278
Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Hast. Diese Liebe war damals, als die ersten Stürme tobten in seiner Seele, wie ein sanfter, fühlender Hauch gewesen, wie ein Ruhepunkt, nach dem er flüchtete, wenn Sorge und Schmerz in ihm ihr wirres Spiel trieben.
Und Aunedore war ihm treu ergeben gewesen, so, wie es alle die stillen Frauen sind, die sich selbst vergessen um eines Anderen willen, und die nur diesen Anderen kennen, nur an ihn denken und nur ihn lieben.
Fast drei Jahre hatte ihn Annedore so geliebt, und vielleicht hatte sie die geheime Hoffnung gehabt, daß es immer so bleiben werde. Vielleicht- obwohl niemals davon gesprochen worden war. Sie selbst hatte es nie gewagt, es je mit einem Worte anzudeuten, und er, er hatte garnicht daran gedacht. Annedore aber hatte es für selbstverständlich gehalten, daß sie ihn lieben müsse: auch ohne sein Versprechen.
Aber es war eine seltsame Liebe gewesen, die zu Aunedore. Er war es immer gewesen, der empfing, all das Gute und Wohlthuende, das man in der Liebe nur empfangen kann. Er dachte daran, wie oft er rauh und verstimmt und tief gedrückt ge= kommen war, und wie sie Alles in ihm geglättet hatte mit ihrer zarten, schlichten Art. Ein Jahr wohl war er täg= lich dort gewesen, und täglich hatten ihn diese brannen, flugen Augen mit milder Freude begrüßt.
Hernach waren die Besuche seltener geworden. Nur dann, wenn es ruhelos in ihm war, wenn er sich nach etwas Unbestimmtem gesehnt hatte, war er wiedergekommen.
Aber das Leben war immer härter und schroffer an ihn herangetreten, und die Sehnsucht nach Neuem und Großem, die Sehnsucht nach unerreichten Zielen hatte ihn das kleine Haus in der Vorstadt vergessen lassen. Noch ein, zweimal war er dort gewesen, wenn ihm Annedore selbst geschrieben hatte. Dann hatte er sich plötzlich eingebildet, er häfte lange, lange nach Etwas gesucht und Das sei es gewesen.
-
Dann aber war er ganz ausgeblieben. Auf einen lezten Brief hatte Annedore keine Antwort erhalten und hatte angenommen, daß er fortgezogen sei und sie nun vergessen habe, und daß er nie mehr wiederkommen werde. So hatte sie angenommen, und weil es nun einmal so war, daß ihr Leben feinen Sinn hatte ohne ihn, so hatte sie still ihr Leben abgeschlossen in Einsamkeit und an das ge= dacht, was einmal war.
Und er dachte darüber nach, ob er sagen solle: " Wie schön Du bist, Annedore! Wir haben uns lange nicht gesehen."
Nein, das nicht.
Vielleicht war sie frank gewesen und sah bleich und verkümmert aus. Aber auch sonst: hätte es nicht häßlich geklungen? Wäre es nicht wie ein Hohn gewesen? Was galt ihre Schönheit nunmehr ihm?
"
Aber da pochte es schon; leise und schüchtern. Frau Helene rief Herein!" und sah verwundert das Mädchen in schwarzem, schlichtem Kleide an. Albert blickte auf: ja, das war sie. Wie sonst, wie sonst!" dachte er, stand auf und reichte Annedore die Hand.
"
" Ich habe Dich erwartet!" sagte er ruhig und freundlich. Und dann:" Dies ist meine Frau."
Annedore zuckte eine wenig zusammen, als sie sich verbeugte, und wurde noch bleicher. Sie sah so schön aus, wie damals, als er sie liebte. Fast schöner noch, denn ihre Züge trugen die stille Glorie des Schmerzes.
-
Eine Zeit lang sprachen sie von gleichgültigen Dingen und keines wagte es, die Vergangenheit zu berühren.
Dann bat Annedore um ihre Briefe, und Albert zog ein blasses rosa and um das Packet, das er ihr reichte.
" Sich, Annedore," sagte er langsam dazu,„ so ist das Leben. Es kommt und glüht und geht und verlischt."
llud sein Gesicht hellte sich auf. Er faßte ihre Hand und zog sie zu sich und füßte sie.
Dann sagte er zu Helene:" Ihr danke ich drei Jahre Glück."
Annedore nickte und lächelte. Ihr Lächeln war wie eine innige, tiefe Versöhnung und leise, ganz leise sprach sie:„ Deute stets gut von mir, wenn Du an mich denkst."
