Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
95
Grlöſung über sie. Ihr Spiel wurde frei, ihr Lachen Weber den Ursprung des Quells. befestigte sich die Duelſuuſitte. Von dieser Draht
-
-
ungezwungen, die ganze Figur schien aufzuleben und ihre höchste Lebenskraft zu entfalten. Und als sie ihm den ersten Ruß gab, war es nicht mehr zu glauben, daß man dieselbe vor sich hätte, wie vorhin. Ihr Spiel wurde von Minute zu Minute natürlicher, sie lachte und füßte, füßte und lachte, und plößlich nein, das war fein Spiel mehr, das war Wahrheit! Wahrheit! fonnte kein Spiel ſein lag sie in seinen Armen. Ich sah, wie ihre Augen halb geschlossen waren, wie sie bebte und zitterte wie damals! Aber die Lider erhoben sich nicht, Eugen rann ein dicker Blutstropfen über bas Kinn; seine Partnerin hatte ihn in die Lippen gebissen. Ich ließ den Vorhang fallen. Man rief nach Wasser, aber keiner dachte daran, etwas heran zu bringen. Da nahm Eugen, welcher sich wieder gefaßt hatte, Lies wie ein kleines Kind auf den Arm und trug sie fort., Als er sie aufhob, öffnete sie die Augen und sah ihn an, und dieser Blick sagte mir, daß Lies von heut an nicht mehr zu mir, sondern zu Jenem gehörte. Draußen aber brüllte, flatschte nnd jubelte das Publikum und rief wie wahnfinnig nach den Darstellern, denn es dachte ja, das Stück wäre so eingerichtet, daß der Vorhang unbedingt hier fallen müsse. Wie die Vorstellung weiter verlief, weiß ich heute nicht mehr, ich weiß nur, daß Lies mich weinend bat, ich solle von ihr nie etwas Schlechtes denken und sie könne nicht anders.
Die jetzt kommende Zeit war für mich mit die schwerste meines Lebens. Ich hätte nie gedacht, daß in mir eine Leidenschaft so tief wurzeln könne. Meine Mutter zergrämte sich schier, wie schlecht ich aus sähe, warum ich fast garnichts äße und Abend für Abend zu Hause bliebe, ohne mit Jemand ein Wort zu reden oder nur irgend eine Beschäftigung vorzunehmen. Aber trotz all ihrem Mitleid und all ihrem Zureden gelang es ihr nicht, den Grund zu erfahren. Sie begann, mich wie einen Kranken mit äußerster Schonung zu behandeln, mir Alles aus dem Weg zu räumen, was irgendwie für mich störend war. Es wäre mir ja auch ein Leichtes gewesen, Lies wieder an mich zu ziehen. Ich glaube, es hätte nur eines Wortes bedurft. Aber grade dieses eine Wort sprach ich nicht; denn eigentlich fühlte ich mich glücklich, endlich frei und dem Zwange entronnen zu sein; ich begann auch langsam geistig wieder aufzuleben, indem ich mich allen banalen Vergnügungen fern hielt; aber in schlaflosen Nächten schrie ich fast vor Sehnsucht nach ihr, und stand stets mit dem festen Vorsaz auf, heute das Machtwort zu sprechen, von heute an unser Verhältniß wieder das alte sein zu lassen; und doch, eine ungewisse Furcht hielt mich davon ab, eine ungewisse Furcht, die sich endlich bis zur offenen Abneigung steigerte. Denn so wie Lies meinen leidenden Händen entronnen, so waren auch all die zarten und feinen Regungen ihrer Natur verschwunden und das von den Eltern ererbte unfeine, jener mir unerklärliche Zug drückte dem Gesicht, den Bewegungen und dem Wesen seinen Stempel auf, überwucherte das Gute an ihr, wie Disteln die Haferſaat. Möglich auch, daß sie aus Troß, grade in meiner Gegenwart, diese Seite des Charakters nach außen kehrte. Nur einmal, als ich sie still beob= achtete, sah ich, wie ihre Augen mit Thränen gefüllt waren und sie fortgesezt verstohlen zu mir herüberblickte. Ich that, als ob mich diese Blicke nichts angingen und vertiefte mich in meine Arbeit.-
Soviel ich mir aber auch Mühe gab, die Fehler, welche Lies im Geschäft machte, zu vertuschen, ja theilweise dieselben auf meine eigene Kappe zu nehmen, so war es mir doch oft nicht möglich, sie vor Verweisen zu schüßen, ja, man drohte ihr sogar, falls ihre Arbeit nicht eine torreftere würde, müsse man sie unbedingt aus dem Geschäft entlassen, und es bangte mir aufrichtig um ihre Zukunft! ( Fortsetzung folgt.)
