.

Ein halbwegs gelehriger Papagei hätte die Rolle des Kommerzienraths mit mehr Verständniß gesprochen als Albert Nickel, auch verband mein Albatchen' diese Sprechübung auf's Angenehmiste mit schwedischer Heil­gymnastik, indem er sich von Zeit zu Zeit auf seinen breiten Brustkasten schlug, daß es dröhnte, und den Arm dann urplöglich ausstreckte, daß die Finger knallten. Einen leichten Gesellschaftston konnte er trotz aller meiner Mühe nicht treffen, während sein hier vollkommen nnangebrachter Quartanerpathos ihm bei einer Schülervorstellung das Prädikat kaum noch im Ganzen befriedigend" eingetragen hätte.

-

Eugen der junge Bucher, Albert ließ sich noch wenigstens etwas sagen noch wenigstens etwas sagen aber Eugen wußte Alles besser; er hatte, wie er sagte, diese Rolle studirt, das heißt er hatte sich aus Mäßchen und Gliederverrenkungen eine Gestalt geschaffen, die auf dieser Welt nicht zu finden war. Er war stolz auf seine Leistung und fragte einen Jeden insgeheim, ob ihm die Rolle nicht ausgezeichnet läge.

Der Kriminalkommissar war ein non plus ultra von Plumpheit, und ich hätte eher einem Gaisbock das Klavierspielen beigebracht, als ihm natürliche Gesten. Er fuhr mit pfeilgrad ausgestreckten Händen in der Luft umher, als ob er sie so leichter zer= schneiden könne, hob und senkte den Brustkasten wie einen Blasebalg und sprach Alles im Galopp. Er sprach ebenso ausdruckslos zum Buchhalter: Im Namen des Gesezes verhafte ich Sie!" wie er vor­her zum Kassenboten gesagt hatte: Na, Alterchen, willst Du' ne Zigarre rauchen?"

Nur der Kassenbote spielte sehr gut und verstand aus dieser unbedeutenden Stolle eine prächtige Charge zu machen.

-

-

Die Damen ja, man sagt zwar, jedes weibliche Wesen wäre eine geborene Schauspielerin aber ich bestreite es, es fehlt ihnen die Natürlichkeit

-

sie sind sich in jedem Augenblick bewußt, daß sie nur mimen, und eben daran scheitern sie.

Von den drei oder vier jungen Mädchen, welche spielten, hatten zwei wohlflingende, schöne Stimmen, spielten, hatten zwei wohlflingende, schöne Stimmen, Bühnenfiguren, ruhige Bewegungen, und trotzdem entledigten sie sich ihrer Aufgabe nicht halb so gut, wie es Lies that. Und Lies hatte weder ein schönes wie es Lies that. Und Lies hatte weder ein schönes Organ, noch eine für die Bühne sich eignende Figur

aber sie spielte mit solch einer Hingabe, mit solch einer Natürlichkeit, daß man sah, sie vergaß voll­kommen, daß sie sich auf der Bühne befände; be­sonders die Liebesszene spielte sie so fein nüancirt, sie füßte, sie lachte, sie weinte, sie schmollte in tausend Abstufungen; sie wußte genau das Maß ihrer Leiden­schaft innezuhalten, so daß sie sich nicht vor dem Höhepunkt verausgabte.

1

Jedoch hatte das Theaterspielen leider in einer anderen Beziehung einen ungünstigen Einfluß auf Lics. Im Geschäft gingen plöglich ihre Leistungen rapide zurück, sie arbeitete unlustig, wurde langsam und unzuverlässig. Soviel ich ihre Fehler zu ver tuschen bemüht war, so wurden sie doch vom Pro­furisten bemerkt, welcher ihr so wie so nicht gewogen war, denn Lies hatte sich früher einmal erlaubt, ihn tüchtig heimzuschicken, als er versuchte, dem Ge­spräch eine schlüpfrige Wendung zu geben. Klein­liche Menschen vergessen ja derartige Zurückweisungen niemals.

