Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Tode aufgezogen hatte wie ihr eigenes Kind, die ihn geliebt hatte wie ein solches, die für ihn ge= storben wäre. ,, Grüß die Dore!" und für Jochen feinen Gruß, faum ein freundliches Wort. Zwar die tausend Thaler! Aber um deretwillen verlor er die Heimath, mußte auch er hinauswandern in die Ferne, in die falte, glück und ruhelose Fremde. Armer Jochen! Armer Hinausgestoßener! Armer David!
Und ein neuer Thränenstrom brach aus den alten Augen, und der Gram um zwei Menschen furchte die Falten ihrer Stirn noch tiefer.
( Fortsetzung folgt.)
ehe man die Lebensthätigkeit oder vielmehr die Folgen derselben, die Veränderungen durch dieselben im menschlichen Körper genauer zu studiren im Stande war. So ließe sich noch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten aufstellen, mit denen der Bakteriologe zu arbeiten gezwungen ist. Nun erst wird der Laie begreifen, warum die Medizin verhältnißmäßig lang sam nur Fortschritte zu verzeichnen hat, nun erst wird er aber auch staunend den Erfolgen gegenüber stehen, welche die Bakteriologie bisher zu bieten vermochte. Haben wir uns doch eine neue Welt er= schlossen, von denen vergangene Jahrhunderte nicht einmal träumen konnten. Wir haben unserer Naturerfenntniß ein neues Kapitel hinzugefügt. Bisher kannten wir nur von den Lebewesen die großen Reiche der Säugethiere, Vögel, Fische, Amphibien, Insekten,
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Faden unseres Strumpfes, und mit diesen Gegenständen gelangen sie in den mit ihnen hantirenden Finger oder eine geringfügige Fußwunde, dort eine Blutvergiftung oder ein Geschwür verursachend. Würden wir z. B. solch eine Nadel vorher in einer Flamme glühen und damit die etwa anhaftenden Pilze tödten, wir könnten sie uns nach der Abkühlung hundertmal tief ins Fleisch stechen, die Wunde schlösse sich jedesmal ohne jede böse Folge.
Was es aber heißt, ein solcher Pilz ist allgemein verbreitet, mag man darans ersehen, dab in jedem Kubikzentimeter Wasser von der Straße, in jedem Rubikzentimeter Erde oder Staub, unter jedem Fingernagel Hunderttausende von ihnen lanern, um im gegebenen Augenblicke ihre verheerende Thätig= feit zu entfalten. Dazu vermehren sie sich in einer
Kleine Lebewesen als Krankheitserzeuger. Würmer auf der einen Seite, muid auf der anderen Weiſe, daß die sogenannte Starnidelwirthschaft das
Von Dr. med. Friedrich Große- Leipzig.
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n Nummer 52 des vorigen Jahrganges behandelte Heinrich Vogel„ Die Bedeutung der fleinsten Lebewesen" im Allgemeinen. Er berührte dabei auch den Einfluß derselben auf die Gesundheit des Menschen. Im Folgenden wollen wir uns mit diesem Thema etwas näher befassen. Es giebt nämlich der kleinen Lebewesen- Bakterien, Spaltpilze, wie ihr naturwissenschaftlicher Name ist sehr viele Sorten oder Arten. Gerade so wie es Tausende von Arten von Säugethieren, Vögeln, Insekten und Pflanzen giebt, so auch viele, noch ungezählte Arten Spaltpilze. Sie unterscheiden sich voneinander in allen möglichen Eigenschaften und Fähigkeiten, genau so wie ein Pferd vom Fuchs oder ein Apfelbaum vom Klee. Ja noch mehr! Wie es viele Sorten Klee , viele Sorten Pferde man giebt, so haben auch einzelne sagt da Rassen Bafferienarten ihre Rassen. Die eine ist giftiger als die andere oder dergleichen mehr, aber sie sind doch nur verschiedene Rassen einer Spezies, weil aus der ungiftigeren eine giftigere entstehen kann, wenn die Lebensbedingungen sich ändern. Diese zu er= forschen ist die Aufgabe der Bakteriologie, einer sich in letzter Zeit mehr und mehr entwickelnden Spezia lität der naturwissenschaftlichen und medizinischen Forschung. Der Bakteriologe( Spaltpilzforscher) ver mag die einzelnen Arten und Rassen auseinander zu halten, wie der Thierzüchter seine Thiere. Er weiß, welche Nahrung, welche Temperatur für jede Sorte die beste ist, wie schnell sie sich entwickelt, unter welchen Umständen sie am schnellsten abstirbt; er sucht weiter ihre Stoffwechselprodukte zu erforschen. Schon in dem früheren Auffaß war von Torinen, d. h. Giften, dic Rede, die bei der Lebensthätigkeit der Bakterien entstanden. Genau nämlich, wie der Mensch, der Hund seinen Harn, seinen Roth, seine Athemluft usw. abgiebt, so die Bakterien ihre Torine. Gerade so auch, wie der Harn oder Schweiß des Hundes, Pferdes oder Menschen nicht ganz gleich ist an Geruch, Farbe oder sonstigen Eigenschaften, so find auch die Torine der vielen Bakterienarten verschieden.
