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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Eschenbach, Walter von der Vogelweide usw., werden Herren genannt. Es wird aber auch für den Inhaber der allerhöchsten Sprosse einer gesellschaftlichen Stufenleiter gebraucht: Herr König, Herr Papst; ja sogar für Gott . Da tritt es ein für die ehemals üblichen Worte Frô und trehtin, welche beide auch wieder Herr und Gebieter bedeuten, Testeres speziell Sen Kriegsfürsten, im Mittelhochdeutschen immer nur noch Gott bezeichnend. Ersteres ist noch erhalten in den neuhochdeutschen Worten: Frohne( ursprünglich eigenschaftswortartig gebraucht und meist in 3uſammenſegungen), der Dienst, welchen der Bauer dem Herrn( fro) schuldig ist, Frohnhof gleich Herrenhof, Frohnleichnamsfest gleich das Fest, bei dem der Leichnam des Herrn( Christi) in Gestalt eines Sinnbildes umgetragen wird, Frohnbote gleich der Bote und Bevollmächtigte eines Gerichtsherrn.
Ein Herrenwesen weiblichen Geschlechtes hieß in mittelhochdeutscher Zeit frouwe, woraus unser Frau entstanden ist. Als Frau wurden aber nicht nur, wie heute, verheirathete, sondern auch unvermählte Herrinnen angeredet. Ein Ueberbleibsel davon noch heute: Frau Aebtissin , an eine Klostervorsteherin gerichtet, selbst wenn sie bei ihrem Eintritt ins Kloster bis zur Erlangung ihrer Würde unvermählt blieb.
Die alte Kraft des Wortes Frau wirkt noch nach in dem Gebrauch des Wortes im Munde von Dienstboten, die da sagen:" unsere" Frau, oder die Frau ist ausgegangen, die Herrin ist nicht da, wenn Jemand kommt mit einem Auftrage oder einer Frage, für deren Erledigung sie sich nicht für zuständig und bevollmächtigt halten.
Fräulein, um das gleich mit zu erledigen, ist bekanntlich die Verkleinerungsform zu Frau, bezeichnet also eigentlich eine kleine Frau, und dann, wie diese Verkleinerungsformen alle, dient es dazu, Liebkosung und Schmeichelei auszudrücken. Frowelin, die mittelhochdeutsche Form für Fräulein, bedeutet aber schon im Mittelalter ebenso wie juncfrouwe, eine zum Dienſt einer Fürstin bestellte junge Dame; von dieser Stufe sant das Wort allmälig in neuerer Zeit herab bis zu der Bedeutung eines besser als andere gewöhnliche Dienstboten gehaltenen dienstbaren Wesens;„ Stüße der Hausfrau", sagt man wohl heute dafür. So spricht man noch in kleinen Städten auch von Ladenfräulein, Schulfräulein usw.
Bei Fräulein finden wir wieder einen Widerstreit zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht; man sagt von einem Fräulein gleich richtig: ,, sie ist ausgegangen," und:„ es ist ausgegangen,"
verhalt ist damit nichts weniger als eine Ehrung ausgesprochen, sondern angedeutet, daß die so Bezeichnete allerlei, namentlich geschlechtssittliche Makel an sich habe. Davon liegt ursprünglich durchaus nichts in dem Worte; noch Lessings freuzbraver Wachmeister Werner( in dem Lustspiel Minna von Barnhelm") darf die von ihm so heißgeliebte Zofe, der Heldin des Stückes, Franziska, in allen Ehren fragen:" Was will sie denn, Frauenzimmerchen?"
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Das Wort bedeutet ursprünglich( ganz wie das durchaus mit ihm übereinstimmende altgriechische gynaikeion) das Zimmer, in welchem die Hausfrau mit dem weiblichen Theil der Hausgenossenschaft sich aufhielt. Weiter bedeutet es aber auch die sämmtlichen Insassen dieses Wohnungstheiles, die Gesamtheit der weiblichen Wesen eines Hausstandes, namentlich eines großen. So sagt der prächtige Erzähler und Sittenschilderer Grimmelshausen( zur Zeit des 30jährigen Krieges): das' Frauenzimmer stund auf und verfügte sich in sein Gemach( also wiederum das Frauenzimmer in seiner ursprünglichen wiederum das Frauenzimmer in seiner ursprünglichen Bedeutung oder jede in ihr eigenes). Auch heute noch nennen wir einen Raum, um die darin weilenden Menschen zu bezeichnen: das ganze Theater brach in Jubel des Beifalls aus, das ganze Land empörte sich, das ganze Haus ist in Alarm, der ganze Hof brach nach Versailles auf, die ganze Klasse erhielt von dem Lehrer eine Strafe usw. Und gerade so wie einst das Wort Burse, Bursche, die Gesammtheit einer Anzahl beisammen wohnender Studenten, auch ein Mitglied dieser Gesellschaft zu bezeichnen diente, so im 18. Jahrhundert auch Frauenzimmer eine einzige Insassin des gynaikeions. Der äußerste Gegensat dazu ist der Gebrauch der Wendung: das Frauenzimmer, so daß es sämmtliche Frauen einer Stadt, eines Landes, ja der ganzen Erde bezeichnen soll.
