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Franz Stuck .

( Bu unserem Bilde.)

Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

s ist schwer, an der Hand eines einzigen Bildes Anderen eine deutliche Vorstellung von einer großen fünstlerischen Persönlichkeit zu über­mitteln, und doch möchten wir die Gelegenheit nicht unbenutzt vorübergehen lassen, über den Schöpfer der machtvollen Allegorie des Krieges etwas mehr zu sagen, als dies im engen Rahmen eines Bildertertes möglich ist.

Haben wir es doch bei Franz Stuck mit einem der bedeutendsten und zugleich originellsten Maler der Gegenwart zu thun, mit einer Erscheinung von solch urwüchsiger Kraft und Tiefe des Gedankens, daß ihr erstes Auftreten im Jahre 1889 geradezu ein Ereigniß für die Kunstwelt bedeutete. Obwohl erst Vierunddreißiger, hat Stuck bereits den Gipfel des Nuhmes erflommen und ist auch außerhalb der blauweißen und schwarzweißrothen Grenzpfähle ebenso bekannt geworden wie etwa ein May Klinger, Uhde, Böcklin u. A.

Und er wäre es vielleicht noch früher geworden, hätten ihn seine Verhältnisse nicht in den ersten Jahren vor Allem aufs Geldve. dienen angewiesen.

Er wandte sich daher zunächst funstgewerblichen Arbeiten zu, in denen sich bereits ein außerordent­liches Talent und feines Stilgefühl offenbarten.

Weiterhin war er als Zeichner, Illustrator, besonders der Fliegenden Blätter " thätig, und so= wohl die hierfür gelieferten Karrikaturen als auch seine Inftigen Veiträge zu allerhand Kneipzeitungen Münchener Künstler zeigen ihn uns als frohen, lannigen Humoristen, den man nach unserem heutigen Bilde, seinem düsteren Gemälde des Krieges, wohl am wenigsten in ihm vermuthen würde.

Von einer weit anderen, größeren Seite als in den zahlreichen zeichnerischen Arbeiten lernen wir ihn auch in seinen Delsachen fennen. Freilich finden sich auch unter ihnen solche von rein humoristischer Fär bung; aber in der Mehrzahl der Fälle ist der vom Künstler behandelte Gegenstand doch ein tiefernster, zum mindesten einer, der mit Scherz und ausgelassener Heiterkeit nichts zu thun hat.

Wollen wir dem Maler Stuck auf seinent Gut­wickelungsgange folgen, so müssen wir mit dem Bilde beginnen, mit dem er auf der Münchener inter­nationalen Kunstausstellung im Jahre 1889 zum ersten Male vor das Publikum trat, um bei dessen größerem Theile allerdings nur Ausdrücke des Wiiß­fallens, des Mitleids, der Empörung wachzurufen, bei Anderen aber um so lebhaftere Empfindungen der Freude und Bewunderung zu wecken.

Dieses Bild war Der Wächter des Paradieses", ein Werk, das den Künstler gleich in seiner ganzen Eigenart, in seiner starken Kraft und ernsten Größe erfennen ließ.

Es zeigt uns die stolze, glanzumvobene Gestalt eines Engels, der, in heldenhafter Körperschöne prangend, mit mächtigem Flammenschwert den Ein­gang zum Ort der Seligen hütet.

Otto Julius Bierbaum hat es einmal ein Abbild der jungstolzen Kunst, ein hohes Lied auf die Straft genannt, und in der That ist dies der treffende Ausdruck für die Empfindungen, die Stuck mit seinem Wächter des Paradieses in uns erweckt.

Als Gegenstück zu diesem Vertreter des Lichtes sei hier gleich der ein Jahr später gemalte Lucifer erwähnt, ein Fürst der Finsterniß, wie er in seiner fas.inirten, dämonischen Gluth sich kaum beschrei­ben läßt.

Aber auch milde, weiche Farbentöne zur Schil­derung zarter Anmuth und Schöne stehen dem Künstler zu Gebote. Ein Beweis dafür ist seine Juno: entia" ( Unschuld, ein Bild stiller, reiner Jungfräulichkeit, ausgestattet mit all dem Zauber, der einer jungen, kaum erschlossenen Mädchenknospe eigen.

