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Die Neue Welt. Illustrirte Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Verschwörung zu entdecken. Diese Gerüchte wurcen bald bestätigt: Im Regierungsboten" war ein ant­licher Bericht veröffentlicht, in dem den treuen Unter­thanen mitgetheilt wurde, die Behörde habe es zu Wege gebracht, eine ganze Korporation politischer Verbrecher in der Zahl von fünfundsiebzig Personen dingfest zu machen. ( Fortsetzung solgt.)

Deutsche Sprachbeluftigungen. Vierte Hampfel.

( Schluß.)

Von Manfred Wittich.

ahlreich sind, wie schon einmal angedeutet, die Nedensarten, welche dem geistlichen Leben und dessen Vorstellungsreichen entnommen sind. In einem Landsknechtsliede vergleicht der Verfasser des selben, der sich Jörg Graff   nennt, seine edle Zunft mit einem geistlichen Orden, den Kaiser Maximilian gestiftet habe. Er meint, Fasten und Beten sei bei ihm zwar nicht im Schwang, das sollten Pfaffen und Mönche treiben, wohl aber hielten sie Prozessionen, feierliche Umzüge mit langen Spießen; ebenso hielten sie auch Kapitel( berathende und beschließende Ver­sammlungen der geistlichen Ordensbrüder) ab, und zwar mit Spieß und Hellebarden."

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An anderen Liederstellen wird von den Lands­knechten spöttisch bemerkt, sie verständen sehr gut, ihren Feinden die Beichte abzuhören und ihnen die legte Delung zu geben, womit einfach das Todtschlagen derselben gemeint ist.

Dieser grausige Humor findet sich schon in der Spielmannspoesie, welche die Necken der volksthüm lichen Heldensage zuweilen in burleske, lustige Per­sonen umgestaltet, um der Hörerschaft etwas zunt Lachen zu bieten. Der abgeschlossene Typus dieser humoristischen Figur ist der Bruder des alten Hilde­brand, des Schwertmeisters des Dietrich von Berne, der Mönch Ilsan, der im Gedicht vom großen Rosen­garten eine bedeutende Rolle spielt; da er eine der ältesten Figuren deutscher humoristischer Dichtkunst ist, wollen wir bei ihm einen Augenblick verweilen.

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Ilsan hat sich, wie mancher Ritter des Mittel­alters gethan haben mag, nach Jahrzehnte langer blutiger Kriegsarbeit in Sorge um sein Seelenheil in das Kloster Münchegezellen  " zurückgezogen, aber seinem Lehnsherrn Dietrich von Berne   für den Fall äußerster Noth noch eine Kriegsreise mitzuthun gelobt. Diese Gelegenheit scheint nun, zwanzig Jahre nach Ilsans Eintritt ins Kloster, gegeben, da Kriemhild  den König Ezzel von Hunnenland, bei dem der Berner im Eril lebt, ausgefordert hat, zwölf Helden in den Rosengarten zu Worms zu senden, um zwölf Burgunderhelden, unter ihnen Siegfried  , Kriem­hildens Gemahl, im Zweikampf zu bestehen. Der Preis soll sein ein Kranz von Rosen und ein Küssen und ein Hälsen" Kriemhildens selbst.

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Elf Recken hat Dietrich beisammen, nun gilts nur noch Ilsan zu holen. Mit tausend Mann wird gen Münchegezellen" gezogen. Wuthentbrannt heißt der alte Haudegen seine frommen Mitbrüder, ihm sein Gewaffen bringen, um gegen die Feinde, für die er Dietrich und die Seinen hält, in den Kampf zu gehen; er will sie alle tausend allein

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bestehen, es müßte ihm denn das Schwert in der Hand zerbrechen. Auf dem Blachfeld erblickt er Hildebrand, seinen Bruder, und rennt ihn gewaltig an, worauf Jener sich zu erkennen giebt wohl durch Abnehmen des Helmes und ihm das An­liegen Dietrichs eröffnet, da Ilan trotzdem mit ihm kämpfen will. Hat Ilsan seinen Bruder schon um der Wormser Ausfahrt willen einen alten Thoren genannt, so scheut er sich auch nicht, den herbei­fommenden föniglichen Dietrich zu schelten, daß er als alter Knasterbart( ,, du alter grise" nennt er ihn) das Kämpfen und Heerfahren nicht lassen wolle. Er müsse doch ein alter Narr sein, daß er Kriem­hildens Ausforderung Folge leisten wolle. Auf die Erinnerung an seinen Eid erwidert Ilsan, zu einer nöthigen Vertheidigung Bernes( Veronas) sei er bereit, zu der Wormser Narrenfahrt aber nicht. Hildebrand mahnt nun Ilsan an seine schuldige Brudertreue, und jetzt stellt Iljan nur noch die Bedingung, daß der Abt des Klosters ihm Urlaub gewährt. Der alte Kazbalger- Adam erwacht wieder in ihm.

