Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

sagen, entfernte. Die Sprache seiner thränen feuchten Augen war viel inhaltreicher, als alle Worte es hätten sein können. Langsam schloß er die Thür und sah mich dabei so starr und bittend an, daß mir der Blid wie ein scharfes Messer in die Seele schnitt. Als ich die Thür noch ein wenig offen hielt und ihm zum letzten Male die Hand drückte, liefen heiße Thränen über seine mageren Wangen und sein ganzer Körper zitterte frampfhaft.

" Leb wohl! Schreibe bald! Und wenn Du in Noth bist..."

Der Meister huſtete; wir erschraken Beide; die Thür klappte zu und ich hatte keinen Kameraden mehr.

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Die Stadt hieß Thalungen; wenigstens soll sie hier diesen Namen führen.

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Der Meister, zu dem mich das Schicksal ver= schlagen hatte, war ein Junggeselle, etwa fünfund­vierzig bis fünfzig Jahre alt, und von grämlicher Natur. Er gehörte zu den merkwürdigen Leuten, die nicht lachen können und denen es schwer fällt, ein freundliches Wort zu reden. Schon in den ersten Tagen merkte ich, daß er kein großer Freund vom vielen Arbeiten war, doch bezog sich diese Charakter eigenschaft lediglich auf seine eigene werthgeschäßte Person. Von mir verlangte er den allergrößten Fleiß, und er hatte die entsetzliche Gewohnheit, mich fortwährend durch Zurufe anzufeuern. Sein Lieb­lingsausruf war: Schlafen Sie nicht ein!" und ich bekam diese drastische Ermahnung auch dann zu hören, wenn ich mit dem Aufgebote aller Kräfte und mit voller Hingabe an die Arbeit thätig war. Zur Abwechselung sagte er dann und wann auch: " Fangen Sie keine Gedankenmücken!" oder Werden Sie mir nicht starr!" oder er fragte höhnisch:" Soll ich Leinöl bringen?" Dieser geheimnißvollen Frage gab ich die Deutung, daß mein Quälgeist dabei an das Einschmieren meiner Glieder dachte, um sie ge­lenfiger zu machen. Ungefähr ein duzendmal des Tages begann er plöglich mit geradezu wahnwiziger Eile zu arbeiten; der Hobel   flog dann mit einer Schnelligkeit und Kraft über das Holz, daß ich glaubte, er müsse Feuer fangen; die Säge ächzte und freischte vor Schreck, und die ganze Hobelbaut gerieth in tanzende Bewegung. Dabei verwünschte er die verdammte faule Schlenderei" was natür­lich mir galt und sah mich forschend an, ob ich das großartige Beispiel des Fleißes und der Reg­famkeit richtig nachahme. Gewöhnlich eine Minute oder zwei hielt ers aus; dann überwältigte ihn die angeborene Trägheit und er stürzte zum Ofen oder in sein Wohnstübchen, als sei ihm plözlich ein­gefallen, daß er dort wunderwichtige Dinge zu ver richten habe; in Wirklichkeit suchte er nur mit An­stand von der Hobelbank fortzukommen. Weilte er in seinem an der Werkstatt angrenzenden Stübchen, so pflegte er ganz unhörbar die zu solchem Zwecke sorg fältig eingeölte Thür zu öffnen, in der Hoffnung, mich beim Müssiggange zu überraschen; desgleichen fam er, wenn er von einem Ausgange heimkehrte, ganz leise und behutsam angeschlichen, so daß ich ihn nicht hören sollte, und er riß dann jäh die Thür auf. 3war gelang es ihm nicht, mich beim Müssiggang zu ertappen, da ich aus eigenem Antriebe unermüdlich arbeitete, allein er mochte sich mit dem Gedanken trösten, daß ich infolge seines Manövers gezwungen sci, stets vor ihm auf der Hut und somit bei der Arbeit zu sein. Zum Ueberfluß prüfte er jedesmal nach seiner Heimkehr genau, was ich in seiner Ab­wesenheit geleistet hatte, und jedesmal mußte ich den Vorwurf hören, daß ich faul gewesen sei. In den ersten Tagen erschien mir dieser Zustand so uner­träglich, daß ich bereits ernstlich den Gedanken erwog, wieder zum Wanderstabe zu greifen; allmälig aber gewöhnte ich mich daran, wie ich mich auch an den bitteren Kaffee gewöhnte.

