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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Dohna . Viele Macht über den Unbändigen gewann auch er nicht. Zum Lernen war der Prinz überhaupt nicht zu bringen, und seine Unwissenheit steht denn vielleicht auch bei einem Regenten einzig da. Zeitlebens hat er es nie dahin gebracht, ein richtiges Deutsch zu sprechen.
Dafür leistete er jedoch in Brutalitäten schon als Knabe das Menschenmöglichste. Er ritt auf den Lakaien und Pagen im Zimmer umher und peitschte sie, sobald er des Spieles überdrüssig, einfach zur Thür hinaus. Den jungen Herzog von Kurland schleuderte er beim Spiel so heftig auf den Boden, daß man ihn bewußtlos forttrug, seinen Unterhofmeister, von Brandt, stürzte er sogar die Treppe hinab.
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Obgleich der König und die Königin keine dieser Nohheiten straften, erfüllte die eigenthümliche Veranlagung des Prinzen sie doch allmälig mit stiller Besorgniß. Die feinfühlige Sophie Charlotte spricht sich in einem Briefe an ihre Freundin, Fräulein von Pöllnis, sehr lebhaft aus, sie schreibt über den damals vierzehnjährigen Prinzen: Der junge Mann, den ich nur für lebhaft und heftig hielt, hat Beweise von einer Härte gegeben, die nur aus einem sehr bösen Herzen kommen kann. Ich habe ihm, dem Kronprinzen, sehr den Tert gelesen, und da dies nicht oft der Fall ist, habe ich nichts außer Acht gelassen und mich aller seiner unlöblichen Handlungen erinnert. Hierzu kommen die Klagen der Damen, daß er ihnen grobe Beleidigungen sagt; mein Zorn ging bis zur Entrüstung. Zeigt diese Art der Beleidigung etwa Seelenadel? Welch eine Rohheit des Geistes liegt darin!"
In der That bemühte sich die Königin, dem Prinzen edlere Empfindungen beizubringen, fie ließ ihn zweimal in der Woche zu sich nach Liezenburg hinauskommen und versuchte durch gute Lektüre und geistreiche Unterhaltung sein Herz zu bilden, aber umsonst! Friedrich Wilhelm zog sich immer mehr vom Hofe zurück und lebte seinen eigenen, wilden Neigungen. Liebesabenteuer hat der Jüngling nie gehabt, die Weiber reizten ihn nicht, die Jagd und die Soldaten füllten seine ganze Zeit aus. Der König hatte ihm eine Kompagnie Kadetten übergeben und verlieh ihm später ein Infanterie- Regiment, dessen Leibkompagnie in Wusterhausen stand. Schon in diesem ersten militärischen Wirkungskreis zeigte der Prinz jene Vorliebe für„ lange Sterle", die ihm später so manches Stückchen Geld gekostet hat. 1709 machte er unter Prinz Eugen und Marlborough die Feldzüge am Rhein mit und kämpfte in der Schlacht bei Malplaquet; roher noch, als er gegangen, fam er wieder. Selbst seine am 14. November 1706 geschlossene Heirath mit Sophie Dorothea von Hannover vermochte seine Sitten nicht zu mildern. Jetzt, da er seinen eigenen Hofstaat hatte, hielt er sich dem väterlichen Hofe noch ferner denn zuvor. Die Günstlings- und Maitressenwirthschaft sagte ihm nicht zu, und mur, als es galt, den un würdigen Grafen Kolbe von Wartenberg aus seiner einflußreichen Ministerstellung zu entfernen, nahm er an den Hofintriguen Theil.
Im Jahre 1713 wurde Friedrich I. zu seinen Vätern versammelt und Friedrich Wilhelm I. bestieg den preußischen Königsthron.
Die erste Regierungshandlung des jungen Für sten bestand darin, daß er den gesammten Hofstaat seines verschwenderischen Vaters auflöſte, all die fostspieligen Zeremonienmeister, Schweizergarden, Hofpoeten und was sonst im Schlosse Friedrichs I. herumgelungert hatte, mußte von dannen ziehen.