Freilich, im Allgemeinen liegen der Natur Stucks andere, leidenschaftlichere Motive näher; seine ur­wüchsige Kraft, seine lebendige Phantasie treiben ihn zur Behandlung monumentalerer Vorwürfe. Aus diesem Geiste heraus sind denn auch seine meisten anderen Werke geboren: so seine Vertreibung aus dem

Paradiese, seine Kreuzigung Christi; die Bilder, die mythologische Figuren und Szenen zum Gegenstande haben, die machtvolle Schilderung der Sphinx, die bekannte Sünde" und nicht zuletzt seine große Allegorie des Krieges, mit der wir uns denn auch etwas näher beschäftigen wollen.

Was sehen wir?

man Stilgefühl nennt, Verständniß für das richtige Verhältniß von Form und Inhalt, so daß ein etwaiges Abirren von dem bisher eingeschlagenen Wege jeden­falls nur vorübergehend sein würde und wir sicherlich noch eine Menge von Arbeiten erwarten dürfen, die an Werth und fünstlerischer Größe in nichts hinter dem schon Geleisteten zurückstehen.

Von nächtlichent Dinkel überschattet, dehnt sich ein ungeheueres Leichenfeld vor unseren Blicken aus. In gräßlichem Gewirr, wie sie der kalte Stahl dahingemordet, liegen bald neben-, bald über­dahingemordet, liegen einander die nackten Körper der Erschlagenen zu Altes und Neues aus dem Reiche der Tonkunft. Tausenden und Abertausenden am Boden ausgestre ft.

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In schrecklicher Krümmung ragen hier und dort erstarrte Arme, schmerzgeballte Fäuste in die Luft; und wo aus der Masse der weißen Leiber ein Menschenantlig hervorblickt, grinst uns aus den ver­zerrten Zügen fürchterlich die Todesqual der Schlacht­opfer entgegen.

Und mitten über sie hinweg sehen wir auf fohl= schwarzem Nosse die finstere Gestalt des Krieges schreiten.

Indeß die sehnige Rechte den Knauf des über die Schulter gelehnten Riesenschwertes umspannt, schweift das starre Auge des Gottes kalt über die blutige Ernte, die er heut gehalten. Wahrlich, es war ganze Arbeit, die er hent verrichtet hat; selbst das dunkle Thier mit seiner blöfenden Zunge, das die Leiber der Todten niederstampfend, müde cinen Fuß vor den anderen seßt es scheint genug zu haben; denn auch das Graufen wird zum Ueber= druß".

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Und wie ein Symbol des Todes, der alles Leben auslöscht, ruht undurchdringliche, sternlose, finstere Nacht auf den Gefilden.

Ja, das ist der Krieg, der Krieg, wie ihn in seiner ganzen düsteren Größe, in seiner vollen bri­talen Macht der Zerstörung, in seinem Niedertreten alles Dessen, was Menschenleben, Sitte und Kultur heißt, wohl kein Anderer vor Stuck so packend, so gewaltig zu schildern verstanden hat.

Trotzdem mag es vielleicht Einen oder den An­deren geben, der an der in gewissem Sinne unreali­stischen Art der Darstellung Anstoß nimmt, der fragt, was soll diese völlige Nacktheit sämmtlicher Gestalten, warum hat der Maler nicht ein Bild der Zerstörung. vor uns aufgerollt, wie es unzählige Schlachten unserer Tage hinterlassen haben? So etwa eine Schlacht von Waterloo, Königgräß oder Gravelotte mit ihrem Durcheinander Todter und Verwundeter in ihren bunten, blutgetränkten Uniformen? Da­zwischen verendende Thiere, verlassene Geschüße, ver­lorene Säbel und Gewehre?

Darauf ist zu antworten, daß der Maler uur, indem er alle zeitlichen und örtlichen Zufälligkeiten bei Seite ließ, den Gedankeninhalt seines Werkes in so reiner, starker Form zum Ausdruck bringen konnte, und daß er gerade durch die Darstellung des nackten menschlichen Körpers und zugleich durch die Häufung der weißen kraftstrogenden Leiber den Gegensatz zwischen Tod und Leben in seiner vollen Größe, den Krieg selbst in seiner ganzen Furcht­barkeit zu schildern im Stande war.

Uebrigens begegnen wir diesem Mangel streng realistischer Darstellung nicht Malweise noch bei manch anderen Bildern Stucks .

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Und doch, troß seinem starken Hang zum Phan­tastischen fällt es dem Künstler niemals ein, sich auf die Wege trockener, nüchterner Allegorie zu verirren; seine Gestalten, in denen sich irgend eine große, tiefe Jdee verkörpert, haben nichts Schemenhaftes an sich; im Gegentheil, es sind immer Gestalten von Fleisch und Blut, nicht selten sogar in ihrer natürlichen Kraft und Lebensfülle übertrieben.