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Ich hatte geglaubt, in Thalungen sei die schöne Sitte, den Trank der Levante   durch Zucker zu ver süßen, unbekannt; allein ich sollte augenehm über­rascht werden. Am Tage des Herrn nämlich, an dem die Christenheit von jeher schwelgerischer lebt, als an Wochentagen, legte der Meister neben jede Kaffeetasse ein Stückchen Zucker von der Größe einer

normalen Haselnuß. Am ersten Sonntage warf ich in meiner Unvernunft die süße Gabe in den Kaffee, der dadurch natürlich von seiner Bitterniß nicht viel der dadurch natürlich von seiner Bitterniß nicht viel verlor; an allen darauf folgenden Sonntagen jedoch verwerthete ich sie nach dem Beispiel des Meisters, der sie in den Mund. steckte, zwischen Unterlippe und Unterkiefer Klemmte und dadurch die großartige Wir­fung erzielte, daß ihm auf billige Art das ganze Frühstück versüßt wurde.

( Fortsetzung folgt.)

Der Suezkanal.

Von P. M. Grempe.

nter den mannigfachen gigantischen Bauwerken, den gewaltigen Leistungen menschlichen Geistes und andauernder Arbeit des neunzehnten Jahr­hunderts nimmt unzweifelhaft die Herstellung des Suezkanals mit die erste Stelle ein. Der Gedanke, durch eine Verbindung des Rothen Meeres mit dem Mittelmeer   eine Verkehrsstraße von eminenter Be­deutung zu schaffen, ist zwar uralt, aber es ist das unsterbliche Verdienst der Kinder unserer Tage ge­wesen, ihn in einer bis dahin kaum für möglich gehaltenen, großartigen Art und Weise zur Aus­führung gebracht zu haben.

Die Lösung dieses Problems, das Jahrtausende die Menschheit beschäftigte, wurde nach den Berichten von Strabo   und Plinius   zuerst von Ramses II  , der von 1394-1328 v. Chr. lebte, versucht, indem er einen Arm des Nils zum Rothen Meere verlängern ließ. Zu dieser Arbeit wurden die Juden in großer Zahl verpflichtet, ebenso zur Erbauung zweier Städte, Pithem und Ramses  , an den Ufern des Kanals. Die infolge solcher Frohnarbeiten entstehende Unzu friedenheit gab den Juden Veranlassung zu großen Auswanderungen. Es läßt sich aus den spärlichen Berichten nicht feststellen, ob der König Ramses durch diesen Kanal nur einen Abzug für die Ueberschwem­mungen des Nils oder eine Bewässerungsanlage be­zweckte; möglich auch, daß hauptsächlich militärische Zwecke, wie der Transport von Truppen und Pro­Zwecke, wie der Transport von Truppen und Pro­viant, in Betracht kamen. Die Vermuthung, König viant, in Betracht kamen. Die Vermuthung, König Ramses III.   hätte diesen Kanal zu einem großen Verkehrsweg für seine vierhundert auf dem Rothen Meere schwimmenden Kriegsschiffe erweitert, ist bis heute als unerwiesen zu betrachten.

Necho II.  ( 609-595 v. Chr.) soll nach Herodot  den Bau des Kanals abermals begonnen haben; eine Arbeit, bei der angeblich 120 000 Egypter das Leben einbüßten. Dem König Darius Hystaspes, der hundert Jahre später lebte, wird dann die end­liche Vollendung des Werkes zugeschrieben. Aller­dings bestreiten dieses Strabo und Diodorus Siculus  , die anführen, Darius sei durch die Prophezeiung einer Ueberschwemmung des Landes durch das Nothe Meer vor der Vollendung des Kanals gewarnt und zurückgehalten worden. Nach Plinius   soll nun Ptole­zurückgehalten worden. Nach Plinius   soll nun Ptole­ mäus II  . Philadelphus( 285-247 v. Chr.) diesen Schifffahrtsweg in einer Länge von 97 Kilometern erneuert, vollendet und mit Schleusen versehen haben. Aehnlich sagt Herodot  , man habe eine Fahrt von vier Tagen gebraucht, und die Breite des Kanals habe zwei Dreirudern die Fahrt nebeneinander ge­stattet. Durch archäologische Untersuchungen hat man nun festgestellt, daß die Breite eines solchen Fahrzeuges in der Wasserlinie etwa 4,5 Meter be­trug. Mithin scheint Strabos Angabe, der Kanal sei 100 Ellen breit gewesen, ebenso glaubhaft wie die, daß die Tiefe selbst großen Lastschiffen die Passage gestattet habe. Als aber im Jahre 31 v. Chr. Passage gestattet habe. Als aber im Jahre 31 v. Chr. Kleopatra nach der Schlacht von Actium   ihre Schäße auf Schiffen durch den Kanal in das Rothe Meer bergen wollte, war er schon so verfallen, daß einige bergen wollte, war er schon so verfallen, daß einige der Fahrzenge in ihm stecken blieben. Der Kaiser Der Kaiser Trojan oder Hadrian  , wie auch der Araber Amru, ein Eroberer Egyptens, ließen ihn um 640 n. Chr. bedeutend verbessern. Jedoch im Jahre 767 wurde auf Befehl des Kalifen Almansor, militärischer und handelspolitischer Interessen wegen, die Zuschüttung

