Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Zur näheren Erläuterung wollen wir ein Bei­spiel nach einer alt- merikanischen Inschrift mit theilen. Ein bekannter König führte den Namen ,, Itzkoatl", zu deu. sch Messerschlange. Dieser Name wird nun einmal in gewöhnlicher Zeichenschrift durch das Bild einer Schlange wiedergegeben, die auf dent Rücken Steinmesser trägt. An onderer Stelle ist er aber durch folgende Bilderreiye dar­gestellt: über einer messerartigen Waffe ist ein Topf abgebildet und darüber das Zeichen für Wasser an= gebracht. Wollte man nun dieses Bild einfach nach dem Sinn lesen, so erhielte man das Wort: Messer- Topf- Wasser, in Wirklichkeit heißt es aber Itzkoatl, indem nämlich jedes der Zeichen nur nach seinem Lautewerth( Messeritz, Topfko, Wasseratl) ich wiederhole nochmal, ganz wie bei unseren Bilderräthseln zu betrachten ist.

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Als die Spanier Meriko im sechzehnten Jahr­hundert eroberten, machten ihre Dominikanermönche sich diese Rebusschrift" wie Brugsch , der beste Kenner der ägyptischen Zeichenschrift dieses System getauft hat für die Abfassung der lateinischen Gebete zu Nuze. Durch annähernd gleichklingende Laute versuchten die Eingeborenen die für sie natür­lich völlig finnlosen Worte wiederzugeben. So schrieben sie beispielshalber das Paternoster( Vater­unser) Fähn­

Den praktischen Phönifern war es vorbehalten, die von den Aegyptern entlehnte Buchstabenschrift die von den Aegyptern entlehnte Buchstabenschrift noch weiter zu vervollkommnen, und von ihnen haben alle anderen Kulturvölker der alten Welt ihre Schrift überkommen. Jedes dieser Völker suchte nun diese Schriftzeichen seiner Sprache anzupassen, und, sie weiter fortbildend, schuf es die ihm eigen thümliche Schrift.

Auch die Runen der alten Germanen sind durch Vermittelung der italischen Schriftzeichen aus dieser sogenannten ursemitischen Schrift herzuleiten. dieser sogenannten ursemitischen Schrift herzuleiten. Freilich besaßen unsere Vorfahren schon früher gewisse Merkzeichen, ähnlich wie heute die Samo­jeden u. A., jene notae impressae( eingedrückte Zeichen) des römischen Geschichtschreibers Tacitus , die, ein Geheimniß( Run- Geheimniß, noch in unserem Zeitwort raunen" erhalten) Weniger, in Buchen­daher unser Buchstabe" stäbchen daher unser gerigt ( writan rißen, noch im Englischen write schreiben) und zu allerlei Prophezeiungen und Zaubereien ver= wendet wurden. wendet wurden. Allein diese Zeichen haben mit den Runenalphabeten, in denen die uns erhaltenen Schriften verfaßt sind, nicht das Geringste zu thun.

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stand der Masse der ruinirten Kleinbauern und besitz­losen Bürgern gegenüber, deren Lage noch verschärft und verbittert wurde dadurch, daß die herrschenden Großgrundbesizer ihre Güter nur mit Sklaven be­stellten und die Erhaltung dieser ihre einzigen Pro­duktionskosten ausmachte. Diesem Zustande mußte endlich ein Ende bereitet werden, und so war es denn der ältere Gracchus, der durch ein Gesetz Nie­mandem mehr als fünfhundert Joch Staatsackers zu besigen erlaubte und das überschüssige Gebiet zu gleichen Theilen an die Besizlosen vergab. Allein mit diesem energischen Eingriff in die bestehende " Ordnung" waren noch längst nicht alle Schwierig­feiten beseitigt, und mußte Sempronius zur weiteren Ausgestaltung seiner Pläne bestrebt sein, auch für das nächste Jahr zum Anwalt für das Volk er= wählt zu werden. Aber er hatte die Rechnung ohne die Optimaten, die Vornehmen, Besißenden ge­macht, die schon längst über die gerechten, volks­thümlichen Vorschläge des jungen Volfstribunen vor Wuth schäumten. Am Tage der Wahl kam es, nachdem von Seiten der Optimaten gegen die, an­geblich ungesetzlichen, neuen Reformen des Gracchus aufs Heftigste protestirt worden war, zu tumultuarischen Szenen. Der Senat rückte, mit Knütteln bewaffnet, unter Führung des Oberpriesters Scipio Nafica auf

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mitt) folgenbermaßen auf: sie malten ein Jahn- Aus der Kinderslube zweier Revolutionäre. Den an, und nun tam es zu einer regelrechten

chen( pa), daneben einen Stein( te), eine Kaktus= feige( noch) und wiederum einen Stein( te), so daß man las pa- te noch- te u. s. f.

