Die Berjüngung der Städte.

( Schluß.)

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Von Hans Isarius.

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

ergleichen wir nun unsere Kulturverhältnisse

mit denen fast aller früheren Zeiten, so zeigen sich im Interesse des städtischen Lebens, ab­gesehen von den schon erwähnten Fortschritten über haupt, namentlich drei große Unterschiede. Erstens ist die Sicherheit des Lebens gegen früher so sehr gewachsen, daß die ängstliche Enge der Städte und damit auch der schroffe Gegensatz zwischen Städter und Landmann immer unbegründeter wird. Zweitens ist die Uebermacht der Fürsten , des Staates und der Priesterschaft in einer Weise gesunken, die nicht nur den radikalen Politiker, sondern auch den Vertreter dieser Mächte selbst veranlaßt, auf die Beschränktheit ihrer Kräfte hinzuweisen. Dies drückt sich in den Städten u. A. dadurch aus, daß sie in der Neuzeit lange nicht so sehr wie im Mittelalter und Alterthum durch fürstliche, staatliche und religiöse Bauten ge= kennzeichnet sind. Endlich drittens der wohl wenigst beachtete, aber vielleicht wichtigste Unterschied unseres Lebens gegen früher: die Trennung der Wohn- und Arbeitsstätten. Für den Städtebau dürfte dies das mächtigste Prinzip der Umformung sein.

Aus den genannten drei Unterschieden ergeben sich nun folgende Anforderungen an die Gestalt der Städte. Die erreichte Sicherheit des Lebens im Verein mit der modernen Kriegstechnik ermöglicht es, den quantitativen Ansprüchen an die Städte durch Verzicht auf die Mauern und auf neuere Umschließungen gerecht zu werden:" Sprengung der Gürtel". Das Sinfen der Fürstenmacht, wie der Staats- und Kirchenmacht ergiebt eine Erhöhung der an die Pri­vaten, kurz an das Volt, gestellten Ansprüche; es muß Raum für ein selbstständiges Wohnen, Arbeits­treiben und Anderes geschaffen werden. Die Trennung dieser beiden Thätigkeiten endlich verlangt nicht nur mehr Raum überhaupt, sondern auch mehr Unterschied in der Beschaffenheit der Stadttheile. Und alle diese drei Prinzipien zusammen brechen das, was fast sämmtlichen bisherigen Stadtformen gemeinsam war: die einheitliche Konzentrirung auf die Stadtmitte. Nicht nur die Staaten streben( mehr als es scheint und als es gut scheint) nach Dezentralisirung; auch die Städte verlangen eine Unabhängigkeit von ihrer Metropole, von dem Zentralfern" oder der" City", also eine Mehrzahl städtischer Zentren, überhaupt eine Zerstreuung der Knotenpunkte".

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Mit diesen Anforderungen hätten wir das Ideal eines neuen, achten Stadttypus vorbereitet; fragt sich nun, wie weit ihm die übrigen Thatsachen ent­sprechen.

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Die Sprengung der Gürtel", ist so gut wie überall( auch in orientalischen Städten, wie Teheran ) geschehen, und mit ihr haben die vielberufenen Stadt­erweiterungen" begonnen. Die Vorstädte wurden dem Kern angegliedert und erweitert, die Vororte werden allmälig ebenso behandelt, kurz die Stadtgrenzen immer mehr ausgedehnt. An dieser äußeren" Stadterwei­terung fehlt es im Allgemeinen nicht. Nun verlangen aber die veränderten Verhältnisse auch eine innere" Stadterweiterung, eine Lockerung des innen Zu­sammengepreßten. Der Verkehr fordert eine Ver­größerung der gesammten Straßenfläche, die hygieni­schen und sozialen Zustände verlangen ein weit räumiges" Bauen, ein Abgehen von der geschlossenen" Bauweise früherer Zeiten. Diese innere" Stadt­erweiterung ist seit Langem das Schmerzenskind unserer Großstädte. Ein allgemeines Gefühl und Bewußtsein von der Dringlichkeit energischer Durch­brüche, und immer wieder das Scheitern fast aller Bemühungen an einer ganzen Menge von materiellen und geistigen Hindernissen.