Den Schimpfgehalt des Wortes betreffend sei bemerkt, daß unsere meisten Schimpfwörter ursprünglich diesen Beigeschmack nicht hatten, sondern ursprünglich zwieschlächtig, neutral gewesen sind, d. i. fein bestimmtes Urtheil in Lob oder Tadel aussprachen, ja zuweilen sogar oft ehrenden Sinn und Gehalt hatten. Vom Schimpfen und vom Kosen in unserer Sprache vielleicht ein ander Mal.
Das deutsche Handwerk
sammten Milien in lebenswarmer Anschaulichkeit darzustellen. Ob freilich die Resultate der Untersuchungen im Stande sein werden, die dichten Nebel 31 zerstreuen, die Geschichte und Entwickelung des deutschen Handwerks bis zur Gegenwart für die Augen Unzähliger verhüllen, erscheint überaus fraglich. Der bedauerliche Uebelstand, der den weitaus größten Theil des deutschen Handwerkerstandes verhindert, in eigener Sache klar zu sehen, ist nicht sowohl eine Verkennung der Eigenart seiner ökonomischen Position, als ein falsches Jdealbild von der ehemaligen Größe und Herrlichkeit seines Gewerbes, nach dem er alle Wünsche und reformerischen Pläne zu modeln bestimmt ist. In dieser Auffassung steht der Handwerkerstand feineswegs vereinzelt da: fie wird von der großen Menge des Publifums vollauf getheilt. In weiten Kreisen wird das mittelalterliche Handwerk als eine Art von Paradies gewerblichen Lebens betrachtet; allen Erwerbsthätigen soll auf der Basis ausgleichender Gerechtigkeit und treuer Fürsorge der Obrigkeit für Alle ein sicherer und reichlicher Verdienst garantirt gewesen sein, die Bande eines schönen, patriarchalischen Verhältnisses sollen Meister, Gesellen und Lehrlinge umschlungen haben. Hingegen soll das moderne Handwerk, zumal in jüngster Zeit, von der Aufhebung der Gewerbefreiheit au, durch die Schuld einer leichtfertigen und übereilten Gesetzgebung zum Stiesfind einer doch für das Wohlergehen aller produktiven Stände verantwortlichen Regierung gemacht und in jeder Beziehung gegen Handel und Industrie zurückgesetzt worden sein. Die eine Anschauung ist indeß so falsch wie die andere. Intersuchen wir zunächst das Ideallild von der Blüche des mittelalterlichen Handwerks auf die Wirklichkeit hin.
Eine richtige Beurtheilung des Handwerks und der ökonomischen Eigenarten dieser gewerblichen Betriebsform wird nur durch seinen Vergleich mit den anderen Betriebsformen und die Kenntniß seiner historischen Entwickelung ermöglicht. Nach Büchers neuerlicher Annahme, die den größten Anklang in der nationalökonomischen Wissenschaft gefunden hat, haben wir fünf Betriebsformen in der gewerblichen Entwickelung zu unterscheiden, den Hausfleiß, das Lohnwerk, das Handwerk, das Verlags- und das Fabriksystem.
Der Hausfleiß herrscht von den ersten Anfängen menschlicher Kultur bis spät in das Mittelalter hinein, etwa bis zur Wende des ersten Jahrtausends. Die Eigenart dieser Wirthschaftsform besteht, furz gesagt,
je nachdem man das Eine oder das Andere damit und die öffentliche Meinung. darin, daß sich der ganze Kreislauf der Wirthschaft
bezeichnen will.
In der Zeit, wo französischer Geschmack, französische Gesellschaftsformen und Formeln bei uns überhand nahmen, wurden auch die jenseits des Rheins üblichen Aureden monsieur, madame, mademoiselle bis in volksmäßige Kreise hinein üblich. Es ist ein Beweis der Volkskritik, wenn heute noch von einem Mosjöh gesprochen wird, um damit einen anmaßenden Windbeutel oder einen Schelmen leichter oder schärfer tadelnd zu bezeichnen. Das noch vor etwa 20 Jahren sehr verbreitete Aureden von Frauen mit Madam ist heute durch die alte Form Frau ziemlich ganz verdrängt und wohl nur noch in kleinen Landstädtchen üblich.
