4
Rus dem Papierkorb der Zeit
Chlorophyll und Hämoglobin, der Farbstoff der Pflanzen, des Blattgrüns und der Farbstoff des rothen Blutes der meisten Thiere, sind durch neuere Untersuchungen des Gelehrten Schunck als Verwandte, Abkömmlinge einer gemeinsamen Muttersubstanz erkannt worden. Dadurch sind die pflanzlichen und thierischen Organismen der wissenschaftlichen Erkenntniß noch etwas näher gerückt als es bisher der Fall war, wo man doch schon Organismen kannte, die man ebenso gut zu den Pflanzen wie zu den Thieren rechnen konnte. Die namentlich von den Chemikern May Ehlewski und Neucki angestellten Untersuchungen über diese beiden Stoffe veranlassen Letteren zu folgender Bemerkung: Die Entdeckung( eben der chemischen Verwandtschaft beider Stoffe) ist für die biologische Chemie deshalb von so kapitaler Bedeutung, weil sie uns einen Einblick in die entfernteste Vergangenheit der Entwidlungsgeschichte organisirter Wesen gestattet und auf die Verwandtschaft der so verschiedenen Organismen, wie der pflanzliche und thierische sind..... Die Form der Zellkomplexe, welche die einzelnen Organe bilden, wird beeinflußt von dem Stoffwechsel, an welchen sich die einzelnen Organismen, je nach den äußeren Lebens. bedingungen im Kampf ums Dasein, anpassen. Parallel mit der Aenderung der Lebensbedingungen ändert sich nicht nur die Form, sondern gleichzeitig auch die chemische Zusammensetzung der Zellen und ihr Stoffwechsel." Nencki führt dann in dem Ber, d chem. Ges. weiter aus, daß bei sehr niederen Organismen die größte Mannig faltigkeit der Stoffwechsel einerseits nach der Art der pflanzlichen andererseits nach der der thierischen Organis men stattfindet, die bekanntlich das Schema geben: für die Pflanzen Stickstoffeinfuhr und Kohlensäureausfuhr, bei den Thieren umgekehrt. Dieses Schema ist nicht mehr zu halten. Chlorophyll finde sich auch bei den Protozoen, den niedersten Thieren. Weiter wird als unzweifelhaft hingestellt, daß es Thiere giebt, welche mittelst eines chlorophyll- ähnlichen, an ihr eigenes Protoplasma gebundenen Stoffes Kohlensäure zu assimiliren vermögen, und andererseits Bakterien, welche Sauerstoff ausscheiden mittelst an ihr Protoplasma gebundenen rothen Farbstoffes. Erkannt sei, daß es Pflanzen ohne Chlorophyll, wie Thiere ohne rothes Blut, giebt, da ja die rothen Blutkörperchen nur die Aufgabe haben, den Sauerstoff in die Gewebe zu transportiren. Die Chemiker werden sicher auf diesen Grundlagen und Andeutungen weiter arbeiten und es stehen noch gar mancherlei überraschende Entdeckungen zu gewärtigen.
Ein antiker Hochstabler. Unter dem Kaiser Commo dus ( 180-192 n. Chr.) wurden die vornehmen, reichen Brüder Condianus Quinctilius und Maximus Quinctilius in kaiserlichem Auftrage ermordet. Dem Sohn des Marimus, mit Namen Condianus Sextus, welcher sich damals in Syrien aufhielt, bangte wohl nicht ohne Grund für sein Leben. Er stürzte sich deshalb absichtlich. vom Pferde und simulirte einen Blutsturz, sorgte dafür, daß statt seiner ein Widder feierlich begraben wurde und verschwand.
Seine Majestät Kaiser Commodus aber ließ fleißig nach ihm forschen, und mehrere Personen mußten ihre Aehnlichkeit mit dem Gesuchten mit dem Tode büßen.
Als nun Commodus seinerseits ermordet worden war, tauchte ein falscher Condianus auf, der das reiche Erbe der Quinctilier einheimsen wollte.
Er bestand, da er die Familiengeschichte und Familienverhältnisse der Quinctilier sehr genau studirt und sich zu eigen gemacht hatte, alle Vernehmungen vor den Behörden, welche seine Ansprüche zu untersuchen hatten, vorzüglich und glücklich.
Unglücklicherweise aber ward die verwickelte Angelegenheit vor den Kaiser Pertinaxy, den nur ein Jahr regierenden Nachfolger des Commodus, gebracht. Dieser, der Sohn eines Kohlenhändlers, eines Freigelassenen, also eines ehemaligen Sklaven aus Ligurien , hatte seinen Lebensplan darauf gerichtet, sich als Schulmeister durchs Leben zu schlagen, ward aber dann, da er dabei keine Seide spann, Soldat und Kavallerieoffizier, er bekleidete mehrere Provinzialkommandos und sonstige hohe Aemter.