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Der Uebergang von fürstlicher, staatlicher und firchlicher Vormacht zu der des privaten Treibens in Industrie, Handel, Kunst, Hausleben usw., hat bereits thatsächlich die privaten Arbeits-, Unter­haltungs-, Wohnungs- und andere Anlagen über die fürstlichen, staatlichen und kirchlichen hinauswachsen lassen. Das geschwächte Eigenleben der hier noch wal­tenden Mächte, gestützt durch ihr weniger geschwächtes Ansehen, benimmt ihren Anlagen die lokale leber­

macht mit allen dadurch ermöglichten Vortheilen für die Stadt und die künstlerische Selbstständigkeit; sie haben keinen eigenen Stil mehr und leben von ver­gangener Kunst. Ihr Ersatz, die privaten Bauten, haben noch keinen eigenen Stil und haben unter der Abhängigkeit von ihren Nüßlichkeitszwecken wenig Gelegenheit zu Rücksichten auf das Ganze. Ueberall Kompromisse wegen Raummangels und wegen des Aufeinandersizens der verschiedensten Interessen.

Denn am schwersten drückt wohl der Mangel einer Durchführung des dritten Punktes, des Unter­schieds in der Beschaffenheit der Stadttheile, und einer Durchführung der Dezentralisation. Selbst die Hausfrauen wissen über die Vernachlässigung der äußeren Stadttheile, über die Abhängigkeit von dem einen Zentrum auch in den Einkäufen usw. zu flagen. Derlei Dinge sind wichtiger als Straßen­verbreiterungen, Domfreiheiten und Ausknobelungen eines der historischen Stile für die neueste Kirche eines der historischen Stile für die neueste Kirche oder Rathsstube. Ein dunkles Gefühl hat ja bereits angebahut, was noth thut, und hat wenigstens die äußere" Stadterweiterung sammt einigen ihrer Folgebedingungen, z. B. der Hebung des Stadt- und Vororteverkehrs, gefördert. Aber noch fehlt die Aber noch fehlt die Hauptsache: die Einsicht in das Wesen des heutigen Hauptsache: die Einsicht in das Wesen des heutigen Umwandlungsprozesses der Städte, durch den sie sich aus altgewordenen Vertretern des vorletzten Typus zu frischen Zeugen des zunächst letzten Typus ver= jüngen und diese Verjüngung um so schneller und unschädlicher durchmachen werden, je deutlicher sie unschädlicher durchmachen werden, je deutlicher sie erkannt und begünstigt wird.

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Um es furz zusammenzufassen: Wir müssen und fönnen den Kern der Stadt auf alles das beschränken, was unbedingt hingehört, auf das zentrale Ver­waltungs- und Geschäftsleben. Wir müssen als Gegenstück dazu alle äußeren Theile so ausstatten, daß sie für sämmtliche Bedürfnisse ausreichen, die von der Stadtmitte irgendwie ablösbar sind. Wir brauchen hier neben Fabrikgegenden, die allein schon den Zug nach außen zeigen können, städtisch vollkommene Wohnungen, gruppirt um Zentren zweiten Nanges, die uns bieten, so viel nur möglich. Diese Wohnungen müssen und können aber nicht nur aller Vorzüge städtischer Kultur voll, sondern auch aller ihrer Nachtheile frei sein und das Ideal des länd­lichen Einfamilienhauses anstreben. Wir müssen und können diese kleineren Zentren durch Haupt­verkehrsadern" mit dem einen Hauptzentrumt ver­binden, die garnicht übermäßig breit und genau gerade zu sein, sich hingegen umsomehr durch ihre genügende Anzahl gegenseitig zu ergänzen haben. Wir brauchen endlich die bequemsten und billigsten Fahrgelegenheiten zwischen drinnen und draußen und schließlich einen Verzicht auf die Mittagsruhe der deutschen Arbeitszeit.

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Bemühen wir uns in diesen Richtungen weiter, dann werden auch von selbst die kunsttödtenden künft­lichen Geometrien unseres Straßenbaues überflüssig werden; dem Kunstjammer unseres Städtebaues werden wenigstens feine praktischen Erwägungen" mehr gegenüberstehen; und will uns das Schicksal wohl, so fallen uns als Schlußtriumph der gegen­wärtigen Verjüngung der Städte nicht nur eine soziale und politische Ausgleichung zwischen Stadt und Land, sondern auch noch zwei neue Bauſtile in den Schooß: der des freien Wohnhäuschens und der des geschlossenen oder auch gastfreien Geschäfts­palastes.

( Schluß.)

Spielkinder.

Roman von Georg Hermann .

alter hatte mir ruhig und aufmerksam zu­gehört.

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Sooo! Jetzt verstehe ich vieles," sagte er, als ich geendet hatte. Also, Du bist es! Du warst es! O, wenn Du wüßtest, wie grenzenlos eifersüchtig ich auf Dich war. Stets hat mir das Mädchen gesagt, daß sie nur Einen liebt, und der wäre jest nicht hier, aber sie wisse liebt, und der wäre jetzt nicht hier, aber sie wisse es bestimmt, er würde noch einmal zu ihr zurück­

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kommen. Alle anderen Männer würden ihr mehr oder weniger gleichgültig bleiben, und sie betrachte sie nur als Spielzeug. Ich sage Dir, Georg, fast zur Verzweiflung hat sie mich damit gebracht.- Na, die Sache ist ja vorbei.