Man sieht, eine ganze Wissenschaft für sich, von der sich der Laie kaum einen Begriff machen kann. Sie ist ein Ergebniß der Schaffensfreudigkeit ungezählter Gelehrter der letzten 40 bis 50 Jahre, also verhältnißmäßig noch jüngeren Datums, wenn man die alten Wissenschaften der Physik, der Chemie, der Astronomie zum Vergleiche heranzieht, die meist mehrere Jahrhunderte alt sind. Ja unsere Bakteriologie war überhaupt erst möglich, nachdem eine Anzahl alter Wissenszweige eine gewisse Reife erhalten. Man bedurfte zunächst des Mikroskopes, eines Apparates, mit dem man bis zu mehreren tausend Malen ver größern kann, denn Bakterien sieht man überhaupt erst bei annähernd tausendfacher Vergrößerung. Sind sie doch so klein, daß meist mehrere Tausend, eng nebeneinander gelegt, einen Millimeter ausmachen. Weiterhin waren die neuen Farben der chemischen Industrie nothwendig, da man die Bakterien genau, in ihren Einzelheiten, nur zu erkennen vermag nach vorausgehender Färbung. Ferner mußte uns die Technik erst schneidende Apparate liefern, mit denen man Schnitte, wie Brotschnitten, aber von nur 1 mehrere Tausen stel Millimeter Dicke ferftef'en fennte,
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das der Pflanzen. Unsere Bakteriologie hat ein neues, zu dem eben die Spaltpilze gehören, dazwischen eingeschoben.
Sämmtliche Reiche liefern Arten, die dem Menschen gefährlich werden können. Es besteht eben der Kampf ums Dasein, der Trieb, sich zu erhalten und Nahrung zu suchen, unbekümmert um das Wohl und Wehe der Anderen, zwischen Allen. Aus dem Reiche der Aus dem Reiche der Säugethiere nenne ich die großen Naubthiere, Tiger, Löwe 2c., aus dem der Würmer die Trichine usw. Der Leser wird bei einigem Nachdenken selbst weitere Beispiele in Menge finden.
Daß auch das große Reich der Spaltpilze Arten aufweist, die den Menschen an den Kragen gehen, war eigentlich im Voraus zu vermuthen. Und in der That sucht sich eine ganze Reihe von ihnen ihr Brot auf und im Körper desselben: sind doch die später folgenden Krankheiten nichts anderes als der Ausdruck des Kampfes eines Menschen mit den in ihn eingedrungenen Bakterien, in dem einer von beiden mit unerbittlicher Strenge unterliegen muß.
Zwar sind nicht alle Bakterien für uns und andere Lebewesen gefährlich, nicht alle sind pathogen, d. h. krankheiterzeugend. Eine große Anzahl ist für d. h. frankheiterzeugend. Eine große Anzahl ist für uns ganz harmlos: viele von ihnen haben wir sogar genau wie Rind, Schaf, Esel, Gaus zu Hausthieren gemacht, uns allerlei Dienste zu leisten. Die Bafterien ziehen zwar feinen Pflug, auch spielen sie nicht Droschkengaul, noch werden sie als Gänsepastete oder Schlachtvich verkauft. Aber sie fabriziren uns aus Kartoffeln den Spiritus, aus Most den Wein, aus Malz das Bier, die faure Milch, den Käse, das Sauerkraut und noch eine endlose Reihe anderer Produkte mehr; doch gewiß keine geringeren Dienste.
Noch eine zweite Reihe von ihnen ist zwar für uns nicht gefährlich, für den Menschen nicht pathogen, wohl aber für andere Lebewesen; etwa so, wie ja auch die Spinnen für uns nicht, wohl aber für die Fliegen todbringend sind. Es hat jedes Lebewesen unter ihnen einen Todfeind. So giebt es Pilze für besondere Thierkrankheiten, die dem Menschen absolut besondere Thierkrankheiten, die dem Menschen absolut unschädlich sind: bei der Maus die Mäusesepticämie, der Schweinerothlauf, die Hühnercholera, die Tauben diphtherie, die Rindersenche, die Entencholera, der Rauschbrand usw., die mit den gleichlautenden Uebeln beim Menschen nichts gemein haben.
Dann giebt es weiter eine Anzahl Spaltpilze, die Menschen und Thieren gleich verderbenbringend sind, und endlich solche, die nur den Menschen, ausschließlich oder doch zur Hauptsache, heimsuchen.