Merkwürdig war es mir, daß mit der Zahl der Proben auch Lies' Partner, Eugen, sich besser in seine Rolle zu fügen begann. Während er erst den Verführer spielte und zwar so fad, daß ich das Mädchen hätte sehen mögen, das er hätte verführen können, fehrte er mit der Zeit mehr und mehr den Liebhaber heraus und begann die Figur ganz an­nehmbar zu gestalten. Zwar stellte er sich noch bei jedem Ach!" in Pose, aber sonst war, abgesehen von dem dramatischen R, an seiner Leistung nicht einmal viel auszusetzen. Ja, man muß sagen, er lebte sich in die Rolle ein, und er versicherte mir auch jedes Mal mit verschmigtem Lächeln, daß er eifrige Studien zu ihr mache.

Nachdem wir nun schon so oft geprobt hatten, daß ich sah, die Helden und Heldinnen mimten mit jedem Mal nur schlechter anstatt besser, so sprach ich eines Tages das Machtwort aus: Das Spiel kann beginnen!"

Wie gern hätte ich diese Worte noch einmal zurückgenommen. Sie wirkten auf die Novania" wie ein Fußtritt auf einen Ameisenhaufen. Es ent wickelte sich urplöslich eine fieberhafte Thätigkeit. Da waren noch nicht genug Billets abgesezt, man schickte Briefe, verschrieb mehr Papier, brauchte mehr an Porto, als man jemals hätte gutmachen können. Die Damen jammerten, ihre neuen Kostüme, Noben, Kleider würden ja nicht fertig, Albertchen behauptete steif und fest, daß er bis dahin niemals seine Rolle lernen könne. Aber ich war der Regie schon so herz­lich überdrüssig, daß ich unerbittlich darauf bestand. Nur selten hielt ich noch Proben, denn das Stück wuchs mir zum Halse heraus. Ich kannte jedes Wort, jede Wendung und Bewegung und stets wurden mir die Figuren noch puppenhafter und un­möglicher.

Endlich!

-

Ach nein! Erst noch Generalprobe. Sie war Hohn und Spott. Schon angesichts der leeren Stühle ergriff alle Künstler am hellerlichten Tage das Lampen­fieber. Sie stammelten und zagten, als ob es nicht die Bretter wären, die die Welt bedeuten, sondern die Bretter des Schaffots, auf denen sie ständen.

Alles, was ich ihnen mit Mühe beigebracht, war wie weggeblasen. Entweder sprachen sie zu langsam oder zu schnell, entweder brüllten sie wie angeschossenes Wild, oder flöteten so zart, wie verliebte Turtel­tauben, daß man selbst in der ersten Reihe nichts mehr hören konnte. Die Einzige, die stets gleich­mäßig laut und deutlich sprach, war die Souffleuse. In welche Ecke des Saales man sich auch stellte, ihr klares, durchdringendes Stimmchen folgte über­all hin.

Leider war sie beharrlich zwei Zeilen hinter den Spielenden zurück, weil sie, um ja recht gut ver­standen zu werden, jede Silbe einzeln aussprach.

Die Ausstattung war prächtig, und der Ezenen-, wechsel ging mit geradezu verblüffender Schnelligkeit vor sich. Um einen Stuhl auf die Bühne zu bringen, brauchte mau beinahe eine Viertelstunde; denn be­sagter Stuhl war nirgends im Lokal zu finden und wurde endlich in der Küche gestellt, wohin er sich geradezu eigenmächtig entfernt haben mußte.

Ich war begeistert, und hätte ich nicht bedacht, daß ihre Stimme eine recht schwache wäre und sie, abgesehen von ihrem wunderhübschen Gesicht, auf der Bei der zärtlichen Gartenszene klappte ein Baum Bühne unbedeutend aussähe, so hätte ich ihr ernst- um, jedoch ohne ernstlichen Schaden anzurichten, und lich gerathen, zum Theater zu gehen. Möglich auch, von dem föstlichen Dienstmädchen Mary Stempel daß nur diese Rolle ihr besonders gut lag und daß wurde ein Theebrett auf den Tisch gestellt, welcher sie sich in andere garnicht geschickt hätte, denn sie den einzigen Fehler hatte, nicht vorhanden zu sein. brauchte ja eigentlich nur in den reichen Schaß unserer Daß hierbei eine Champagner vulgo Limonaden­Erlebnisse zu greifen, nur ein wenig aus unserem flasche und zwei Kristallpokale vulgo Trinkgläser Liebesleben zu plaudern, und die Grethe Fischer", den Weg alles irdischen Glückes gingen, war doch stand greifbar da.

-

nur eine Schelmerei des Zufalls.