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Also, Georg, wieviel brauchst Du für Lies? Dreitausend fürs Erste?"

Lies"?

Ich sah ihn erstaunt an. Aber, Walter, wo Du schon so viel durch das Mädchen verloren hast!" ,, Also, wenn es nicht genug, dann viertausend. Wo soll sie denn hin? Nach Arco?"

,, Nein, Walter! Ich kann es nicht von Dir annehmen, es geht nicht."

Papperlapapp, Quatschkopf!!"

Aber, Walter, wo Dich das Mädchen schon so viel gekostet hat! Wo Du nichts wie Ungelegen= heiten von ihr gehabt hast!"

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Die Sache ist verschmerzt, habe ich Dir schon mal gesagt, Georg."

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,, Und, Walter, ich kann ja Lies auch nicht ins Herz gucken. Wer sagt denn, daß sie es wirklich so meint?"

" Ich!!" unterbrach mich Walter heftig, denn ich kenne sie, ich weiß, wie sie an Dir gehangen hat, ich weiß, wie sie Nächte lang nach Dir geweint hat, wenn sie mit mir zusammen war. Später wurde sie gleichgültiger und gleichgültiger. Ich habe sie noch lange beobachtet, wie wir schon auseinander waren. Auf Schritt und Tritt bin ich ihr heimlich gefolgt, habe gesehen, wie sie von Stufe zu Stufe gesunken ist. Ich kenne sie vielleicht besser als Du. Ich weiß, an dem Weib ist nichts Falsches. Nicht freiwillig ist sie diesen Weg gegangen, da war ein Anderer dran schuld."

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Wer?"

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Eugen Salle, der Lump!" ,, Weißt Du das gewiß?"

Ja, denn glaubst Du, Du hast mir vorhin etwas Neues erzählt? Ich habe den Menschen ganz genau beobachtet. Ich weiß, wie es fam. Erst hatte er feine Stellung, er fand keine, und die Mutter gab ihm Geld, und dann wollte er keine finden, und die Mutter gab ihm nichts mehr; er hätte sogar ins Ausland gehen können, nach Odessa an eine Bant, aber er thats nicht, und dann begann er sich von Lies, die einen reichen Freund hatte, Geld aus­zuborgen, und dann Schritt für Schritt hat er sie gedrängt, der Lump!"

Ich habe Eugen bis heute nicht für schlecht, sondern für leichtsinnig gehalten. Er war doch eigentlich ein ganz begabter Mensch."

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Da hast Du Dich vollkommen in ihm getäuscht. Er hat nur von jeher die Unverschämtheit gehabt, über Alles das zu reden, von dem er nichts verstand. Ja- alsooo unter einer Be= dingung: Du darfst Lies nicht sagen, daß es von mir kommt; willst Du das Geld für sie nehmen?- Ich schwieg.

Ich bitt Dich darum!-"

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Walter! Es wäre ein Unrecht. Du-

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Er schien meine Gedanken zu errathen. ,, Nein, Georg, das ist vorbei: Thus mir zur Liebe. Nimm das Geld! Es steht jeder Zeit zu Deiner Verfügung."

,, Nun ja, Walter. Sowie es mir möglich ist, gebe ich es Dir zurück. Aber ein paar Jahrzehnte wirst Du schon warten müssen."

" Das eilt nicht," und er lachte.

,, Nein, Walter, Du bist doch ein Prachtker!!" Und Du ein Quatschkopf!" Und er lachte ob dieser scharfsinnigen Beobachtung, daß ihm die Thränen über die Backen liefen.

" Ja, aber was soll nun werden, Walter? Hei­rathen kann ich sie doch nicht! Das wäre ja ein Stück aus dem Tollhaus. Sie ist' ne Dirne! Sie ist todt­frank! Ach, weißt Du, ich glaube, ich werde noch ver­rückt. Ich habe nachgedacht, daß mir die Augen gethränt haben, ich finde keinen Ausweg. Ja, Walter, ich hab sie von Kind an geliebt, ich liebe sie noch heute, genau so, wie früher. Aber ich darfs ihr doch nicht sagen. Heute, wo sie todtfrant ist, wo sie ein Frauen­zimmer ist; ich kanns nicht! Ich kanns nicht!! Ich kann mich nicht mit einem Schlag über all das hinwegseßen. Und wenn sich auch noch Alles zum