Von den unzähligen Pagen blieben nur sechzehn im Dienst, die ebenso zahlreichen Lakaien wurden gleichfalls bis auf sechs entlassen. Ihre kostbare Livrée mußte einem einfachen Rock weichen, auch erhielten sie nicht mehr Gehalt als monatlich acht Thaler. Aufgelöst wurde auch der kostbare, aus tausend reich beschirrten Pferden bestehende Marstall Friedrichs I. Mit dem Erlös bezahlte Fried rich Wilhelm seines Vaters Schulden. Das üppige Hoflager des ersten Preußenkönigs hatte sich mit einem Schlage in den einfachen Haushalt eines schlichten Bürgers verwandelt. Kein Fest wurde mehr gefeiert, feine Gesellschaft gegeben, selbst die
Geburtstage der Prinzen und Prinzessinnen verliefen ohne Sang und Klang. Der Krönungstag, der 18. Januar, heute wieder, wie unter Friedrich I. , einer der höchsten Festtage des Hofes, wurde aller Feierlichkeit entkleidet, selbst auf die Königsfeier in Königsberg verzichtete der König, um zu sparen. Ueberhaupt war die äußerste Sparsamkeit seine starke Seite. Wenn wirklich einmal Gesellschaft bei Hofe war, mußten die Generäle ihre eigenen Pagen mitbringen und diese hatten bei der Tafel aufzuwarten. Werthvolle Kleider trug der König nie, sein Rock bestand für gewöhnlich aus grobem Tuch, sein Rock bestand für gewöhnlich aus grobem Tuch, und um ihn zu schüßen, streifte er im Hause Leinwandärmel darüber und trug eine große, grüne Schürze.
Seine beispiellose Knauserei erstreckte sich sogar auf den Küchenzettel, den er täglich höchst eigenhändig revidirte. Wenn die Preise mit den augenblicklichen Marktpreisen nicht harmonirten, wurde er rasend. Bei einer Zitrone, die mit neun Pfennigen berechnet war, strich er einen Pfennig, und als eine Rechnung für das Mittag und Abendessen der königlichen Familie und ihrer Gäste auf 31 Thaler 16 Groschen angesezt wurde, schrieb er darunter: „ verflucht gestollen" und zwackte dem Koch noch einen Thaler ab.
Wirklichen Aufwand erlaubte er sich nur, wenn fremde Fürstlichkeiten zum Besuch eintrafen; als 1717 Peter der Große mit seiner Gemahlin nach Berlin kam, schrieb der König an das FinanzDirektorium:„ Ich will 6000 Thaler destiniren, dafür soll das Finanz- Direktorium die Menagen so machen, daß ich den Zaren freihalten kann, von Memel bis Wesel . In Berlin wird der Zar aparte traktirt, nit einen Pfennig gebe mehr dazu. Aber der Welt sollen sie ein Geschrei machen, von 30. 40 000 Thaler, das es mir koste." Der alte Knicker hatte also troß aller Knauserei doch den Ehrgeiz, für freigebig gehalten zu werden.
Genau wie das Budget theilte Friedrich Wil helm auch seine Tage ein. Er erhob sich Morgens um vier Uhr, wusch sich, und zwar Sommer wie Winter mit faltem Wasser, betete, und ging dann während des Frühstücks die eingegangenen Briefe durch, die auch sogleich beantwortet wurden. Nach der Toilette hörte er bis zehn Uhr die Vorträge der Minister und begab sich sodann nach der Wachtparade, war diese beendet, wurde der Marstall revidirt und Schlag zwölf Uhr zu Tisch gegangen.
Ueber die königliche Tafel gehen verschiedene Versionen um. Darf man dem Biographen des Königs Glauben schenken, so war sie ganz anständig besezt, nach den Berichten der Prinzessin Wilhel mine , der Tochter des Königs, standen die Theilnehmer hungriger auf, als sie sich zum Mahl ge= setzt hatten.
Nach dem Essen ritt der König aus oder er machte eine Promenade durch die gerade im ersten Aufblühen begriffene Friedrichstadt , und diese Promenaden wurden bald zu einer Geißel für Berlin . Friedrich Wilhelm liebte es, mit seinen Bürgern stets in persönlichen Verkehr zu treten. Wie er selbst Jeden ungenirt ansprach, so erwartete er auch wieder offene, rückhaltslose Antworten. Wer auf seine verschiedenen Fragen schlagfertig einging, konnte seiner Gnade sicher sein, wer etwa ausweichen wollte, bekam den Stock zu kosten. Die Prügelsucht des Königs war beinahe krankhaft, er schlug Alles, was in seine Nähe fam; das spanische Nohr, welches ihn nie verließ, tanzte sowohl auf dem Rücken der Königin, als auf dem der Lakaien und des einfachen Bürgersmannes. Nach seiner Meinung war es für eine gute Wirthschaft nothwendig, daß die Diener zeitweise ihre Tracht Prügel bekommen, und so schlug er denn rein zum Zeitvertreib auf seine so schlug er denn rein zum Zeitvertreib auf seine Untergebenen ein. Dabei sagte er ihnen ganz liebenswürdig:" Es ist lange her, daß Ihr etwas bekommen habt, Ihr müßt mal wieder Hiebe haben, um nicht nachlässig zu werden!"
Nie hat ein so unköniglicher König auf einem Fürstenthron gesessen.