Bertinar war ein grundbraver Charakter und verstand auch mehrere fremde Sprachen.
Als ihm der Erbschaftskandidat der Hinterlassenschaft der Quinctilier vorgeführt wurde, kam der ehemalige Schulmeister, der der griechischen Sprache so mächtig war, wie dies auch von dem früher als verschollen betrachteten jungen Condianus bekannt war, auf den Gedanken, mit dem Hochstapler griechisch zu reden. Da stockte der Abenteurer und ward als Schwindler entlarvt.
Kismet! Es ist des Schicksals Wille! Als im Jahre 1860 ein ganzes persisches Heer mit 40 000 a- meelen durch die Feigheit und Unfähigkeit der Führer_verleren ging, wurden diese vor ein Striegsgericht gestellt, wo sie zur Vertheidigung einfach sagten: Wir wollten, aber Gott wollte nicht; eine Entschuldigung, die auch gutgeheißen wurde derart, daß lediglich auf eine Geldrafe erkannt wurde. So erzählt Brugsch in seiner Reise nach Persien".
-
"
Eine Kaiserkrone zu versteigern. Dieses erhebende Schauspiel hatte die Welt nach der Ermordung des römischen Kaisers Pertinax, der infolge seiner persönlichen Tüchtigkeit und ernsten Reformabsichten nur 87 Tage lang regierte. Nach seiner Ermordung hieb man ihm den Kopf ab, steckte ihn auf eine Lanze und zog vor die Naserne der Prätorianer, der von den Vorgängern des Pertinax arg verhätschelten Leibgarde. Das war am 28. März 193 n. Chr.
Eben dorthin war im Auftrage des ermordeten Kaisers dessen Schwiegervater, der Polizeipräsident Sulpicianus, gegangen. Als dieser das Haupt seines Schwiegersohnes erblickte, hatte er, wie der französische Historiker Duruy sich ausdrückt, die Geistesgegenwart", den wüsten Landsknechten ein bedeutendes Geldgeschenk anzubieten und sich bei ihnen um die Kaiserkrone zu bewerben.
"
Nun lebte damals in Rom ein steinreicher Senator Marcus Didius Severus Julianus, dessen Gattin Manlia Scantilla von gewaltigem Ehrgeiz beseelt war. Als die Geschichte von der Geistesgegenwart" des Polizeiprä sidenten Sulpicianus bekannt ward, eilte unser Didius Julianus ebenfalls nach der Prätorianerkaserne, und bot mehr, als Sulpicianus drinnen den Soldaten versprochen hatte. Die Boten gingen aus und ein von einem Bieter zum anderen mit der Meldung: Dein Gegner giebt so viel, was schlägst Du drauf?" Sulpicianus sollte eben den Zuschlag erhalten gegen ein Geschenk von 5000 Denaren= 4350 Mark für jeden Prätorianer. Da bot der reiche Didius Julianus sofort jedem Soldaten 1250 Denare= 1087 Mart mehr, rief das auch den Soldaten laut zu und verhieß ihnen die Wiederkehr ihrer guten alten Zeit", wie unter dem Kaiser Commodus, der sie ungemein begünstigt hatte.
"
Damit war Sulpicianus geschlagen. Didius Julianus stieg auf einer Leiter in die Kaserne und nahm die Hul digung seiner allergetreuesten Leibgarde entgegen, die sich eidlich versprechen ließ, daß der neue Kaiser seinem Wettbieter feinen Groll nachtragen wolle. Die Kaiserherrlichkeit des Didius Julianus dauerte indeß nur 66 Tage.
Sein Leibgericht. Um 1850 grollte man in Galizien der Regierung und noch mehr der Polizei, die, wie man sagte, eine umfassende Erhebung durch Klugheit und Thatkraft im Reime erstickt hatte. Eines schönen Tages erhielt der Polizeikommissar, als eine Art kleiner Don Juan und Schürzenjäger bekannt, von zierlicher Damenhand ein Billet zu einem Stelldichein, elegant und forrekt in Form und Inhalt. Der liebedürftende Polizeikommissar besann sich keinen Augenblick, der Einladung Folge zu leisten. In einem reizenden Negligé kam das Dämchen ihm entgegen. Diener mit langen Bärten servirten den Thee und zogen sich dann zurück. Mit schmachtendem Lächeln erklärte jezt die Schöne, indem sie in die Hände klatschte:" Zum Nachtisch habe im meinem Freund sein Leibgericht aufgespart." Im nämlichen Augenblicke stürzten vermummte Männer mit einer der von der österreichischen Polizei damals viel verwendeten Prügelbänke herein. Der verliebte Kommissar wird aufgeschnallt, ein Knebel in seinen Mund gestopft und das berühmte„ österreichische Traftament", fünfundzwanzig Stockprügel, servirt. Als die heilige Metternichsche Zahl voll war, ward der Kommissar unter tiefen Bücklingen entlassen. Einen Augenblick dachte er an Rache, fand aber endlich doch für gut, vorläufig über das ganze Abenteuer tiefes Schweigen zu beobachten. Zeugen konnte er nicht angeben, statt Genugthuung nur Gelächter ernten.
