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Die Neue Welt. Illustrirte

Schellack? Wer hat den hineingethan?" fragte der lange Lorenz erstaunt.

" Hat sich gewiß gethan Meister verfluchtiges!" entgegnete der Pole.

Lorenz erklärte darauf mit feierlicher Miene, er fönne in einer" Bude", in der der Meister derart mißtrauisch gegen die Gesellen sei, daß er Schellack in den Politurfpiritus mische, feine Stunde länger bleiben. Er packte wirklich seine Siebensachen zu­sammen und zog ab. Der Pole hingegen meinte, gerade dem Meister zum Trozz müsse der Politur spiritus gesoffen werden. Und in der That leerte er im Laufe des Nachmittages die Literflasche neunzig grädigen Kartoffelspiritus; der herbe, widrig schmeckende Schellack schien ihm den Geschmack nicht im Mindesten zu beeinträchtigen. Dann sant er in die Hobelspäne und begann zu schnarchen.

Als Lorenz fort war, fand sich Johann wieder ein. Er sagte, er habe einen Bauern aus seinem Heimathsdorfe getroffen, mit dem er heimwärts fahren werde. Die Sehnsucht nach der Heimath ergriff plötzlich auch Franz und er erklärte, daß er gleichfalls nach Hause reisen wolle. Wir nahmen in herzlichster Weise Abschied und gelobten, uns gegen­seitig unsere dichterischen Erzeugnisse zuzusenden.

Am anderen Morgen, als der polnische Lukas jeinen fürchterlichen Rausch ausgeschlafen hatte, suchte auch er das Weite. Nun war ich mit Cäcilia allein. Das Dienstmädchen hatte sie als einen überflüssigen Mitesser bereits fortgeschickt.

Die Noth gleicht wie der Tod alle Gegensätze aus. Die Köchin, die bisher uns Lehrlingen gegen­über nur die gestrenge Herrin gespielt hatte, fam zu mir in die Werkstatt, drückte mir krampfhaft die Hand und bat, ich möge sie nicht verlassen.

Gerührt ob solcher Leutseligkeit erwiderte ich feier­lich, daß ich entschlossen sei, bis zum letzten Athem zuge bei ihr auszuharren.

Ich danke Dir! Dich hab ich stets für eine treue Seele gehalten," sprach sie, indem sie sich mit der Schürze die Augen trocknete.

In der nächsten Minute kam Cäcilias Mutter. Die beiden Frauen begaben sich hinauf in die Wohnung, und ich setzte mich nieder, um in un­gestörter Ruhe den zweiten Aft meines vertauschten Kindes zu vollenden.

Eine halbe Stunde später trat Cäcilia in die Werkstatt und theilte mir mit, daß sie mit ihrer Mutter aufs Land reisen werde. Da sie die Schlüssel mitnehmen wollte, blieb mir nichts Anderes übrig, als ebenfalls sofort abzureisen.

Seelenvergnügt schnürte ich mein Bündel und sagte dem stillen Hause, welches Cäcilia als lezte Auswanderin hinter uns verschloß, Valet. Ich wan­derte nach dem zwei Meilen entfernten Heimaths­dorfe zu meiner Mutter...

" Junge, Du bist doch nicht etwa dem Meister fortgelaufen?" rief die liebe Frau, erschrocken über meine Ankunft.

Nein, Mutter, der Meister ist uns fort­gelaufen!" ( Fortsetzung folgt.)

Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

ohne jegliches Funkeln und Blizen. Die letzteren sind die uns relativ nahe stehenden, dem unbewaff neten Auge erkennbaren Planeten Merkur, Venus  , Mars  , Jupiter   und Saturn; die ersteren dagegen das zahllose Heer der in ungeheuren Entfernungen den Raum durchziehenden Firsterne( d. h. feststehende Sterne), unserer Sonne mehr oder minder gleichende Welten.

Dieses auffällige Funkeln und Glizern der Fir ſterne ist nun eine eigenartige Erscheinung und dar­auf zurückzuführen, daß die aus Riesenfernen zu uns heranfluthenden zarten Lichtwellen auf dem weiten Wege fortwährend geringe Störungen er­fahren, die bedeutendsten schließlich in unserer, in fahren, die bedeutendsten schließlich in unserer, in ununterbrochener Bewegung und Veränderung be­griffenen Atmosphäre, das Licht daher bald auf Momente scheinbar erlischt, sobald zwei Wellen sich ausgleichen, sich bald verstärkt, bald abschwächt; der Farbenwechsel aber ist eine Folge der Licht­bewegung in den Wasserdampfbläschen und flim mernden Eisnadeln der irdischen Lufthülle.