Aus der Mademoiselle ward bekanntlich Mansell, das vielfach so noch, wie Fräulein( f. o.) eine bessergestellte Dienerin bezeichnet, die ein Vertrauens amt mit gewissen Herrschbefugnissen inne hat. So spricht man: sie ist Mamsell auf dem Gute, d. h. Schafferin, Wirthschaftsführerin an Stelle oder zur Seite der ordentlichen Herrin.
Da wir vom schönen Geschlecht nun einmal reden, fügen wir noch ein merkwürdiges Wort hinzu: das Frauenzimmer. Heute hat dieses Wort eben keinen guten Klang mehr. Ich möchte es dahingestellt sein lassen, ob man sich nicht einer erfolgreichen Beleidigungsklage aussetzt, wenn man es einer Zeit genossin gegenüber zu brauchen sich einfallen ließe in unserer klage- und verurtheilungsluftigen Zeit. Da hat Eine der Anderen, wie diese wenigstens meint, ein gebranntes Herzeleid angethan und die Beleidigte bricht aus in den Ruf: Nein, so ein Frauen zimmer!" In diesem Zusammenhang und Sach
Von Adolf Lubnow.
or Kurzem hat eine der größten Enqueten, die in den letzten Jahrzehnten zur Erforschung unserer ökonomischen Verhältnisse unternommen worden sind, ihren Abschluß gefunden: die Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik über die Lage des Handwerks in Deutschland . In nenn stattlichen Bänden liegen die Ergebnisse dieser Untersuchungen vor: mehr als hundert Monographien, deren Untersuchungsgebiete sich über das gesammte deutsche Reich hin vertheilen. Man geht gesammte deutsche Reich hin vertheilen. Man geht nicht zu weit, wenn man behauptet, daß erst mit dem längst eriparteten Abschluß dieser Enquete das Thatsachenmaterial, das für jede unbefangene Untersuchung der Lebensfähigkeit des deutschen Handwerks erforderlich ist, vorliegt. In dem Getümmel der erbitterten wirthschaftlichen Kämpfe, die in den Schlagworten Handwerkerfrage"," Schutz des Handwerks" und„ Erhaltung des Mittelstandes" ihren Ausdruck finden und die auf die völlige Umänderung einer Reihe von wichtigen Bestimmungen unserer Gesetzgebung abzielen, erscheint es für Jeden doppelt ge= boten, seine Stellungnahme nicht durch die Wünsche und Vegierden der Parteien, sondern lediglich durch die Einsicht in die thatsächlichen ökonomischen Verhältnisse bestimmen zu lassen. Und diese Einsicht wird man darf sagen, erstmalig durch die gedachten Monographien ermöglicht, die sich nicht mit der Beibringung trockenen statistischen Materials begnügen, sondern deren Verfasser zumeist bestrebt begnügen, sondern deren Verfasser zumeist bestrebt gewesen sind, den Handwerksmann in seinem ge
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von der Erzeugung des Gutes bis zu seinem Verbrauch im Rahmen der Hauswirthschaft vollzicht und daß Tausch nur ganz felten und lediglich zum Zweck der Ergänzung von Mängeln der eigenen Wirthschaft durch die Güter Anderer eintritt. Die Wirthschaft erstrebte also nichts Anderes, als die Deckung des eigenen Güterbedarfs: Kapital im privatwirthschaftlichen Sinne war noch nicht vorhanden. Nur langsam vollzog sich der llebergang von dieser, der geschlossenen Hauswirthschaft, zur Stadtwirthschaft. Nach der wahrscheinlichsten Annahme vollzog sich dieser llebergang zuerst im Rahmen der Frohnhofswirthschaft. Nach diesem Wirthschaftssystem bewirthschaftet der Herr den Hof mit Unfreien; die Hörigen, zum Hofe gehörigen Bauern, die nicht Eigenthum des Herrn waren, waren dagegen und mit ihnen vielfach ihre Frauen vielfach ihre Frauen zur regelmäßigen Verrichtung gewisser Arbeiten auf dem Hofe verpflichtet. Die Güter wurden unmittelbar für die Bedürfnisse des Herrn erzeugt, der den Hof entweder selbst leitete oder durch einen Meier leiten ließ. Das Lohnwerk bildete sich nun aus der vielfachen Gepflogenheit der Frohnlente heraus, in ihren freien Stunden an verschiedenen Höfen der Reihe nach zu arbeiten. Wir unterscheiden zwei Formen des Lohnwerts. Entweder verrichtete der Gewerbetreibende seine Arbeit im Hause des Konsumenten und erhielt dafür Natural-, seltener Geldlohn. Diese Form des Lohnwerfs heißt Stör. Oder der Gewerbetreibende brauchte zur Ausübung seines Gewerbes einen stehenden Betrieb. Dann wurde ihm das erforderliche Nohmaterial vom Konsumenten des anzufertigenden Produkts geliefert; den Lohn empfing er nicht als