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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Stopf ist schön, seine Augen drohen, sie sind fast schrecklich. Er spricht, seine Stimme rollt wie ein Gewitter. Alles hängt an seinen Lippen wie an einem Magneten. Die Tribünen kennen den Redner. Schon zweimal hat er gesprochen. Es ist Tallien . Die Waffen, die wir den Verdächtigen entrissen haben," so schließt er, werden wir in die Hände der Vertheidiger des Vaterlandes legen. Die Verräther haben wir verhaftet, noch wenige Tage und die Sonne der Freiheit wird von ihnen nicht mehr verdunkelt werden. Die Bürger auf unseren Tribünen haben uns zu ihren Stellvertretern bestellt! Wer uns trifft, trifft auch das Volk, das am 14. Juli die Revolution gemacht hat, das sie am 10. Auguſt befestigt und das sie aufrecht halten wird. Die Männer des zehnten August wollen nur Gerechtigkeit und sie werden nur gehorchen dem Willen des Volkes." ( Fortsegung folgt.)
Typen aus dem Räuberleben
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, um den Herrn Varon und der Fräulein Tochter zu gefallen( nach seinem Ausdruck),, mehrere Studentenstückchen."
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Bei einem Ausfluge nach Mainz diente er im Dome zur Messe und fand Gelegenheit, einen Kelch zu entwenden. Wurde erwischt und in den Holzthurm" gebracht, das nämliche Gefängniß, von welchem aus er später zum Blutgerüste ging. Mit prophetischem Geiste sagte er bei seinem Eintritt in den Holzthurm: ,, Hier ist mein Alpha und mein Omega." Raroline verließ den Geliebten nicht in der Noth. Sie eilte nach Mainz und bewirkte seine Freilassung. Eine Besserung Hessels hatte die kurze Haft nicht bewirft; er sann auf Mittel, die Reisekosten seiner Geliebten durch neue Gaunerstreiche zu ersetzen.
Das Kapuzinerkloster in Frankfurt erleichterte er um zwei werthvolle Kelche und Schüsselchen.
Im Januar 1793 ließ er sich in die Karmeliterkirche einschließen, und während die frommen Väter bei Tisch saßen, schlich er sich mit einem filbernen Kruzifir durch den Kreuzgang davon. Die Kirchengeräthe wurden versilbert und der Erlös mit Karoline gemeinsam verjubelt. Hessels
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kommen. Selbst als sich, um jeden ärgerlichen Auftritt zu verhindern, in schauerlicher Stille Soldaten mit gezogenen Seitengewehr vor die Augeflagten stellten, war Hessel noch nicht besorgt, erst als die Worte„ Zum Tode!" in sein Chr fiel, waren seine Straft, sein Troß gebrochen. Auf dem Wege zum Kerfer fiel er in Ohnmacht, brachte die Nacht unter Verwünschungen, Flüchen und vereitelten Versuchen zum Selbstmorde zu, wollte sich zum Judenthum bekehren, verlangte nach einem Nabbiner, drohte dem Untersuchungsrichter, wenn noch ein Leben nach dem Tode sei, so werde er ihm um Mitternacht einen unangenehmen Besuch abstatten, raisonirte über Gott und Welt aber Muth und Sprache verließen ihn, als er zum Richtplatz ab= geholt wurde. Betäubt und fast bewußtlos wurde er auf das Blutgerüst geführt, wo das Haupt des Verbrechers in ewige Nacht sank.
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Ein ganz anderes 2ild bieten die Nachrichten über den zweiten ausgezeichneten Räuber" dieser Bande, Franz Joseph Streitmatter. Er war der Sohn eines wohlhabenden Müllers in Bötikon. Nach Aussage aller seiner Gefährten einer der
gegen Ende des vorigen Jahrhunderts. Spekulationen erweiterten sich, er unternahm Reiſen, ſchönſten Männer. Früh( ſeiner Angabe nach im
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on den Räubern, die am Ende vorigen und zu Beginn dieses Jahrhunderts am Rhein und Main, auf dem Spessart und Huns rücken ihr Gewerbe trieben, ist Schinderhannes der bekannteste. Gar Viele in Stadt und Land, die nicht wissen, wer Mirabeau , wer Rousseau war, denen die Namen eines Stein, eines Scharn horst fremd klingen, kennen den Lebenslauf eines Schinderhannes mit allen Einzelheiten, die Wahrheit und Dichtung von ihm berichten.