Diesen so bedeutsamen Schritt von der Zeichen­schrift zur phonetischen" oder Bauschrift haben unabhängig voneinander die Azteken, Chinesen, Assyrier und Aegypter gethan. Aber während die Merifaner phonetische Schrift nur für Eigennamen und Fremdwörter angewandt haben, führten die drei anderen Völker diese Errungenschaft in ihrem Schriftsystem ganz durch. Sie wählten nämlich aus dem Vorrath von Bildern eine kleine Zahl aus, für die sie den Lautwerth unveränderlich fest­setzten. Diesen Bildern, von uns Silbenzeichen genannt, wurde dann ein anderes, das sogenannte Deutzeichen, beigegeben, welches erst jedesmal die Bedeutung des Silbenzeichens angab. So hatte beispielshalber das Bild der Laute im Aegyptischen den Werth des Silbenzeichens nefel, und dem­gemäß wurden alle gleich lautenden Wörter nefel mit Hülfe dieses Bildes geschrieben. So hieß nefel Rekrut, wenn dahinter ein Krieger abgebildet war, Füllen, wenn das Deutzeichen eines Pferdes folgte, Thür, wenn das Deutzeichen eine solche darstellte, Strick, wenn das Bild eines aufgerollten Taus dahinter stand u. s. f. Daß diese Schreibmethode übrigens nicht gar so unbequem ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint, wird man leicht einsehen, wenn man bedenkt, daß in den betreffenden Sprachen fast alle Wortwurzeln einsilbig sind.

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Aber die alten Aegypter und sie allein sind in der Ausbildung ihrer Schrift noch weiter gegangen und haben damit den Höhepunkt der Ent­wickelung erreicht: sie schufen ein Alphabet, in­dem sie aus dem Schaß der Silbenzeichen eine Schaar von fünfundzwanzig auswählten und ihnen den Werth eines bloßen Buchstabens gaben, so daß z. B. das Bild des Mundes, das ursprünglich Minu bedeutet, dann aber den Lautwerth ro( d. h. Mund) dargestellt hatte, nunmehr nur noch den Konsonanten r bezeichnete, während zugleich im Laufe der Zeit durch schnelles Schreiben die Bilder abgekürzt und abgerundet wurden. Doch in starrem Festhalten am Althergebrachten wandten sie diese neue Buchstabenschrift im Gegensatz zur hiero­glyphischen Bilderschrift der Priester demotische ( volksthümliche) cenannt nicht konsequent an, sondern auf ihren Denkmälern finden sich alle Formen der Schrift in buntem Durcheinander, so dem modernen Forscher die willkommenste Hand­habe zur Entzifferung gebend. Sie verschmähten, wie Brugsch sagt, die Durchführung der so ein­fachen Buchstabenschrift aus dem Grunde, weil ihre Schrift die Schrift der Götter( das griechische Wort hiëròs bedeutet heilig) mit einem Schlage jenen dekorativen Charakter verloren hätte, der alle ihre Denkmäler so eigenthümlich auszeichnet.

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( Bu unserem Bilde.)

o könnte man vielleicht am treffendsten die Szene nennen, die der italienische Maler J. Garnelo in unserem heutigen Bilde zu lebensvoller Darstellung bringt. Im Peristylium, dem gewöhnlichen Aufenthaltsort der römischen Familie, erblicken wir Cornelia, die Tochter des großen Szipio Africanus, die verwittwete Gattin des Tiberius Sempronius Gracchus , der einst als Aedil durch seine glänzenden Spiele gewaltiges Aufsehen erregte, dann aber auch als Konsul und Soldat in seinen Kämpfen mit Spanien reiche Lorbeeren geerntet hatte. Von den zwölf Kindern, die ihm sein Weib geboren hatte, waren nur drei, zwei Söhne und eine Tochter, am Leben geblieben, denen die Mutter nach dem früh zeitigen Tode des Vaters sich nun mit größter, hingebender Liebe und Sorgfalt widmete. Und so war sie von der Größe und den Pflichten ihres mütterlichen Berufes erfüllt, daß sie selbst die gewiß verlockende Werbung des egyptischen Königs Ptole mäus rundweg abschlug.

Worauf sie aber in edler Uneigennüßigkeit ver­zichtete, das sollte in doppeltem Maße ihren Kindern, und von diesen wieder in erster Linie ihren beiden Söhnen, den nachmals so berühmten Gracchen, zu Gute kommen. Von Hause aus mit den geistigen Schäßen der griechischen Kultur aufs Innigste ver­traut und selbst eine Persönlichkeit von hoher, vor­nehmer Gesinnung, war sie es, die die Steime hellenistischer Bildung und edlen Menschenthums in die Herzen der beiden Knaben pflanzte.