Dann ging fie.
-
-
Es war lange still im Gemach. Dann wandte sich Albert zu seiner Frau. Er beugte sich zu ihr nieder und sprach:„ Das Leben kommt und glüht. Das Leben geht und verlischt."
"
K
Und diese Erinnerung an Wanderungen durch Zeit und Raum.
eine entschwundene Vergangenheit sollte ihr die ganze Zukunft ersetzen.
*
-
*
*
Aber in den letzten Tagen mußte ihn Annedore geschen haben, denn es kam ein Schreiben von ihr, in welchem sie ihn bat, er möchte ihr die wenigen Briefe zurückgeben, die er noch von ihr besize: wenn er sie je noch aufbewahrt habe. Und sie werde selbst kommen, sie zu holen denn noch ein einziges Mal möchte sie ihn sehen. Sie hoffe, daß er diesen ihren legten Wunsch nicht übel denten werde.
So schrieb sie und aus jedem ihrer Worte klang es wie stiller Danf.
Er sann und sann. Es erschien ihm so seltsam, daß Anncdore noch Dank für ihn haben könne, und er fragte sich, wie er dies verdient habe. Und dann dachte er darüber nach, was er doch thun könne- irgend etwas, wodurch er diesen Dank wirklich ver= dienen würde. Er empfand, daß es etwas geben müffe, etwas Stilles, Großes, das eine Entschädigung und doch ein Abschied sei: und das über die häßliche Art hinwegseze, mit der er Aunedore verlassen hatte.
*
*
In der Ecke am Kamin saß seine Frau in einem Schaukelstuhl und fror. Sie fragte sich im Stillen, wozu sie so demüthig hier size und warte: auf ein freundliches Wort, auf einen freundlichen Blick. Das war es, was ihr so wundersam und räthselhaft erschien.
Eine gute Weile schon hatte sie eine Frage auf den Lippen und meinte doch, daß sie ihn nicht stören dürfe. Aber dann quälte sie die Neugier.
" 1
"
Was thust Du?" fragte sie halblant.
" Ich lese Vergangenheiten," gab er zur Antwort. Da ist Eine, die war und nicht mehr ist. Eine,
die lebt und doch lange, lange begraben ist."
Don Th. Dverbeck.
VII.
Die Planeten Merkur und Venus.
wei Welten giebt es, welche der Sonne näher stehen als unsere Erde, der Planet Merkur, dessen Masse nur 14 der Erdmasse beträgt, und die der Erde hinsichtlich Größe und Dichtigkeit nahezu gleichende Venus ; ersterer vollendet seinen Umlauf um die Sonne in etwa 88, lettere in 225 Tagen.
Sehr gering sind nun unsere Kenntnisse über die physikalischen Verhältnisse des sonnennahen Merfur, denn der kleine Ball mit einem Durchmesser von nur 671 Meilen entfernt sich nie weit von der Sonne, deren strahlender Glanz der Beobachtung äußerst hinderlich ist. Mit Bestimmtheit wissen wir nur, daß die Sonnenscheibe vom Merkur aus ge= sehen 7 mal größer als von der Erde aus erscheint und daß infolge der großen Erzentrizität der Merkurbahn außerordentliche Licht- und Wärmeschwankungen auf ihm zu erwarten sind. Zur Zeit der Sonnenferne erhält der Merkur 5 mal mehr Licht und Wärme, bei seiner größten Annäherung von 6 Millionen Meilen dagegen das Elffache des der Erde Gespendeten.
Bis in die neueste Zeit war man sogar hinsichtlich der Notation des Merkur, welche man auf 24 Stunden 5 Minuten angab, im Irrthum, und erst Schiaparelli in Mailand wies vor einigen Jahren nach, daß dieser Nachbar der Sonne gar keine eigentliche Umdrehung besize, sondern, analog dem Monde, dem Zentralförper, in diesem Falle der Sonne, stets dieselbe Seite zukehre.
Ob der Merkur nun eine Lufthülle und Wasser besitzt, ist bis jetzt nicht mit Sicherheit nachzuweisen gewesen; neuere Beobachtungen machen sogar wahrscheinlich, daß, genau wie bei unserem Monde, diese Stoffe schon von der Oberfläche auf Nimmerwiederkehr verschwunden sind. Sollte dieses jedoch nicht der Fall sein und sollte der Merkur noch eine Lufthülle und Wasser besitzen, so würden die meisten der wunderbaren Zustände, welche auf der uns benachbarten Venus mit nahezu absoluter Sicherheit vorauszusetzen sind, auch auf dem Merkur vorauszusetzen sein, wenn auch infolge der erheblichen Erzentrizität der Merkurbahn mit gewaltig schwankender Intensität.