Von Manfred Wittich.
' n einer Reihe von schönen Arbeiten über die Geschichte des Duellwesens( oder besser Duell unwesens) hat Professor v. Below so gründ= lich als nur möglich dargelegt, daß besagter grober Unfug durchaus nicht, wie noch fortwährend bis zum Efel gepredigt wird, echt altdeutschen Ursprungs, eine edle Vorväter- Sitte ist, erwachsen aus dem echt germanischen Ehrbegriff. Mit seiner Ableitung aus den mittelalterlichen Einrichtungen des gerichtlichen Zweikampfes, der Fehde und des Turniers ist es nichts, wie v. Below überzeugend nachgewiesen hat.
Woher stammt nun aber das moderne Duell in Wirklichkeit? Im Lande des Don Quirote, des Ritters von der traurigen Gestalt,„ dem das Gehirn ausgetrocknet war," wie Cervantes sich ausdrückt, in Spanien ist es zuerst geschichtlich nachweisbar. in Spanien ist es zuerst geschichtlich nachweisbar. Kennzeichnend ist es übrigens, daß diese ersten Erwähnungen( von 1473 und 1480) Duellverbote sind, welche das Provinzialkonzil von Oranda und ein König von Kastilien erließen. Spanien , das Land des steifsten Zeremoniells und des dünkelhaftesten Ritter- und Adelstolzes, als Heimath des Duells anzunehmen, empfiehlt sich ganz besonders.
Nicht ohne starken Hohn weist v. Below darauf hin, daß auch bei den Botokuden und Indianern die ritterliche Uebung des Duells oder doch ganz entsprechende Landesbräuche sich nachweisen lassen. Beim Verkehr mit den Letzteren konnten die Landsleute Don Quixotes sich besonders angeheimelt fühlen, wie denn auch Gneist darauf hingewiesen hat, daß in Louisiana das Duell einen Beigeschmack indianischer Sitten habe".
"
Welche Antriebe der Volksfitte, den sozialen Anschauungen und religiösen Vorstellungen bei jenen Wilden" die duellähnlichen Einrichtungen ins Leben riefen, lassen wir hier unerörtet, wiewohl die neuere Völkerkunde uns, wie in so vielen kulturgeschichtlichen Fragen, gewiß interessante Winke geben könnte auch für diesen Punkt.
Bei zwei anderen romanischen Völkern: Italienern und Franzosen , findet sich das Duell ganz bräuchlich im 15. und 16. Jahrhundert, daneben auch eine reichhaltige Literatur darüber. 1509 ging Papst Julius II. , aus dem Hause Rovere, den Karl Grün einen trunksüchtigen Husarengeneral nennt, der also selbst das Soldatenleben genau kannte, gegen die Duelle im Kirchenstaate streng vor und tadelte, daß solche um der geringsten leichten ehrverlegenden Worte willen ausgefochten würden.
Ein anderer italienischer Geistlicher, Luthers Gegenpart, der Kardinal Cajetan ( † 1534), schreibt in seiner Erläuterung der Summa theologiae de Thomas von Aquino , das Duell gelte viel bei den Narren( apud idiotas), nichts bei den Weisen; eine Anmerkung läßt aber den Schluß zu, daß das Duell sehr verbreitet und die Mehrzahl seiner Landsleute in dieser Beziehung Idioten gewesen sein müssen.
Der angesehene italienische Jurist Alciati( 1492 bis 1556) schrieb ein Rechtsgutachten und ein besonderes Buch über das Duell und bemerkt unter Anderem, daß einige italienische Fürsten dasselbe ge= statteten, zu denen er die französischen Herrscher in Gegensatz ſtellt.
Aber gerade in Frankreich herrschte bald eine förmliche Duellwuthseuche. Französische Könige, unter ihnen der Haudegen Franz I. , hatten ihr Vergnügen daran, Duellen zuzusehen. Mit dem Faullenzerleben der Herren Duellanten bringt( 1835) ein französischer Schriftsteller Fougerour de Campinolles Entstehung und Verbreitung des Duells in 3usammenhang, indem er sie als Zeitvertreib( passetemps) bezeichnet, und der polnische Historifer Lelewel betrachtet als ihren Mutterboden den Müssig gang; ausdrücklich hebt er hervor, man habe sich mehr unter Napoleon als unter den Russen, und vornehmlich unter den sittenlosen Emigranten, den Vornehmen, welche vor der französischen Revolution ins Ausland flohen, duellirt.