Und herrlich ging die Saat auf, die sie mit nimmer rastenden Händen einst ausgestreut hatte.

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Freilich zu friedliebenden, staatserhaltenden" Bürgern hatte sie ihre Söhne nicht erzogen, wohl aber zu fühnen, freiheitliebenden Männern, den höher als Nuhm und Ansehen, höher auch als das Leben, die Größe ihres Vaterlandes, das Wohl des Volkes stand.

Wie Alle, die je muthig die Sache der Unter­drückten und Elenden zu der ihrigen machten, sind darum auch sie nicht dem Loos entgangen, das das Geschick Denen, die rücksichtslos gegen die An­maßungen einer herrschfüchtigen Ausbeuterklasse an­kämpfen, aufgespart zu haben scheint.

Als der Aeltere der Beiden, die wir auf unserem Bilde noch als Knaben sehen, war Tiberus Sem­ pronius Gracchus auch der erste im Kampf und Tode für die Sache der nothleidenden großen Wasse. Nach rühmlichen Kämpfen vor Karthago und in Spanien im Jahre 133 zum Volkstribun erwählt, war es sein einziges Ziel, das schreiende Mißverhältniß zu beseitigen, wie es sich zwischen Besißenden und Befiz­losen damals vornehmlich auf agrarischem Gebiete entwickelt hatte. Ein kleiner Haufe reicher, vor­nehmer Bürger, die sich als Räuber und Gauner großen Stils des Staatsackers bemächtigt hatten,

Schlacht, in der mit etwa dreihundert seiner An­hänger auch der unermüdliche Kämpfer für die Rechte des Volkes, Tiberius Sempronius Gracchus seinen Tod fand.

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Doch schon im Jahre 123 trat als Testamentsvoll­strecker und Rächer zugleich, der neun Jahre jüngere Bruder, Gajus Sempronins in die Schranken. Im selben Jahr noch zum Tribun ernannt, führte er mit fieberhafter Gile als ahnte er, daß auch ihm ein baldiges Ende beschieden sei die von seinem Bruder begonnenen Reformen weiter. Ein Getreidegesez, nach dem jedem römischen Bürger monatlich ein bestimmtes Quantum Getreide zum niedrigsten Preise aus Staatsmitteln verkauft werden sollte, bildete nur den Anfang seiner Thätigkeit, die tiefer und umfassender als die des älteren Gracchus, überhaupt auf einen vollständigen Umsturz der bestehenden Macht­verhältnisse hinarbeitete. Und schon hatte es den Anschein, als ob der von der Begeisterung und Liebe des armen Volkes getragene junge Revolutionär sein kühnes Werk auch vollenden sollte, da kam das Jahr 121 und mit ihm einer seiner wüthendsten Feinde, L. Opinius zum Konsulat. Das aber war der Anfang vom Ende; denn da Gajus zufolge allerlei listiger Manipulationen der Optimaten nicht wieder zum Tribun erwählt worden war und man sich bereits anschickte, die ganze Reformgesetzgebung der Gracchen umzustoßen, wappneten sich die Führer des Volkes zu energischem Widerstande. Umsonst. Wie so oft in derartigen kritischen Momenten, hatte auch damals ein agent provocateur in Gestalt eines Liktors die erbitterte Menge gereizt und es kam, was zu erwarten war. Mit Hülfe fretischer Bogen­schüßen rückten die Feinde gegen die Versammlung vor und am Abend deckten die Leichen von dreitausend Volkskämpfern die blutige Wahlstatt. Gracchus selbst, den seine Freunde zur Flucht gedrängt hatten, fand man jenseits der Tiber in einem heiligen Hain als Todten auf. Er hatte sich, um nicht den Gegnern anheimzufallen, von einem seiner Diener das Schwert in die Brust stoßen lassen. So endete, gleich seinem Bruder, auch dieser kühne Kämpfer für das Wohl und die Freiheit seines Volfes als ein Mann und Held.

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Cornelia aber, die in stiller Zurückgezogenheit den Untergang ihres Hauses betrauerte, konnte, wenn sie voll Stolz von ihres Vaters herrlichen Thaten erzählte, mit Recht von ihren Kindern sagen: Und dieses Mannes Enkel waren meine Söhne. In den Tempeln und Hainen der Götter ist ihr Blut ver­gossen worden, eine Grabstätte ihrer Thaten werth. Für das Höchste haben sie ihr Leben eingesetzt, für das Recht des Volkes!"

Glücklich jede Mutter, die wie jene große, edle Römerin im Hinblick auf ihre Söhne ein Gleiches fagen darf!