Gerade dies, Stucks Neigung zu übertreiben, ist freilich von der anderen Seite wieder von Manchen getadelt worden; man hat die Befürchtung aus­gesprochen, der Künstler werde sich bald noch zu größeren Maßlosigkeiten versteigen und in einer ge­wissen Mauirirtheit ausarten.

Ich glaube kann, daß diese Vermuthung begründet ist; jedenfalls scheinen mir die bisherigen Arbeiten des Meisters feinen Anhalt dafür zu bieten. dann besigt gerade Stuck wie Wenige das, was

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Von Adolf Lubnow.

IV.

Das arbeitende Volk und die Musik. er die Geschichte des deutschen Konzert­und Theaterwesens während der letzten fünfzehn Jahre aufmerksam verfolgt, wird ein stetes, rasches Amwachsen der ausdrücklich für den Besuch der unteren Volksklassen berechneten theatralischen und musikalischen Aufführungen nicht verkennen fönnen. In unseren meisten Großstädten werden, wenigstens in den Wintermonaten, regel­mäßige Klassikervorstellungen zu halben Preisen", Volksthümliche Konzerte" oder Vortragsabende" veranstaltet. Auf die Gründe dieser erfreulichen Erscheinung näher einzugehen, würde zu weit führen. Vielfach ist es das Streben weniger Wohlmeinender, nach Kräften dazu beizutragen, daß von den Schäßen unserer Kultur möglichst viel jenen Unzähligen er= schlossen werde, die durch ihre ökonomische Gebunden­heit von jeder ernsten, dauernden Beschäftigung, mit der Kunst ausgeschlossen sind. Vielfach freilich ist es auch das Verlangen, mit einigen kleinen Opfern die Vorwürfe des anklagenden Gewissens zu be­schwichtigen, das nicht dulden will, daß die höchsten und reinsten Kunstgenüsse nur einer kleinen, privi­legirten Minderheit zugänglich sind, während Hundert tausende nach Kunst und Schönheit schmachten. Oft genug ist es vollends die Absicht, mit solchen und ähnlichen gemeinnüßigen Veranstaltungen den breiten Volksmassen die trene, liebevolle, auch auf die Hebung des intellektuellen Niveaus" des Volkes ge= richtete Fürsorge der besitzenden Klasse überzeugend darzuthun und sie vor allen bösen, emanzipatorischen Gelüsten zu bewahren.

Haben nun die genannten Versuche, dem Volfe die Schäße unserer dramatischen Dichtung und Musik 311 erschließen, wirklich den gewünschten Erfolg gehabt?

Was die theatralischen Aufführungen anlangt, so kann man die Frage für eine fleine Reise von deutschen Großstädten, wie München , Berlin und manche andere, unbedenklich be'ahen. Man hat sich sogar vielfach nicht damit begnügt, dem Volfe cine Reihe von Musteraufführungen klassischer Dramen zu bieten, sondern man hat es sogar mit dem größten Erfolge versucht, an der Hand Ibsens und Haupt­manus Liebe und Verständniß für das moderne Drama zu erwecken.

Dagegen bilden freilich die Klassikeraufführungen zu halben Preisen" in der Geschichte einer langen Reihe von deutschen Schaubühnen den dunkeln Fleck. Entweder man vertrat das Prinzip: Halbe Preise, halbe Leistungen" und gab den Schauspielern an den gewöhnlich an einem bestimmten Wochentage stattfindenden Aufführungen willkommene Gelegen heit, sich von den Strapazen der übrigen Theater­abende zu erholen, oder man gab den Aufführungen durch die Auswahl der Stücke ein so tendenziöses

* Ich bemerke, daß ich mit den genannten Volks­thümlichen Konzerten" nur einheitlich und nach einem be­stimmten Plane durchgeführte Musikaufführungen zum Zwecke der Popularisirung klassischer Musik verstehe. Leider scheint ein nicht unbeträchtlicher Theil unserer Kapellmeister unter demselben Namen nun den Jubegriff aller jeweilig von der Gaffenjugend geträllerten und gepfiffenen Gaffenhauer und Tingeltangel melodien zu verstehen: wer jemals in Leipzig ciner ausdrücklich als Populäres Konzert" bezeichneten Musikaufführung beigewohnt hat, wird mit Schrecken wahr­genommen haben, wie sich die populäre Musik" faſt aus­schließlich als ein nach dem Rezept Für das Volk ist gerade das Schlechteste gut genug" zubereitetes Ragout von Tänzen, Märschen und faden Operettenmelodien darstellt.

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