Diese sind zum Theil allgemein verbreitet, d. h. fie finden sich mehr oder minder zahlreich vertreten sie finden sich mehr oder minder zahlreich vertreten in Erde, Luft und Wasser, sowie auf allen möglichen Gegenständen. Dahin gehört z. B. der oder vielmehr Gegenständen. Dahin gehört z. B. der oder vielmehr die Pilze, da es mehrere Sorten sind, welche die Eiterung in jeder Form verursachen. Bei fast allen Eiterung in jeder Form verursachen. Bei fast allen Eiterungen, mag diese nun in einer Wunde, auf einer Mandel im Rachen, in einer franken Lunge, in einer Niere bei der Entzündung derselben, der Blase, der Scheide, der Harnröhre oder, weiß der Blase, der Scheide, der Harnröhre oder, weiß der Bakteriologe, sonst wo ſizen, treffen wir unsere streptokoccus und staphylokoccus getauften Gitererreger. Diese lassen sich also massenhaft aus dem Wasser z. B. oder von beliebigen Gegenständen heruntersuchen. So können sie heimtückisch an einem Splitter sitzen, oder einer Naselspite, oder an einem
reine Kinderspiel ist. In etwa 20 Minuten sind unter günstigen Bedingunge durch Vermehrung aus einent Pilz 2 geworden, n 40 Minuten 4, in 60 Minuten 16, in 80 Minuten 32 usw., in 3 Stunden 8192; so formen in 1 bis 2 Tagen Millionen und Milliarden heraus, die vereint das gefürchtete Bi'd etuer Blutvergiftung bewirken. Daß sie außerorden.ich verstandsfähig sind, erhöht ihre Bedeutung noch mehr. Hören nämlich ihre Eristenzbedingungen auf, nun, sie verhungern nicht, sondern fasten einfach, bis sie, sofern sie nicht durch für sie giftige Stoffe oder durch zu große Hize, Kälte, Trockenheit abgetödtet werden, wieder in eine bessere Lage kommen: Fähigkeiten, die selbst der idealste Proletarier noch nicht erworben hat.
Andere Sorten der Bakterien finden sich nur zeitweise in größerer Anzahl an einem bestimmten Orte vor, von wo aus sie dann gewissermaßen zum Sturm mit Volldampf voraus auf die sündige Menschheit losgehen. Sie müssen dahin verschleppt werden, oder können nur unter günstigen Verhältnissen aus ihrem Schlupfwinkel, aus ihrer Ruhestatt auffliegen, sei es, daß die Feuchtigkeit eine für sie gerade günstige ist, oder die Trockenheit, oder die Wärme, oder sonst ein vielfach noch unbekannter Umstand. Hier wären zu nennen die Pilze der Cholera, Diphtherie, des kalten Fiebers, Typhus , der Jufluenza und so fort. Alle diese Krankheiten haben, das ist eine unumstoßbare Errungenschaft der Bakteriologie, einen ganz bestimmten Pilz. Der Diphtheriepilz fann nie und nimmer Cholera oder Typhus machen, ebensowenig wie auf einem Ochsen Schafwolle entstehen, oder an einer Distel Birnen wachsen können.
Es gehört also eine bestimmte Sorte Pilze zu jeder Krankheit, aber zum Glück vermag noch nicht ein solcher Pilz in jedem Falle, wo er mit dem Menschen in Berührung kommt, die zu ihm gehörende Krankheit zu erzeugen. Zum Glück, wohlgemerkt, denn sonst wären der Krankheiten und Leiden noch unsäglich viel mehr. Es ist zum Zustandekommen einer Krankheit viel mehr noch nothwendig, daß der Pilz auch auf dem Menschen gedeihen, d. h. sich fortentwickeln kann. Das läßt sich aber der Störper nicht immer gefallen. Es entspinnt sich vielmehr der Kampf um das Dasein. Nur wird er nicht mit muskelkräftigen Armen, wie dem Raubthier gegenüber, oder mit schnelllaufenden Beinen, oder mit scharfem Zahn und Nagel ausgefochten; denn wie sollte er so dem unsichtbaren Feind beikommen können, der nicht zu sehen, nicht zu fühlen, nicht zu riechen, noch zu hören ist, der sich mit einer idealen Tarnkappe verhüllt, aller Anstandsregeln spottend heranschleicht? Nein, hier müssen die Waffen andere sein. Es sind die Körpersäfte in erster Linie. Unser Körper wird nämlich gleichmäßig von einem Saft durchträuft, aus dem wir zu 30 bis 50 Prozent unseres Gewichtes bestehen; in ihm sind bestimmte Stoffe, auch die Nährstoffe, aufgelöst enthalten. Innerhalb der Blutgefäße nennen wir diese Flüssigfeit Blutwasser oder Serum, innerhalb und außerhalb der Lymphbahnen Lymphe, oder einfach Gewebsflüssigkeit. Sie vermag eine große Reihe von Bakterien zu tödten, so daß diese sich nicht vermehren und zur Krankheit führen können, denn eine kleine Anzahl von ihnen vermag uns nichts anzuhaben. In weiter Linie kommen kleinste Körperchen aus dem Blut in Betracht: die sogenannten weißen Blutkörperchen.