Doch auch im Räuberleben sind es die Thaten nicht allein, die Unsterblichkeit verbürgen: während der Name Schinderhannes bis in unsere Zeit leuchtet" und sein Ruhm allem Anschein nach noch in der Zunahme begriffen ist, sind Damian Hessel und Franz Joseph Streitmatter, genannt Weiler, vergessen, trotzdem sie ihm in feiner Beziehung nachstehen, im Gegentheil ihn sogar überragen.
Also wäre der Ruhm Schinderhannes unverdient? Ich lasse die Frage unentschieden, kein Blatt will ich aus seinem Kranze pflücken, aber die Gerechtigkeit verlangt, daß auch Damian Hessel und Streitmatter in der Räuber- Walhalla ihren Plaß erhalten. Ihre Verbrechen stehen weder an Zahl noch in der Ausführung jenen, die Schinderhannes verübte, nach; aber von weit höherem psychologischen Interesse ist die Geschichte ihres Falles. Während Schinderhaunes infolge verwahrloster Erziehung, durch Faulheit zur Landstreicherei und schließlich zum Räuberhandwerk fani, war es bei Hessel die Liebe, die ihn auf die abschüssige Vahn lockte. Ich folge im Nachstehenden einem Büchlein, das 1811 in Mainz bei Kupferberg erschienen ist und dessen Titel lautet: Damian Hessel und seine Raubgenossen. Akten mäßige Nachrichten. Zunächst für gericht liche und Polizeibeamte an den Gränzen Deutschlands und Frankreichs von einent gerichtlichen Beamten."
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Laut vorliegenden Taufscheines ist Hessel am 3. Mai 1774 in Paderborn geboren. Sein Vater war Tabaksfabrikant. Er besuchte die ersten Schulen, lernte Lateinisch und Griechisch, daher auch sein Beiname: Bacherle"," Studentgen".
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Die erste That, die ihn mit der Behörde in Konf.ift brachte, geschah wegen der zwanzigjährigen Karoline, Tochter eines Herrn von P..., der in Hanau lebte. Diese Liebschaft war, seiner Betheuer ng nach, ganz platonisch, und außer dem Vergnügen, die schöne Karoline spazieren und dann und wann ins Schauspiel nach Frankfurt zu führen, war ein Ruß der höchste Preis seiner Zärtlichkeit. Aber Fräulein Karoline war gern gepuẞt, hatte große Vorliebe für goldene Uhren und da Schmalhans und da Schmalhaus Küchen- und Garderobemeister war, versuchte Hessel,
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plünderte in Ketwig an der Ruhr einen Pferdehändler, half dem Pöbel in Mainz beim Ausrauben der Klubistenhäuser, bis er in Hanau bei der Er.rechung eines Geldschrankes abermals der Behörde in die Häude fiel. Jedoch schon in der zweiten Nacht gelang es ihm, durch das heimliche Gemach zu entwischen. Er lief noch in derselben Nacht nach Frankfurt , wo er sich von den Quetschungen, die er sich bei Seitte der Flucht zugezogen hatte, heilen ließ. Karoline besuchte ihn. Als er wieder ausging, be gegneten ihm Polizeidiener, die, Fesseln in der Hand tragend, nach seinem Quartier gingen. Unter diesen Umständen fand er es für gut, seinen Aufenthaltsort zu wechseln, er wanderte nach Mainz . Hier wurde er von einem preußischen Offizier erkannt, verhaftet und nach Hanau zurückgeliefert. Nach etwa vier Wochen, bevor ihm noch der Prozeß gemacht war, entschlüpfte er zum zweiten Male. Er ent, loh in die Niederlande , machte die Bekanntschaft der Gauner Bayer, Mathias, Effrich und Anderer, und nun fam er nach seiner eigenen Bezeichnung in die großen Geschäfte."