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des Kanals vorgenommen. Damit war aber den auf der Landenge liegenden Bitterseen die Zufuhr frischen Wassers abgeschnitten. Nach und nach lagerte sich infolge der Verdunstung das Salz dieses See­wassers in einer Stärke von 5 bis 6 Metern ab, und nahm endlich bei einer Breite von 5,5 Kilo­metern eine Ausdehnung von 11 Kilometern an. Ver­geblich planten mehrere türkische   Sultane einen Neu­bau des Kanals; ebenso kam das Projekt des kühnen Mamelukenanführers Ali- Bei, das Rothe Meer mit dem Mittelmeer   durch eine direkte Fahrstraße ohne Benutzung des Nils zu verbinden, nicht zur Aus­führung.

Der Scharsblick Napoleons I. erkannte sofort die großen Vortheile des Suezkanals. Auf sein Be­treiben wurde 1798 eine Expedition unter Leitung des Ingenieurs Lepère   zur Erforschung des Terrains ausgerüstet. Aber Widerwärtigkeiten aller Art stellten sich dieser Expedition in ihrer dreijährigen Thätigkeit entgegen. So bot die Beschaffung von Trinkwasser und Lebensmitteln bei dem Mangel geeigneter Trans­portgelegenheiten große Schwierigkeiten, und nicht weniger als sechs Mal mußte Lep re mit seinen Kollegen infolge mangelnden Trinkwassers oder feind­licher Bedrohungen die Flucht ergreifen. Daher ist es denn leicht erfärlich, daß das Ergebniß ihres Nivellements, welches eine Länge von 193 Kilo­metern umfaßte und einen mittleren Niveauunter­schied von 9,908 Metern feststellte, ein falsches war. Aber damals schon erhoben gegen die Richtigkeit dieses Resultats Männer wie Laplace und Fourier Protest. Die später unter Mehemed- Ali von Metternich veranlaßte internationale Kommission zur Aufnahme eines neuen Nivellements stellt denn auch eine fast gleiche Höhe der beiden Meeresspiegel fest. Die Richtigkeit dieses Nivellements wurde durch sieben weitere Expeditionen, die sich bis in das Jahr 1856 hinziehen, bestätigt.

Als 1831 der französische   Ingenieur Lesseps   in Alexandria   in Quarantaine   lag, hatte er zufällig die Mittheilungen seines Landsmannes Lep re über den Plan eines Suezkanals in die Hände bekommen und sich schon damals für die Idee interessirt. Aber erst 1854 erhält er durch die Aufforderung des Vizekönigs Mohamed- Said von Epypten zur Ein­reichung eines Projekts Gelegenheit, den ersten Schritt zur Ausführung zu unternehmen.

Vom Dezember 1854 bis zum Januar 1855 leitet Lesseps   in Begleitung der beiden Ingenieure Mongol- Bei und Linant- Bei eine Expedition, die zur Besichtigung und Erforschung des Terrains eine Strecke von 217 Kilometern zurücklegt. Nachdem die zwei egyptischen Ingenieure im März ihre Vor­studien beendet, unterbreiteten sie ihr Projekt einer mittlerweile aus den bedeutendsten Fachmännern fast aller Nationen gebildeten internationalen Kommission. Diese sandte noch im November desselben Jahres fünf ihrer Mitglieder nach der Landenge von Suez, zur Prüfung des Projekts an Ort und Stelle. Hier wurde zunächst durch Bohrungen, die überall aus einer bestimmten Tiefe Seemuscheln zu Tage för­derten, welche noch heute sowohl im Rothen Mecr als auch im Mittelmeer   vorkommen, der vorhistorische Zusammenhang der beiden Meere nachgewiesen. Da­durch aber, daß diese Kommission nicht nur die voll­ständig gut erhaltenen Spuren der letzten Expedition unter Lesseps, sondern auch die Lagerstätten einer französischen   und österreichischen Brigade vom Jahre 1847 auffand, konnte sie die Unrichtigkeit einer weit­verbreiteten Ansicht nachweisen, welche ein häufiges Vorkommen großer Sandverwehungen auf der Land­enge von Suez annahm.

Gestützt auf diese Ansicht wurde damals be= hauptet, der Kanal sei, vorausgesezt, daß es über­haupt gelänge, ihn fertig zu stellen, immer von der Gefahr allmäliger Versandung bedroht, und die Kosten einer entsprechenden dauernden Ausbaggerung würden zu groß sein, als daß er sich rentiren könnte. Ein weit verbreiteter Irrthum war auch der, daß der Boden durchweg aus Gestein bestehen würde. Da nun der Bohrer Thonarten von Suez bis zu den Bitterseen und von diesen bis zu der Bucht von Pelusien Sand zu Tage förderte, konnte sich diese Meinung nicht mehr halten. Vielen Vorurtheilen