Abgefertigt. Der Herr Marquis und Geschichtschreiber Costa Beauregard, der vor einiger Zeit zum Mitglied der französischen Akademie ernannt worden ist und nach altem Brauch auf den vorhergehenden Inhaber seines Sessels und palmengestickten Akademifergewandes eine Lobrede halten muß beim Antritt seiner Würde, hat nach dem„ Cri de Paris"( Stimme von Paris) an den Akademiker Jules Barbier geschrieben: Sie haben Ca mille Doucet gut gefannt. Sie wissen, daß ich ihn als meinen Vorgänger in der Akademie beloben muß. Kommen Sie doch einmal Morgens zu mir. Ich bin von sieben bis neun Uhr zu sprechen." Darauf antwortete Barbier: „ Er stelle sich ganz zur Verfügung des Herrn Marquis, er sei seinerseits jeden Morgen von vier bis sechs Uhr zu sprechen. Die Aufnahme des Herrn Marquis werde nun statt im nächsten Monat erst im Herbst oder vielleicht noch später vor sich gehen."
Gedankensplitter.
Heute können wir noch im Leben erfahren, wie der schrecklichste der Schrecken ein einflußreicher Dummkopf ist, dessen Geist allen vorsichtigen, einer genauen Beob achtung der Wirklichkeit entspringenden Erwägungen und Abwägungen unzugänglich, sein einmal gefißtes Ziel mit blinder und einseitiger Energie verfolgt, unbeiümmert um die Hemmnisse und um den Schaden, den er anrichtet.
Vierkandt.
Genies und große Talente kann ein Volk nicht zu jeder Zeit haben, wohl aber kann es jedes Geschlecht ernst mit der Kunst nehmen. Bartels.
Schnihel.
Reaktion.
Es bleibt die Nacht des Tags ein Theil, Doch trotz der finstern Mächte, Wir sind im Lenz, mein Deutschland Heil!- Und fürzer werden die Nächte. Der Zweifel.
Der Glaube ist zum Ruhme gut, Doch bringt er nicht von der Stelle, Der Zweifel in ehrlicher Männerfaust, Er sprengt die Pforten der Hölle. Wenn der Pöbel aller Sorten Tanzet um die goldnen Kälber, Halte fest: Du hast im Leben Doch am Ende nur Dich selber. Der Lump.
Und bin ich auch ein rechter Lump, So bin ich dessen unverlegen. Ein frei Gemüth, ein fromm Gesicht, Herzbruder, sind ein wahrer Segen. Links nehm von Christi Mantel ich Ein Zipfelchen, daß es mir diene, Und rechts Du glaubst nicht, wie das deckt! Rechts von des Königs Hermeline.
-
Storm.
Er wirft den Kopf zurück und spricht: Wohin ich blicke, Lump und Wicht!"
"
Nur in den Spiegel blickt er nicht.
Fürbitte.
J. Sturm.
Gedenke, daß Du Schuldner bist Den Armen, die nichts haben, Und deren Recht gleich Deinem ist An allen Erdengaben.
Wenn jemals noch zu Dir des Lebens Gesegnet goldne Ströme gehn, Laß nicht auf Deinen Tisch vergebens Den Hungrigen durchs Fenster sehn, Verscheuche nicht die wilde Taube, Laß hinter Dir noch Achren stehn Und nimm dem Weinstock nicht die ( legte) Traube.
Der Vielseitige. Beglückt Dich eine Muse still, So bleib ihr treu in Züchten, Wer aller neun sich rühmen will, Der fegle statt zu dichten.
H. Lingg.
H. Littauer.
Sie schwaßen von Bescheidenheit, Mich dünkt, das ist ein fleckig Kleid! Der hat nach Rechtem nie getrachtet, Der nicht die eigne Arbeit achtet.
Hofpoet.
G. Kinkel.
Von der Nachwelt zu vermessen Sprachst Du, als die Welt Dich las, Doch sie darf den Mann vergessen, Der zuerst sich selbst vergaß. Menschenfreund.
Ein jedes Winkelblättchen preist, Wenn er den Armen Gutes erweist. Doch flüsternd hab ich nur vornommen, Woher sein vieles Geld gekommen.
E. Edel.
P. Heyse.
Ein dummer Streich. Thorheit behält das Reich, Und Wahrheit wird Verbrechen. Da ist's ein stummer Streich Ein kluges Wort zu sprechen. Zwischen starrenden Felsenwänden, Zwischen Felsen und Thalgeländen Nirgends klaffen so tiefe Spalten, Wie zwischen Versprechen, Geben und Halten. D. Blumenthal.