Gerade unter den erbärmlichsten Herrschern Frank reichs , namentlich unter dem traurigen Seinrich III.,
puppe auf dem Throne sagt der französische Historiker Martin:„ Die Duellwuth nahm immer mehr zu" bei den Adeligen seit der Regierung Heinrichs III., der, besessen von einer weibischen Gier nach ficberhaften Erregungen, seine Gunst nur an Duellanten verschenkte. Der Zweikampf war zu einer Art epidemischer Tollwuth geworden. Man schlug sich aus den nichtigsten Gründen und selbst ohne solche, einzig um seinen Muth und seine Geschicklichkeit zu zeigen. v. Below fügt dem noch die Bemerkung bei: Duell und Meuchelmord schließen sich gegenseitig keineswegs aus! Man darf im Gegentheil behaupten, daß da, wo das Duell blüht, im Allgemeinen auch der Meuchelmord blüht.. und Heinrich III., der das Duell schüßt und pflegt, ist zugleich einer berüchtigsten Meuchelmörder."
"
Unter Heinrichs Nachfolger rechnet man auf zwei Todesfälle beim damaligen französischen Adel einen Duelltod. Der philosophische Schriftsteller Montaigne sagte damals:" Seßt drei Franzosen in der lybischen Wüste aus, sie werden keinen Monat zusammen leben, ohne sich zu raufen und zu fragen."
Und während der achtjährigen Minderjährigkeit Ludwigs XIV. hat man berechnet, daß viertausend Mitglieder der damaligen französischen Adeligen im Duell fielen. Es gehörte ja zum guten Ton und zur adeligen Lebensführung, möglichst viele Duelle auszufechten, es galt für standesgemäß und ehrenvoll für den Krieger und vornehmlich für den Edelmann in den Ländern romanischer Zunge.
Daß von dorther das Duell nach Deutschland kam, ergeben auch die Formen wie die Kunstausdrücke des Duellwesens bei uns Deutschen .
Die Vertheidiger des deutschen Ursprungs des Duells können vor der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts keinen quellenmäßigen Beleg beibringen, behaupten aber doch, am Ausgang des Mittelalters und besonders zu Zeiten mangelnder Gelegenheit zur Bethätigung friegerischer Tapferkeit und beim Aufhören der mittelalterlichen Rechtseinrichtungen des gerichtlichen Zweikampfes und des Fehdewesens durch den Landfrieden und durch Einführung des römischen Rechtes habe altgermanische Rechtsanschauung und altgermanische Kampflust in den Kreisen der Edelsten und Besten der Nation noch ihre Stüße in dem Duell gefunden.
In Wahrheit aber hat es nirgends zu den Zeiten, in denen das Duell besonders in Flor stand, an kriegerischen Vorgängen gefehlt. Im Gegentheil ist sicher anzunehmen, daß die in Kriegen wild aufwuchernde Verrohung geradezu der günstigste Boden für den Duellwahnsinn gewesen ist, den die spezifischen Kriegerstände als Standeskennzeichen auch zu Friedenszeiten beibehielten.
-
Eine sicher ganz wesentliche Förderung erfuhr das Duellwesen in Deutschland ebenso wie in seinem Mutterland oder wenn es in Spanien , Italien und Frankreich sich in jedem Lande selbstständig entwickelt haben sollte: in seinen Mutterländern durch die Auflösung des mittelalterlichen Heerbannes und die Einführung der Söldnerheere.
Für das deutsche Kriegswesen kommen hier vor= nehmlich in Betracht die schweizerischen Reisläufer" und die, frummen" Landsknechte, bei denen wir einen Augenblick verweilen müssen, weil ein solches Söldnerheer in der That sozusagen einen Staat im Staate bildete.
"
Ein amt und pflichtmäßiger Sachkenner, der königlich bayerische Oberstabsauditeur und Richter am Militärbezirksgericht Würzburg, sagt über diesen Gegenstand:„ Die für ihre Person ungebundenen deutschen Bauers- und Bürgersleute vom Pflug oder der Werkstätte auch unter die fürstlichen Fahnen zu stellen, gelang nur dadurch, daß man ihnen eine Rechtsverfassung gab, die von Ursprung an eine freie, gesetzliche, durch altes, aus verwandten Instituten entlehntes Herkommen geheiligte war, zu= gleich aber den Besonderheiten des Kriegslebens, wie insbesondere dem Standesstolze wie dem start kameradschaftlichen Wesen des persön= lich sich hoch fühlenden Landsknechts Rechnung trug."
Doch schon vor der Erfindung" der Lands
"