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Da schwang er ab die Kutte( die er bis dahin über der Rüstung trug) und ließ sie fallen in das Gras," und so eilt er zum Abt, um Erlaubniß zur Heer­fahrt nach Worms   zu erlangen. Hildebrand bemerkt, als er das Schwert Ilsans gewahrt: er habe da einen recht übelen Predigerstab" als Wehr. Der Abt macht aber Schwierigkeiten, es sei nicht der Mönche Recht, zu fechten und Blut zu vergießen. Ilsan dagegen droht, wenn den Gothenhelden in Worms   ein Leid geschehe, müßten es die Kloster= brüder entgelten, dafür werde er, Bruder Ilsan, sorgen. Darüber erschrickt der Abt gewaltig und ertheilt den gewünschten Urlaub, läßt auch auf Ilsans Wunsch alle Klosterbrüder kommen, von denen sich Jener verabschiedet und sie bittet, daß sie für ihn beten; er wolle ihnen zum Danke von Worms  ein gut Theil Rosen mitbringen. Das versprachen sie denn auch. sie denn auch. Als aber Dietrich und die Seinen mit Hildebrand fort sind, fluchen sie Ilsan und bitten den Himmel, er möge todtgeschlagen werden, weil er sie oft bei den Bärten herumgezogen habe, wenn sie ihm nicht in Allem zu Willen waren. Unterwegs legt Jlsan seine Mönchskutte wieder an, was dem Fergen Norprecht, der die Helden über den Rhein   führt, Anlaß giebt, allerlei höhnende Wize zu machen über diesen reisigen Priester, dessen Schrift kunst die Seelen von ihren Leibern scheide. Als Fährgeld verlangt er Hand und Fuß der Ueber­gesetzten, verzichtet aber darauf, als Hildebrand, sein Freund von Alters her, sich als Ilsans Bruder vorstellt. In Worms   angelangt, beginnen die Zwei­kämpfe, die alle siegreich für Ezels Mannen aus­fallen. Ilfan wird dem Fiedler und Sänger Volker entgegengestellt, dem er entgegenschreitet im grauen Mönchsgewand über der Rüstung und in den Rosen wüthet." Als Kriemhild   ihm zuruft, ihm stände wüthet." Als Kriemhild   ihm zuruft, ihm stände besser an, zu Chore zu gehen und Messe zu lesen, beginnt er sich in den Rosen zu wälzen" und erklärt, er wolle deren so viel sich erstreiten, als er nur zu tragen vermöge. Kriemhild erzürut darüber arg und auch Volker schilt den Jlsan: der Berner habe wohl seinen Narren hergeschickt. Ilsan erklärt dagegen, er wolle ihm schon beibringen, ob er ein Thore" sei und streckt ihn mit einem ungefügen Faustschlag

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nieder, daß er in die Nosen fällt. Doch erhebt sich Volfer wieder und im weiteren Kampf schlägt er Iljan mit seinem Schwert- iedelbegen den Prediger­stab" aus der Hand. Endlich aber besiegt Ilsan seinen Partner. Kriemhild   trennt die Kämpfer und sagt, sie wolle Ilsans Abt klagen, daß er ihm zur Buße harte Fasten auferlegen solle. Ilsan ant wortet ihr, das Fasten werde er thin, wenn er wolle. Dagegen sei die Buße, welche er und seine Genossen den Kämpfern von Worms   auferlegt haben, diesen zu schwer gewesen, die Hälfte von ihnen läge ja schon todt. Des Sieges Preis muß ihm ertheilt werden und der ungefüge Mönch reibt sie beim Küssen mit seinen Bartborsten blutig. Dann besiegt er noch 52 Burgunderhelden, um seinen 52 Klosterbrüdern die versprochenen Kränze mitzu­bringen. Nach der Heimkehr vertheilt er die Kränze auch an die Mönche, drückt aber dabei Jeden den dornigen Rosenkranz so derb auf den Kopf, daß Blut fließt. Er meint, es sei ihm auch nicht leicht geworden, die Rosen zu erringen, darum könnten sie ebenfalls deshalb etwas leiden. Nun erklären Jene, Ilsans Blutschuld auf sich nehmen und mit abbüßen zu wollen. Einige widerwillige Brüder knüpft Jlsan mit den Bärten zusammen und hängt sie so über eine Stange, bis auch sie mürbe werden.

Wir haben uns bei der prächtigen Figur des Mönches Ilsan etwas länger aufgehalten, um den Hintergrund aus der deutschen Dichtung zu gewinnen, auf welchem der grimmige Landsknechtshumor sich verständlich abhebt und erklärt.