Die Planeten dagegen sind, abweichend von den nahezu unerschöpflich lichtspendenden, für unsere den nahezu unerschöpflich lichtspendenden, für unsere schärfsten Instrumente noch keinen Durchmesser zeigen­den Lichtquellen des Weltalls, den Fisternen, nicht leuchtende Punkte, sondern ähnlich unserem Monde, Scheiben, natürlich erheblich kleinere, welche nicht eigenes, strahlendes Licht entsenden, sondern ledig lich abgeschwächtes, mattreflektirtes Sonnenlicht durch das All verbreiten; derartige matte Scheiben können daher als passive Gebilde auch niemals jene Unruhe zeigen, wie die aktiven Kraftmittelpunkte des Weltenraumes, die Firsterne oder Sonnen.

Wenn nun auch schon vereinzelt seit Jahrhunderten, ja, schon im Alterthum die Ansicht ausgesprochen ward, daß unsere Sonne ein in höchster Gluth be­findlicher Körper sei, umgeben von glühenden Däm­pfen, welcher Licht, Wärme und Kraft ausstrahlt, und daß die Firſterne dieser unserer Sonne im We­sentlichen glichen, so ward der thatsächliche Nachweis der Richtigkeit dieser Anschauung doch erst in neuerer Zeit erbracht und zwar durch die bereits im vorigen Artikel besprochene Spektralanalyse.

Natürlich hat diese Anschauung von der Gleich­artigkeit nur allgemeine Gültigkeit, und es sind trotz vielfacher Uebereinstimmung doch auch erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Sonnensternen vorhanden.

Nicht allein, daß deren Größe außerordentlich verschieden ist, welche genau festzustellen allerdings noch bei keinem Firsterne gelungen ist, sondern auch Stärke und Farbe des Lichts erweisen sich als außer­ordentlich abweichend voneinander.

Die Lichtstärke des Hauptsternes im Sternbilde des Centauren übertrifft 3. B. die unserer Sonne 23/10 mal, das Licht des Sirius überstrahlt unser Sonnenlicht sogar 63 mal. Allem Anschein nach gehört unsere Sonne demnach zu den Firsternen geringerer Leuchtkraft.

Daß trotzdem der Sirius so bedeutend hinter unserer Sonne am Himmel zurücktritt, zeigt, welche Riesenentfernung uns von diesem Weltkörper trenut.

Das Spektroskop hat nun in neuerer Zeit in erster Linie Aufklärung darüber gegeben, daß die

heit nochmals auf diesen eigenartigen Fall zurück­kommen.

Die zweite Gruppe, die gelben Sterne, zu denen der Polarstern  , Capella, Ariturus und auch unsere Sonne gehört, besigen bereits, gegen die weißen und blauen Sterne gerechnet, erheblich abgekühlte Gashüllen, daher sie auch kräftige Absorbtionsstreifen

erzeugen.

Die dritte Gruppe, die rothen Sterne, wie Beteigeuze im Orion, Mira Ceti im Walfisch   und die meisten veränderlichen Sterne, deren Lichtstärke in bestimmten oder auch unregelmäßigen Zeiträumen oft großen Schwankungen unterworfen ist, sind schon derart abgekühlt, daß in ihren Atmosphären bereits chemische Verbindungen vorkommen können, die Cberfläche mancher vielleicht schon eine in Rothgluth befindliche erstarrte Rinde bildet. Bei diesen hat die Todesstunde der gesammten, doch auch dort ver­muthlich vorhandenen Lebewelt, auf den sie umkrei­senden kleinen Welten entweder bereits geschlagen oder naht sich mit schnellen Schritten, denn die Licht- und Wärmequelle ist im Versiegen begriffen und die todbringende Kälte des unendlichen Weltraumes bricht von allen Seiten herein.

Die chemische Zusammensetzung dieser Gluthbälle aller drei Gruppen, ermittelt durch die Spektral­analyse, hat sich als ähnlich der unserer Erde er­wiesen; sämmtliche irdischen Grundstoffe sind auch im Weltenraume nachgewiesen. Vor allen machen sich Wasserstoff und Natrium bemerkbar. Nur ganz einzelne Elemente sind durch das Spektrum auf fernen Welten ermittelt, welche bis jetzt auf unserem Planeten noch nicht gefunden wurden.

Wenn es auch wohl selbstverständlich ist, daß die meisten dieser ungezählten Sonnenwelten, welche, soweit sie unseren optischen Instrumenten als Sterne erkennbar sind, und soweit unsere Fernrohre reichen, nach freilich sehr roher Schätzung, etwa an Zahl 100 Millionen betragen, gleich unserer Sonne von einem Heere abhängiger Planeten und Kometen um­freist werden, so wissen wir natürlich aus direkter Anschauung hierüber, wegen der schwindelnden Ent­fernungen, nichts.

