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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

streng logischen Gefeßen aufgebaute Kammerinusit, die darum mit wenigen Ausnahmen nur von unseren ersten Meistern gepflegt worden ist. Nur eine voll­ständige Bertran.heit mit dem Geiste der klassischen Musik und eifriges Hören wird das Verständniß für diese ebenso eigenartige als bedeutende Musik­form ermöglichen.

Freilich wird jeder Versuch, die Schäße unserer älteren und modernen klassischen Musik dem Volke zu erschließen, erfolglos bleiben, wenn er nicht von einem steten, energischen Kampfe gegen die Aus­geburten des durch und durch verdorbenen muusikali­schen Tagesgeschmacks begleitet ist. Dieser Kampf wird vor Allem passiv geführt werden müssen; wer wirk­lich bestrebt ist, seine musikalische Bildung zu fördern und an den Meisterwerken unserer ersten Künstler zu vervollkommnen, wird jeder Gelegenheit, schlechte Modemusik zu hören, sorgsam aus dem Wege gehen und in diesem Sinne auch unter seiner Um­gebung wirken. Bei dieser Gelegenheit sei noch kurz

Schädelkapazitäten zu messen bediente man sich bis in neuerer Zeit der Glasperlen, der Erbsen, des Sandes oder kleiner Schrot örner. Ende vorigen Jahres nun wurde in der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnographie und Urgeschichte die Methode angeführt, welche ein Herr Poll anwendet, um den Inhalt einer Schädelhöhle zu messen. Er führt eine Kautschufblase in den Schädel ein, welche dünn genug ist, um sich allen Formen des Schädelinnern anzuschmiegen, und anderer­seits den Druck des Wassers, das er nun in den Schädel hinein läßt, zu ertragen vermag. Dann läßt er, wenn alle Theile des Schädels mit Wasser gefüllt sind, dieses in ein Wießgefäß einlaufen und vermag auf diese einfache und sinnreiche Weise die Schädelkapazität jedesmal in zehn bis zwölf Minuten festzustellen, sowie denselben Schädel beliebig oft darnach zu messen.

Die Arbeit eines Blitzstrahles kann in der Weise gemessen werden, daß man bestimmt, eine wie große Menge Eisen von dem Blizz geschmolzen werden kann. Darnach entspricht die von einem Bliz geleistete Arbeit durchschnittlich 7000 Pferdefräften in einer Sekunde.

Gedankensplitter.

Ein Autodidakt( ein Mensch, der sein eigener Lehrer ist, sich durch Selbststudium Kenntnisse erwirbt) kann ein seitig sein, aber meist bewahrt er sich besser das Leben und das Feuer der Begeisterung. Uebrigens ist am Ende Jeder mehr oder weniger Autodidakt. Ich gestehe, daß mir die Vorlesungen an der Universität sehr wenig genugt haben; kaum daß sie mir Anregung gaben. Freilich kann man auch auf die Universitäten Hamlets( Prinzen von Dänemark  , Helden eines Shakespeareschen Tramas) Wort anwenden, daß etwas faul sei im Staate Dänemark  .

Lotheiffens Tagebücher.

Vom frevelhaft herbeigeführten Duell bis zum über­dachten Mordanfall ist nur ein Schritt.

ist sie

Ist das qualvolle Hasten, der unaufhörliche Kampf ums Dasein, der den Menschen heut auferlegt wird, ein Vorzug der Gegenwart? Ist die stetig wachsende Gewalt des Staates, der das Leben seiner Bürger von deren erstem Lebens ahre an regelt, der sie gleichmäßig erzieht, drifft, polize.lich bewacht, und durch diese gutgemeinte Vorsicht jede Originalität zu verbannen droht auch ein Segen? Bei der Beurtheilung früherer Jahr­hunderte müssen wir uns bemühen, die Vorurtheile, die uns die Erziehung, wie das Leben eingeflößt haben, so viel als möglich abzulegen. Ganz wird uns das freilich nie gelingen. So brüstet man sich in unserer Zeit gern mit der Freiheit, die der Staatsbürger errungen, wobei er zunächst an das Recht des Volkes denkt, durch ge­wählte Vertreter seinen Willen kund zu thun, an der Ausarbeitung der Gesetze zu helfen, die Etenern zu be­willigen und Aehnliches mehr. Dieses Recht besteht, gleich wie die Freiheit, mehr scheinbar als wirklich; wirklich aber ist die Knechtschaft, welche der Staat seinen Bürgern auferlegt, und die wir schon oben erwähnt. Wir halten uns frei, weil wir von Zeit zu Zeit an die Wahl­urne treten dürsen und uns auf eine Anzahl von Jahren einige hundert Herren geben. Wir halten uns für frei, dürfen aber unseren Söhnen keine andere Erziehung geben als sie der Staat in seinen Schulen gewährt, widrigenfalls sie eine Menge von Rechten verlieren. Wir halten uns für frei, haben aber den Impfzwang, Schulzwang, Re­ligiouszwang, Militärzwang, Steuerzwang, und noch vieles Andere ließe sich von solchen Zwangslagen an­führen. Lotheiffen, Zur Kulturgeschichte Frankreichs  im 17. und 18. Jahrhundert.