Abgesehen nun von der Größe herrscht überhaupt zwischen den beiden inneren Planeten, Merkur und Venus ( man nennt sie inuere, weil sie ihren Lauf um die Sonne innerhalb der Erdbahn vollenden), in mehrfacher Hinsicht eine große Aehnlichkeit. Beide leuchten in strahlendem Glanze, zeigen Phasen( Lichtgestalten) wie unser Mond und lassen Details ihrer Oberfläche nur äußerst selten erkennen.
Bei dem fernen Merkur wäre letzteres nun durchaus nicht auffallend, aber daß auch die Venus , welche von allen Weltkörpern, mit Ausnahme unseres Mondes, uns am nächsten kommt und zeitweilig sich uns bis auf 54 Millionen Meilen nähert, um sich dann allerdings auch wieder auf 36 Millionen Meilen zu entfernen, so sparsam mit Enthüllungen ist, dürfte billig Wunder nehmen.
-
Aber gerade ihr blendender Glanz, offenbar der Refler eines den ganzen Planeten umhüllenden, dichten Wolkenmantels man denke an das blendende Weiß irdischer von der Sonne beschienener Wolkenzüge, die Summe von Billionen mal Billionen winziger Spiegelbilder der Sonne erzeugt auf den Wandungen der kleinen Wasserdampfbläschen, ist das Hinderniß der Beobachtung.
Der Erste, welcher Flecken auf derselben erblickte, war um 1670 Dominique Cassini, welcher darnach die Notation der Venus auf etwa 23 Stunden schätzte. Etwa 60 Jahre später( 1726) erst wurden dieselben wieder gesehen, und zwar von dem römischen Astronomen Bianchini, welcher mitten auf der Venusscheibe fieben zum Theil zusammenhängende, dunkle Flecken erblickte, welche er wohl richtig für Meere hielt, die ihren Ort aber so wenig veränderten, daß darnach völlig abweichend von Cassini, die Rotation auf 24 Tage 8 Stunden ermittelt ward.
Jetzt nahm der jüngere Cassini die Beobachtungen seines Vaters wieder auf und glaubte hieraus die Zeit der Umdrehung, in Uebereinstimmung mit seinem Vater, auf 23 Stunden 15 Minuten ableiten zu dürfen. Lange Jahre ward ernsthaft über diesen Punkt gestritten, bis 1840-42, zu welcher Zeit de Vico den Streit entschied und zwar zu Gunsten Cassinis und behauptete, daß eine Benusrotation 23 Stunden 21 Minute erfordere.
Aber auch dieses war irrig, denn der scharfblickende Schiaparelli wies in den lezten Jahren nach, daß die Venusrotation ein volles Venusjahr er fordere, da der Weltförper der Sonne stets dieselbe Seite zuwende.
Allerdings versuchte Flammarion in Paris in Jahre 1895 die Ansicht Schiaparellis zu widerlegen und die Rotation auf 24 Stunden zu firiren, auch erklärte er, Schneezonen gleich denen des Mars gesehen zu haben, aber bis jetzt haben seine Beobachtungen feinerlei Bestätigung erfahren und stehen die hervorragendsten Astronomen, schon aus theo= retischen Gründen, wohl sämmtlich auf Seiten des großen Italieners.*
* Während dieser Artikel im Druck befindlich ist, gelangt die Nachricht in die Oeffentlichkeit, daß die Frage nach der Rotation der Venus definitiv und zwar zu Gunsten Schiaparellis entschieden ward, daß daher sämmtliche Schlußfolgerungen unseres Artikels als wohlbegründet zu betrachten sind.
Der Astronom Lowell in Flagstaff in Mexiko hat nach den genauesten Beobachtungen fortlaufend bis zum 6. Februar d. J., unterstützt durch kräftige Fernrohre und die außerordentlich reine Luft Merifos, 227 Zeichnungen der Venusoberfläche angefertigt, welche durch ihre Uebereinstimmung beweisen, daß die Venus der Sonne stets die gleiche Seite zukehrt, daher die Flecken gegen den Venusrand nur langsam sich verschieben, entsprechend der veränderten Richtung zur Erde infolge der Vahabewegung der Erde und Venus .