Aber nicht nur Planeten freisen um Sonnen, sondern auch selbstleuchtende Firsterne um Firsterne, die Doppel- und mehrfachen Sterne, wobei letztere garnicht selten in den verschiedensten Farben erglühen.

Systeme, in denen rothe, grüne, gelbe und blaue Sterne um einen gemeinschaftlichen Schwer­punkt freisen, zeigen sich im Teleskope den entzückten Blicken.

Welch wunderbare Lichteffekte, welche neuen Be­dingungen des Lebens müssen auf den dazu gehören­den Planetenschaaren herrschen, wenn am Firmament gleichzeitig in den verschiedensten Farben er­glühende Sonnenstrahlen, von denen bald diese, bald jene durch die Rotation vorübergehend ver­schwindet und dadurch neue Farbentöne sich bilden.

Sterne, welche gleichmäßig oder ungleichmäßig ihre Lichtstärke verändern, find, wie erwähnt, auch schon mehrfach beobachtet worden; davon einer, der nach dem dänischen Astronomen Tycho de Brahe   be­nannte, welcher am 11. November 1572 plößlich im Sternbilde der Cassiopeya aufleuchtete, derart hell

Wanderungen durch Beit und Raum. sämmtlichen Firſterne in brei Hauptgruppen ober, ſtrahlte, daß er die bisher hellsten Sterne des Him­

S

Don Th. Dverbeck.

IV.

Die Fixstern- und Nebelwelt.

chon eine oberflächliche Betrachtung des ge­stirnten Himmels mit seinen angeblich unzähl­baren Sternen, deren Zahl auf beiden Hemi­sphären zusammen für das unbewaffnete Auge jedoch nur etwa 5700 beträgt, zeigt, am deutlichsten in mondscheinlosen Nächten, daß zweierlei Stern­formen am nächtlichen Himmel erstrahlen.

Die überwiegende Mehrzahl nämlich verändert scheinbar nie ihren Plaz und gleicht funkelnden Edel­steinen, welche beſtändig ein Flimmern und Glizern, verbunden mit momentanem Farbenwechsel, erkennen lassen; fünf dagegen erstrahlen, ihren Plaz fort­während langsam wechselnd, in ruhigem Glanze,

richtiger gesagt, Formen zerfallen.

Die erste Gruppe enthält die weißen und bläu­lichen Sterne, also die meisten Sterne erster Größe, z. B. Sirius, Wega, Regulus. Diese Sterne, die jüngsten ihrer Entwickelungsstufe nach, besigen die größte Leuchtkraft; ihre Gluth ist noch so hoch­gradig, daß die in ihrer Dunsthülle enthaltenen Metalldämpfe nur eine sehr geringe Absorbtion der Spektrumlinien ausüben, also nur äußerst schwache Absorbtionslinien hervorrufen.

Höchst merkwürdig ist bei einem Sterne dieser Gruppe, dem Sirius, die geschichtlich nachgewiesene Aenderung der Farbe, welche nur durch eine groß­artige Revolution zu erklären ist.

Zu Ptolemaeus Zeiten( 150 n. Chr.) war der selbe nämlich feuerroth, wie aus dem Firsternkatalog des genannten Astronomen unzweifelhaft hervorgeht, heute dagegen besißt er ein rein weißes Licht.

Später werden wir bei einer anderen Gelegen

mels an Glanz übertraf, bei Nacht durch die Wolken schimmerte und für ein scharfes Auge selbst am Tage sichtbar war; nach einiger Zeit verblaßte jedoch sein Schimmern mehr und mehr, und verschwand er dem unbewaffneten Auge im März 1574.

Eigenartige Revolutionen, begleitet von den furcht­barsten Folgen für die zugehörenden planetarischen Welten, müssen auf derartigen aufleuchtenden Sternen eingetreten sein. Das Spektrum zeigte stets, daß glühende Wasserstoffmassen bei denselben eine Haupt­rolle spielten.

Es würde zu weit führen, jezt genaner darauf einzugehen, zumal später der Gegenstand, bei der Besprechung der Diluvialablagerungen der Erde, nochmals herangezogen werden muß.

Daß die Entfernungen der Firsterne voneinander sehr verschieden, jedoch stets ganz ungeheuer sind, ist als bekannt vorauszusetzen. Es mag daher hier nur erwähnt werden, daß der bis jetzt als nächster Stern