auf ein Moment eingegangen, das meines Wissens noch in feiner Untersuchung darüber, wie die allge­meine musikalische Bildung gehoben und der schlechten Geschmacksrichtung mit Erfolg entgegengetreten werden könne, die verdiente Berücksichtigung gefunden hat. Es sind dies die mechanischen Musikwerke, die soge= nannten Musikautomaten, in ihrer jezigen Gestaltung bekanntlich eine Erfindung der letzten funfzehn Jahre. Auch in früherer Zeit wurden mechanische Musikwerke unter dem größten Aufwande von Zeit und Mühe angefertigt, aber es waren dies auch Meisterwerfe von höchstem fünstlerischen Werthe und individuellem Gepräge: ein Mozart verschmähte es nicht, für ein derartiges Instrument eine Komposition zu schreiben. Die vielen Tausende von Musikautomaten, die heute in alle Lande hinausgehen, dienen aber leider zu­meist nur dazu, den niedrigsten Schund von Operetten und Tingeltangelmelodien zu popularisiren und den musikalischen Geschmack selbst der Landestheile, in denen sich eine wahre Volksmusik lauter und rein

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Aus dem Papierkorb der Zeit.

Nur in der Mythologie( Götterlehre) ist die Athene  ( die Göttin der Weisheit) in voller Waffenrüstung aus dem Haupte des Zeus  ( ihres Vaters, des obersten Gottes des griechischen Götterhimmels) hervorgegangen. In der Geschichte sind politische Schöpfungen von wirklicher Daner nnd Haltbarkeit gewöhnlich durch die Arbeit von Jahrhunderten vorbereitet worden. Duruy.

Ter einzige Beweis für die Wahrheit irgend einer Heilslehre" liegt nach Charron einzig und allein in der Menge der Jahre und der Gläubigen.

Wenn man alle Menschen für seine Brüder hält, fommt man aus der Trauer nie heraus. Balzac  .

Der beste, flügste und wohlmeinendste Herrscher läuft beständig Gefahr, durch seine Höflinge verrathen, betrogen, ja selbst verkauft zu werden. Kaiser Diocletian  .

( Vergl. Neue Welt", Jahrg. 1896, Nr. 20.) Wie thöricht sind Nationen, die ihre Größe im Ruhm der Waffen suchen. Eine jede besaß solchen einmal und verlor ihn wieder. Gregorovius  .

Ein Mann, der die einzige Ziffer unter Nullen sein will, ist der Ruin seines Zeitalters. Lord Bacon.

Nichts erhält die Geseze so wirksam, als ihre An­Tacitus. wendung gegen hochgestellte Personen.

Der Hof! Der Hof! Da liegt das Unglück. Ter Hof ist das Grab der Nation. Serail Stabalen, in welchen um das Schicksal Frankreichs   gespielt wird. O poveretta Francia!( armes Frankreich  !) Alles wird von den Großen und vom Adel geplündert. Der Adel ist der Rost der Regierung." Argenson

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über den Hof Ludwigs XV.

Als Ludwig XV.   von Frankreich   noch ein Prinz war, sagte ihm sein Gouverneur( Erzieher), Herzog von Villeroy, an einem Ludwigstag, als das Volk in jubelnder Menge den Play vor den Tuilerien füllte, indem er seinen Zögling dieses Treiben von einem Fenster aus betrachten ließ: Sehen Sie diese Masse, diese unzählige Volksmenge das Alles gehört Ihnen! Sie sind ihr Herr." So berichtet Saint- Simon   in seinen Memoiren. Der Enkel Ludwigs XV. mußte für diese Irrlehre büßen. Von Ludwig XV.   ist fein einziger fruchtbringender Ge­danke zu nennen, den er während seiner fast halbjahr­hundertlangen Regierung gehabt oder bethätigt hätte. Unter ihm lernte das Frankreich   des 18. Jahrhunderts, seines Königs zu entbehren, wie Lotheissen sich treffend ausdrückt.

Verantwortlicher Redakteur: Gustav Macasy in Leipzig  .