Natürlich bekamen die Berliner vor ihrem schlagfertigen Herrn und seinem spanischen Rohr bald einen heillosen Respekt. Wenn sich der König sehen ließ,
machte Jeder, daß er schleunigst davonkam. Das war indessen nicht nach dem Herzen Friedrich Wilhelms.
Ein armer Tanzmeister, der seinem Stock entwischte, mußte zur Strafe vier Wochen am Bau der Petrifirche Schutt karren; schlimmer noch erging es einem alten Juden. Der König begegnete ihm in einer engen Gasse. Der Jude wollte sich davonmachen, Friedrich Wilhelm sezte ihm jedoch nach und hielt ihn an. Weshalb läuffst Du davon?"_ Majestät, ich fürchte mich!" Was fürchten? Lieben sollt Ihr mich!" und das spanische Rohr sauste auf den Rücken des unglücklichen Alten nieder, bis er blutend zusammenbrach.
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Selbstverständlich blieb das Beispiel dieses Prügelpädagogen auf dem Throne im Lande nicht ohne Nachahmung. Ein finsterer Geist stand über Preußen, der Geist der Peitsche. Wie der König prügelte, so prügelten die Unterthanen. Der Meister schlug die Gesellen, die Frau die Mägde, der Lehrer die Buben. Die Prügelei artete schließlich derart aus, daß Friedrich Wilhelm eigene Geseze dagegen erließ. Am 4. April 1738 wurde angeordnet, daß Jeder, der einen Untergebenen schlug, auf der Festung sechs Wochen farren, beim zweiten Male indessen gehangen werden solle. Der König prügelte indessen ruhig weiter.
Die Abende verbrachte der König im Tabakskollegium, jener zwanglosen Vereinigung seiner Freunde und Hofherren, die noch für Jahrhunderte ihren Ruf behalten wird.
Unterbrochen wurde diese Tagesordnung nur des Sonntags, wo sich der König Vor- und Nachmittags zur Kirche begab, und auf Reisen oder zur Jagdsaison, denn Friedrich Wilhelm war ein leidenschaftlicher Jäger.
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Des Königs Hauptneigung blieben indessen die Soldaten. Er ist der eigentliche Begründer des Militärstaats" Preußen. Er hat uns den Moloch ,, Armee " geschaffen, der unseres Volkes beste Kraft zerfrißt und zernagt und unersättlich immer neue Opfer fordert.
Seine Riesensoldaten, die er in Potsdam hielt, kosteten Millionen; während er bei der Küchenrechnung um den Pfennig feilschte, kam es ihm bei den 1725 hatte er Soldaten auf Tausende nicht an. bereits ein Heer von 64 263 Mann, als er 1740 starb, ernährte Preußen 89000 Soldaten.
Die Art und Weise, wie sich der König die Gelder zum Unterhalt der Truppen verschaffte, macht seinem schmutzigen Geiz alle Ehre. Der große Kurfürst hatte zur Unterstützung der neu begründeten furbrandenburgischen Seemacht eine Marinekasse begründet. Friedrich Wilhelm verwandelte sie in eine Rekrutenkasse und bestimmte am 9. Dezember 1721, daß Jeder, der irgend ein Amt, eine Anwartschaft auf ein Amt oder sonst ein Privilegium zu erwarten hatte, von jetzt an eine gewisse Summe an die Nefrutenkasse zahlen solle, deren Höhe er, der König, festseßen wollte. Anfangs zahlte jeder Beamte eine bestimmte Summe, als damit nicht genug einkam, mußten die Anwärter selber sagen, wie viel sie geben wollten, und der Meistbietende erhielt den Posten. Ein Titel- und Aemterschacher also, wie er schamloser nicht gedacht werden konnte, und das direkt unter Wissen und Willen des Königs. Für sechshundert Thaler konnte damals Jeder Hofrath werden, ob er den Titel verdiente oder nicht.
Eine andere Einnahmequelle erwuchs der Kasse aus jenen Summen, welche von Reichen und Vornehmen gezahlt wurden, um etwa drohenden Prozessen zu entgehen, selbst das Recht mußte sich dem Militarismus beugen.
Natürlich wurde die Rekrutenkasse durch diese Manipulationen ungeheuer reich. Das Geld ging indessen, wie es fam, denn die Werbungen verschlangen Unsummen. Die preußischen Werber waren zu jener Zeit der Schrecken und die Geißel des Volkes, der Teufel konnte nicht mehr gefürchtet sein als sie. Jeder junge Manu, der einigermaßen groß und fräftig gebaut war, wurde ohne Erbarmen unter die Soldaten gesteckt. Die gemeinsten Kniffe waren gerade gut genug, um einen friedlichen Bürger unter Friedrich Wilhelms liebe, blaue Kinder" zu pressen. In Quedlinburg wurde ein reicher Bierbrauer von der Straße weg in das Gefängniß geworfen und nicht