Von jetzt an bildet sein ganzes Leben eine ununterbrochene Reihe von Verbrechen, Mord, Naub, Brandstiftung und Betrug; oft gefangen, wußte er immer wieder zu entweichen, bis ihn endlich die immer wieder zu entweichen, bis ihn endlich die Nemesis ereilte. Vor Gericht leugnete er beharrlich jede Antheilnahme an den vielfachen Morden, die der Bande zur Last gelegt wurden. Und mag auch vielleicht manches Verbrechen mit Unrecht auf seine Rechnung gesetzt worden sein, so bewiesen doch gar mancherlei Umstände, namentlich die schlaue und unvollständige Art, mit welcher er sich über einzelne Begebenheiten und Zeitpunkte äußerte, daß mehr als ein Mord auf seiner Seele lastete. Dieser tückische, hämische, halbstudirte, liderliche, empfindelnde Mensch Seine Lieblingswar feige und grausam.... neigung, zu prahlen, seine Thaten zu erzählen, lieferte endlich der Behörde das Material, um seine Verurtheilung herbeizuführen. Mit seiner Geliebten, die in einem anderen Gefängniß untergebracht war, eröffnete er eine Korrespondenz, nachdem er mit vieler Schlauheit sich vergewissert zu haben glaubte, daß dieser Briefwechsel ungestört seinen Gang gehe. Diese ganze interessante schriftliche Beichte ging durch die Hände des Untersuchungsrichters Brellinger. Ater auch selbst dann noch, als diese schriftlichen Ergüsse gegen ihn zeugten, gestand er nur jene Vergehen zu, die theils verjährt oder nur mit Sterker nicht mit Todesstrafe bedroht waren. Er verrieth alle seine Helfershelfer. Mit hämischem Spott genoß er das Vergnügen, seine früheren Kameraden bloßzustellen. Im Gefängniß prahlte und scherzte er unbefümmert, er bramarbasirte:„ Ich habe außer den mir zur Laſt gelegten noch mehr als hundert andere Verbrechen begangen, aber es weiß Niemand davon."
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Trozdem er sehr eifrig die Geseze studirt" hatte, betrachtete er sein Schicksal doch von der günstigsten Seite, er glaubte mit einer Sterferstrafe davonzu
sechzehnten Jahre) verheirathete er sich mit einer schönen Schweizeriu.
Die Veranlassung seines Unglückes war ein Buch, das die Anweisung enthielt, Geister zu zitiren, Schäße zu graben, Gold zu machen, Universalarzueien zu bereiten, die Geheimnisse der Oberund Unterwelt zu erfahren und dergleichen Unsinn mehr. Im Aberglauben erzogen, überzeugt, daß es Geister, Heren und Zauberer gäbe, verführte ihn der Gedanke, sich zum Herrn aller Geister und Schätze zu machen, und selbst die Reize seines jungen Weibes vermochten nicht, ihn vom Studium der Mystik abzuhalten. der Mystit abzuhalten. Der träumtende Streit= matter erfüllte streng alle Bedingungen, die in dem Buche vorgeschrieben waren, er entsagte aller Lebensfreude, vernachlässigte sein Geschäft und sein junges Weib, das seiner Verschlossenheit und seinen nächtlichen Wanderungen eine schlimmere Auslegung gab, als sie verdienten. Was Wunder, daß die junge Frau schmollte, daß ihre Neigung erkaltete und daß sie endlich Nath und Troft bei jenem Mönch suchte, der ihre Ehe gestiftet hatte.
Aber auch der Mönch war von Aberglauben und einem Hang zur Mystik nicht frei, er erklärte: " Hererei und böse Leute seien an diesem Unheil schuld, das Ehebett sei verhert, müsse besprochen werden.
Er wolle sich, wenn ihr Mann seine nächtlichen Wanderungen anträte, einfinden und durch heilige Beschwörungen dem Einfluß der Zauberei und den bösen Geistern Einhalt thun."
Von nun an zog der schlimmste Dämon in die friedliche Hütte. Streitmatter war damals noch vertrauensvoll, zu wenig erfahren, zu durchdrungen von Ehrfurcht für den Stand des Vermittlers, um zu vermuthen, daß er bald nicht mehr der Einzige war, der wegen der gestörten Ehe sich Vorwürfe zu machen hate. Dazu die Verwirrung seiner wirthschaftlichen Verhältnisse, die ihn in Wuchererhände brachten und seine Verarmung beschleunigten. Von Groll und Gram erfüllt, schied er von seinem Besitzthume. Nach unklaren und mißverstandenen Grundsäßen über Bestimmung und Naturrecht hielt er sich nun berechtigt, Anderen zufügen zu dürfen, Mit Riesenschritten was ihm selbst widerfahren. eilte er jetzt unaushaltsam auf seiner Bahn vorwärts: erst Spion, dann Dieb und Räuber.
Diebstähle, Kirchenräubereien, nächtliche Ueberfälle auf Mühlen wechselten ab mit furzen, sehr kurzen Ginterferungen, denn immer und immer wieder wußte er zu entspringen. Keiner seiner Gesellen bar ihm gleich an Gewandtheit, Geschicklichkeit und Geistesgegenwart, fein Schloß war ihm zu fest, fein Gewölbe zu gut verwahrt, der geübteste Schlosser konnte von ihm lernen; aus mehr als zwölf der festesten Gefängnisse ist er entwichen.
Nichts Kühneres läßt sich denken, als der in der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember 1805 in Longwy begangene Einbruch, wo die Räuber auf mehreren aneinandergebundenen Leitern und Balken