Schnihel. m. Standesgemäß.

Mein gnädiger Herr, das fönnen Sie nicht dulden, Daß eine Bürgerstochter Sie verwarf! Euer Gnaden haben ja doch Schulden, Wovor kein Prinz sich schämen darf.

J. Brückner.

Der Kunstgriff. Wollt Ihr zugleich den Kindern der Welt und den Frommen gefallen? Malet die Wollust nur malet den Teufel dazu. Schiller.

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Vater und Sohn.

V.: Das war ein reicher Mann, ei, ei!

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Da mut Du fein Dein Hütchen ziehen;" S.: Wir kommen bei der Münze noch vorbei, Da muß ich wohl gar niederfuien?"

J. T. Hermes.

erhalten hat, zu verderben. Bereits vor vierzig Jahren schrieb ein deutscher Denker, der wie fein zweiter in die Tiefe der deutschen Volksseele geschaut hatte, und wußte, was ihr frommte und schadete, W. H. Riehl  , in seinen Kulturstudien":" Wan   spricht von unverdauter Musik, die vielerlei Volk gedankenlos weitersinge. Der Ausdruck trifft; denn solche mufi­kalische Formen und Gedanken, die dem Organisms einer Volksgruppe fremdartig, von Außen ihm ein­getränkt werden, unverdante und unverdauliche Stoffe, sind allerdings, wie jeder Doktor weiß, höchst un­gesund." lnd ferner: Wo eine unverdante städ­tische Modemusik auf dem Laude das Feld gewonnen hat, da ist auch der Bauer verdorben."

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Geben wir zum Schlusse der Hoffnung Ausdruck, daß es auf dem oben angegebenen Wege recht bald gelinge, dem herrschenden Wodegeschmack überall mit Erfolg entgegenzutreten und einer reinen, wahren Volkskunst die Bahnen zu ebnen.

An einige Unzufriedene.

Ihr flagt den Himmel an, daß Rippel Jntendant, Sipps Stammerrath und Rapps Minister worden ist? Undenkende, so wißt:

Ties ist Beweis, daß auch in Enrem Land Gott selbst die Raben nicht vergiẞt.

Vom Herrendienst.

August Kazner.

Als ärmstes Thier Von allen Thieren, die auf Erden kriechen, Seh ich den wahren Höfling an, Der seinem Herrn leibeigen Sich hingiebt um geringen Sold; Das thät ein Esel nicht und wär er frei. Bald dort, bald hier

Stich, schlage, raube, Brand auch mußt Du riechen; Nimm Roß und Wagen, Henn' und Hahu, Den Menschen spare nicht! Bezeigen Wird dann sich gnädig Dir und hold Dein Herr für so viel edle Schinderei. Eteh jezt vor ihm, jetzt hinterher, Merk auf den ganzen Tag!

Ist er ein Fürst, so eilts noch mehr, Daß er Dich sehen mag,

Und zu Dir sprech ein freundlich Wort, Du nimmst es für des Himmelsfürsten Hort. Oswald v. Wolfenstein.

Rechtshändel.

Wer da Tanzen lernen will, braucht nicht fort nach Frank­ reich   laufen, Diese Kunst im fremden Land um das deutsche Geld zu fan en.

Wer da Tanzen lernen will, fange nur zu rechten( deutsch  : zu prozessiren) an, Dieses giebt so viel zu laufen, daß man endlich tanzen fann.

Klage.

Johann Grob  .

Ach, der junge Herr Baron  Spielt mit seinen Dorfgemeinen Die verkehrte Passion:

Alle leiden hier für Einen.

J. Chr. Fr. Haug.

Der Glaube. Zu dem Adler sprach die Taube: " Wo das Denken aufhört, da beginnt der Glaube." Recht!" sprach jener, mit dem Unterschied jedoch: Wo du glaubst, da denk ich noch!"

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Ludwig Robert  . Oglücklich, wer noch Vettern hat, Dem glänzet noch ein Morgenroth; Er wird, wenn nicht Geheimerath, Doch etwas noch vor seinem Tod. Wohl thuts dem arme. Adam weh, Daß Gott   ihm nicht sein Eden ließ, Er hatte keine Vettern je,

Sonst säß er noch im Paradies.

Nein!

Sagten sie einmal nein! wär ihnen und Vielen geholfen, Aber das Eselgeschrei schreiet zu Allem: J- a. Hoffmann v. Fallersleben  .

Nachdruck des Inhalts verboten!

Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Herrn G. Macasy, Leipzig  , Oststraße 14, richten.

Verlag: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamb   rg. Druck: Mar Bading in Berlin  .