Die Freue Welt
Mr. 29
Was
Bllustrirte Unterhaltungsbeilage.
Die Lieder des Volkes. Ils
Von John Henry Mackay.*
as hilft es, die Bücher der Weisheit zu lesen! Die Lieder des Volkes gilf's zu versteh'n: Was ewig Du sein wirft und was Du gewesen, In ihrem Spiegel wirst Du es seh'n.
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Sie sind so einfach, wie Blumen am Raine, So schlicht, wie des Vogels Gesang im Wald Belausche fie einmal beim Tanz und beim Weine, Belausche fie achtsam, wie süß das schallt!
Nuf der Walze.
Aus den Papieren eines Fechtbruders. Von F. Riebeck.
( Fortsetzung.)
Behntes Kapitel. Große Wendungen.
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ch, daß es so gekommen war! Wir grollten unserem Fechtschulmeister nicht; sein Andenken stand bei uns in Ehren; wir empfanden eine lebhafte Dankbarkeit für ihn und dachten mit Bedauern an die blutige Schlacht und unseren glorreichen Sieg. Denn dieser Mann war uns ein Netter gewesen aus schwerer Noth; wir wären bei der Unfähigkeit, uns einen Bissen Brot zu verschaffen, vielleicht elend zu Grunde gegangen. Er hatte unseren Hunger gestillt und hatte seines freiwillig übernommenen Schulmeisteramtes so gründlich und gediegen gewaltet, daß ich im Zeitraum einer einzigen Lehrstunde die schwierige Kunst des Dalfens" begriffen hatte. Wir brauchten nicht mehr zu hungern; wir verstanden es, von den Bauern unseren Tribut zu fordern. Ich war nun selbst Schulmeister, und Franz bewährte sich als gelehriger Schüler.
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Freilich, solches Talent und solche Gewandtheit zur Kunst, wie sie der Lackirer besessen hatte, besaßen wir nicht, und wir waren bescheiden genug, uns einzugestehen, daß wir sie auch niemals erlangen würden; uns aber genügte es schon, daß wir unterwegs unser Brot fanden.
Vier oder fünf Tage lang trieben wir uns in Niederschlesien umher und gelangten auch in die Bezirksstadt Liegniß, wo wir vergeblich bei mehreren Meistern um Arbeit anfragten.
Daß wir nirgend Arbeit fanden, erfüllte uns mit Besorgniß. Wir glaubten, daß wir schon sehr weit von der Heimath entfernt seien und ernstlich daran denken müßten, unserer Wanderung ein Ziel
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1897
Du tauchst in ein Bad und kühlst Deine Glieder, Es lauscht Dein Ohr, weil es lauschen muß Das sind Deines Volkes unsterbliche Sieder, Der Weisheit erster und lehter Schluß!"
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So sprach er, wie fräumend im ruhlosen Schlafe, Wie wehrend hoß er die blufende Hand, And schleppte erwachend ein ewiger Sklave- In ärmlicher Freude sein Kettengewand...
zu setzen. Noch befanden wir uns in der heimathlichen Provinz; vor den angrenzenden Landen hegten wir eine heilige Scheu, da wir der Meinung lebten, daß wir noch nicht reif und tüchtig genug seien, uns so weit fort zu wagen.
Nachtquartier suchten wir regelmäßig in großen Dörfern. Waren wir auch keine willkommene Gäste, so wies man uns doch nicht die Thür, sondern ge= währte uns Unterkunft bald im Pferdestall, bald auf dem Strohboden, zumeist aber in der Schäufstube, wo ein Lager von Stroh für uns hergerichtet wurde.
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Einmal in der Abenddämmerung gingen wir durch einen stillen Wald. Die Luft war mild und aromatisch, wie am Ende eines sonnenvollen Maitages. Und ein Frieden war im Walde so weich, so heimathlich traut, so erinnerungsüß, daß mir todesbang um das Herz wurde. Im Sturme jauchzt ein heimathloses Herz; es schwillt in Thatenluft und faßt in fühnem Drange den heiligen Entschluß, sein Glück, seinen Frieden zu erkämpfen; doch wenn die Lüfte schweigen und die Natur in sanfter Feierabendstille ruht, dann muß es weinen.
Jern in den Bäumen flötete ein Vogel. Der Frühling war nun wirklich gekommen. Franz bückte sich und pflückte ein Kräutlein vom Boden. Zum ersten Male, daß er den Frühling gewahrte, bis dahin war er, immer nur beherrscht von den Sorgen des Tages und von der düsteren Frage, was die Zukunft bringen werde, achtlos an ihm vorbei gegangen. Der Frühling ist ein mächtiger Bezwinger; er überwältigt mit seiner Zauberkraft auch die trost losesten Gemüther und zwingt sie in seinen Bann. Wie Alles schon wächst!" sagte Franz.„ Das ist ein Blaubeerstrauch. Weißt Du noch, im Herbst, wo wir in den Blaubeeren waren?"
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„ Ja, ich weiß. Deine Schwestern waren dabei." ,, Was mögen sie jetzt machen?" fuhr er fragend fort. Sie denken gewiß an mich. Wenn ich doch zu Hause wäre!"
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Das Heimweh ergriff ihn mit solcher Urgewalt, wie nie zuvor; er begann laut zu weinen und klagte mich an, daß ich ihn so weit fortgeführt habe.
Der Wald war zu Ende und der Weg machte eine plögliche Biegung; wir schritten an einem grünen Abhange dahin. Auf einmal blieben wir überrascht stehen. Unseren Blicken bot sich ein seltsam schöner Anblick dar. Drunten im Thale lag, vom Abendschein umflossen und umkränzt von dunklen Höhen, ein Städtchen. Aus dem bunten Gewirr der Dächer ragten zwei Thürme empor und hoben sich hellfarbig ab von dem schwarzen Hintergrunde des Bergwaldes. Das Ganze bot einen Anblick dar, der mich an ein Bild erinnerte, das ich einſt in meiner Kindheit gesehen und das einen gewaltigen Eindruck auf mich gemacht hatte. Jenes Bild trat mir deutlich vor die Seele. Eine Nachbarin hatte es als Prämie zu einem Lieferungswerke erhalten und einrahmen lassen. Das Bild hieß:„ Die Insel der Glückseligkeit." Ich weiß nicht, war es der Neiz des Bildes, oder die märchenhafte Unterschrift, oder beides zusammen, was in der Knabenbrust so seltsame, phantastisch- schöne Empfindungen, so unendliche Sehnsucht wachrief. Oft in einsamen Stunden erschien mir das buntprächtige Gemälde vor Augen die hellen Matten, das dunkle Grün, die üppige Baumwelt, die in allen Farben schillernden Blumenbecken, die stillen, blauen Wasser und die weißen Häuschen, die gastlich im Hintergrunde schimmerten, und ich bevölkerte diese Insel dann mit glückseligen Männern und wunderschönen Frauen, denen alle Erbärnilichkeiten der sonstigen Welt und hauptsächlich meiner dörflichen Heimath fremd waren.
Nein, das war ein anderes Bild, das ich nun mit sehnsuchtsfeuchten Augen in bezaubernder Wirklichkeit sah; andere Farben und Dinge; anderes Licht, anderer Ton und anderer Rahmen, und doch wirkte es mit seiner lockenden Vertraulichkeit und seiner sanften Heimwehstimmung so überwältigend auf die