Wenn Ilsans Stellung im Kloster so ist, daß selbst der Abt ihn fürchtet, so ist das ein Ausnahme­fall. Gemeinlich hält die Anwesenheit des Ober­hauptes die Brüder in Zucht und Ordnung. Anders ists, wenn er den Rücken kehrt, oder gar über Land fährt. Da gings wohl manchmal drunter und drüber, wie man das im Schulzimmer noch heute bei unserer Jugend sehen kann, wenn der Lehrer hinaus ist. Ja, sogar in preußisch- deutschen Kasernen­stuben soll in Abwesenheit des Jour- Habenden" mancherlei Sonderbares vorkommen. Wenn die Kaze aus ist, tanzen die Mäuse, sagt heute in solchen Fällen das Sprichwort. Dasselbe sagt aber auch das andere: Der Abt ist nicht zu Hause."

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In einem Kinderspiellied ist dieses noch erhalten, das ich als Kind in meiner Jugend auch noch mit­gesungen habe und das heute noch lebendig ist. Da heißt es: Der Abt ist nicht zu Hause, Er ist bei einem Schmause! Wenn er wird zu Hause komm', Wird er schon geklingelt komm'!"

Dem katholischen   Geistlichen, der einem Ster­benden die letzte Wegzehrung" bringt, geht ja der Küster oder Kaplan klingelnd voran, damit sich die ihm Begegnenden vor den heiligen Kultgegenständen verneigen, befrenzen oder niederfnien. Unser Spiel­lied weiß freilich nicht mehr, daß dem Abt wohl nicht vorangeklingelt würde, wenn er blos zum Schmause auswärts wäre. Oder sollen wir dem Urheber des Liedchens die satirische Bosheit zutrauen, daß der Abt einen Amtsweg mit Monftranz und Küster nur vorgegeben habe, um in Wirklichkeit lediglich einer Schmauserei beizuwohnen? Zuzutrauen wäre auch dies der spottfrohen Muse der deutschen Voltspoesie.

Hus dem Papierkorb der Beit.

Der Siebenschläfer.( Zu unserem Bilde.) Ei, der Tausend! Das ist denn doch zu arg. So etwas ist ihnen, den gutmüthigen, zottigen Wollthieren in ihrem ganzen Leben noch nicht vorgekommen. Während die Sonne bereits hoch am Himmel steht und ihnen schon seit einer Stunde der Magen knurrt, liegt ihr Herr und Gebieter noch ganz gemächlich in den Federn und schläft und träumt.

Hat er am vergangenen Abend etwa zu lange ge­schwärmit, hat er das Fensterlu" vor der Hütte seines Mädels gar bis nach Mitternacht   getrieben? Freilich, die Liebe ist ja etwas zu Süßes, zu Verführerisches, das wissen die zottigen Vierfüßler, die sehnsüchtig harrend die Lagerstatt ihres Herrn umstehen, auch. Aber so alle seine Pflichten zu vergessen, das ist denn doch zu arg!

Freilich, Freund Tyras scheint darüber anderer An­

sicht zu sein; er hat es durchaus nicht eilig und nichts dagegen einzuwenden, wenn er in seiner privilegirten Stellung als Bettgenosse seines Herrn gemüthlich noch ein Stündchen der Ruhe pflegen kann. Und einmal wird er ja doch erwachen, der Herr Gebieter. Laßt die Sonne nur erst ein wenig höher noch gestiegen sein, so daß die bligenden Strahlen, die neugierig durch die Thürrigen Ingen, den jungen Faulenzer gerade ins Gesicht treffen; dann wird er sich schon die Augen reiben und erschreckt in die Höhe fahren.

Also nur noch ein wenig Geduld, ihr lieben Schäf­lein! Lange wird es gewiß nicht mehr dauern, dann öffnet sich die Stallthüre wieder und hinaus gehts wie alle Morgen auf die saftig grüne Weide. Und gerade heute, da ihr so lange warten mußtet, wird euch das Frühstück um so besser munden!

Verantwortlicher Redakteur: Gustav Macasy in Leipzig  .

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Gedankensplitter.

Ob es einen Gott giebt oder drei feinen Gott oder zehntausend Kinder sollten geung zu essen haben, und ihre Haut sollte rein gewaschen sein. Das Herz jeder Mutter unter der Sonne sagt es, wenn sie eins hat.

Während man schon lange wußte und erklärte, daß die Armen kein Anrecht auf das Eigenthum der Reichen haben, wünschte ich, daß man ebenfalls wisse und erkläre, daß die Reichen kein Anrecht auf das Eigenthum der Armen haben. John Rustin.

Nachdruck des Inhalts verboten!

Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Herrn G. Macasy, Leipzig  , Oststraße 14, richten.

Verlag: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamourg.

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Druck: Way Bading in Berlin  .