Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

ergriffen. Doch ich wußte soust feinen Ort, an dem ich für billiges Geld übernachten konnte, und so war ich zum Bleiben gezwungen. Die beiden Kunden gingen mit dem Bemerken fort, daß sie einen Spazier gang machen wollten, und das veranlaßte mich, ihrem Beispiel zu folgen. Das Nänzel gab ich in die Chhut des Herbergsvaters.

Frische Luft! Welch ein Heil, daß ich dem dumpfen Bau des christlichen Schneiders entronnen bin! Die Bäcker- und Fleischerläden stehen offen­ich kann meinen Hunger stillen. Dann ins Feld hin­aus bis zum Abend!

Die Sonne war bereits gesunken, als ich in die Herberge zurückkehrte. Auf der Treppe begegnete ich dem Herbergsvater; er bekundete solche Gile, daß er mich beinahe umgerannt hätte. Die Bürde auf seinem Arme verrieth, daß er einen neuen Anzug forttrug. Meinen Gruß erwiderte er nicht.

Das Herbergszimmer war nun mit reisenden Handwerksbuschen nahezu gefüllt. Ich war erstaunt, so viele Kunden in Thalungen zu sehen. Die Herbergsmutter, eine fleine, stille Frau, führte die Regierung. Sie stand in einem engen Nebengelaß, das als Küche dienen mochte, an einem mit EB­und Trinkwaaren beladenen Tische, und wer speisen wollte, mußte hineingehen und kaufen. Ich verzichtete darauf, denn ich hatte mich draußen schon gesättigt. Der Vater" blieb nicht lange aus. Er zeigte bei seinem Eintritt ein sehr vergnügtes Gesicht, musterte die Gesellschaft und rief heiter: Das hat Schweiß gekost't! Heut Abend is'n großes Fest vom Beamten= verein, wo's pifjein zugehn wird, und da hab ich schuften müssen, um fertig zu werden!"

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Wenn er nur gewußt hätte, daß ich als Ehren­gast, persönlich geladen vom Herrn Stadtfekretär, an diesem piffeinen Feste theilnehmen würde! Ich nahm mir vor, es ihm zu sagen; er sollte alle Achtung vor mir bekommen.

Ich verlor ihn ein paar Minuten lang aus den Augen und war sehr überrascht, als er plöglich an meiner Seite erschien und mir Käse, Brot und Bier hinstellte. Sie hätten sichs längst holen können! Wir haben nicht immer Zeit, daß wirs den Leuten zutragen," sprach er vorwurfsvoll.

Ich habe ja nichts bestellt!" rief ich voll Ver­wunderung.

Sie haben doch Käsebrot und Bier bei mir bestellt!" sprach er scharf in einem Tone, als hätte ich den Vorwurf des Meineides gegen ihn erhoben. " Das war Nachmittags...."

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Na, sehen Sie! Ich merke mir Alles ganz genau. Jetzt wirds Ihnen auch besser schmecken als vorhin, direkt aufs Mittagessen... Bei uns wird bald bezahlt; es ist hier nicht, wie im Wirthshause."

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Aber ich habe ja schon Abendbrot gegessen!" Bei uns nicht; das müßte sonst meine Frau wissen. Das ist auch egalSie hätten das Käse­brot abbestellen müssen, wenn Sie es nicht wollten."

Ich verzichtete, noch länger gegen diese Logik an­zufämpfen, und zog es lieber vor, meine Reisefapita­lien unnütz in Angriff zu nehmen, so dringend sie auch der Schonung bedurften.

Aber jetzt, Bruder, sollst Du etwas erleben, dachte ich, und zog rasch meine Einladungskarte aus der Tasche. Jetzt sollst du staunend erfahren, wen du vor dir hast, du armseliger, unverschämter Schneider!

Hent Abend werde ich wohl ein wenig zu spät nach Hause kommen," begann ich; wie lange ist die Herberge geöffnet?"

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" Punkt Zehn wird geschlossen! Wer da nicht drin ist, bleibt draußen!" rief er grob. Wo wollen Sie sich denn herumtreiben?"

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Dir will ich jetzt Ich frohlockte im Stillen. Dir will ich jetzt auftrumpfen!

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Sie wissen doch," sprach ich, daß wir heut unser Sedanfest feiern, im Beamtenverein nämlich.

Der Herr Stadtsekretär hat mich gebeten...."

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Machen Sie dort Bedienung?"

Die Röthe der Scham und Empörung schoß mir

zu Kopf ich fühlte es deutlich.

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" Ich- Bedienung?" fragte ich, die Rolle des Schrergefränften spielend. Hier sehen Sie doch die Einladungskarte an! Vom Herrn Stadtsekretär unterschrieben."

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Es wird, glaub ich, ein Theaterstück aufge= führt," sagte er leichthin; da werden Sie wahr= scheinlich das Zeng, was da gebraucht wird, müssen aufbauen helfen. Lassen Sie sichs nur gut bezahlen, aber wenn Sie nicht vor Zehn hier sind, bleiben Sie draußen!"

Mit ein paar echten Schucidersprüngen war er in der Küche, und mir war zu Muthe, wie einem Heldendarsteller, dem statt des Lorbeerkranzes ein fauler Apfel an die Nase geflogen ist.

O, dieser Barbarismus unter der Menschheit! Hätte der Mann einen Funken Bildung besessen, so hätte er das berühmte Eisenbahngedicht aus dem Stadtblatt und auch dessen Verfasser gekannt, und dann hätte er sich denken können, daß ich nicht als Bedienter, sondern als gefcierter Dichter an dem Feste theilnehmen werde.

Ich verzehrte mein Käsebrot und mein Bier; doch jeder Bissen und jeder Schluck war mit Bitterniß gemischt.... Daß es so schlimm stand mit der gemischt.... Daß es so schlimm stand mit der Bildung in Thalungen, hätte ich nicht gedacht.

Aber weshalb sollte ich mich über einen dummen Schneider ärgern, da mir doch ein großer Triumph bevorstand! Ich malte mir im Geiste aus, wie die Herren Beamten mich herzlich begrüßen, wie sie sich freuen und mich feiern würden mich, den Dichter, der dafür eintrat, daß Thalungen die von allen Behörden ersehute Eisenbahn bekommen sollte... Durchglüht von solchen leuchtenden Gefühlen, säuberte ich verstohlen meine Gewandung und machte mich auf den Weg.

Von der Straße aus sah ich, daß der Saal des Schwarzen Adler" im Lichterglanz erstrahlte. Zögernden Fußes trat ich ein und stieg langsam die Treppe hinauf, fuhr aber erschrocken zurück, als ich oben im Flur vor der Saalthür ein großes Durch einander von feingekleideten Menschen sah. Die Frauen prangten in hellen Gewändern, und ich zweifelte keinen Augenblick, daß Alles an ihnen Seide und Sammit und Gold war; die Männer trugen schware Fräcke, Zylinder und Handschuhe.

Trübselig und tief gedemüthigt schlich ich hinab auf die Straße; ich fühlte, daß ich es nicht wagen dürfe, in solcher auserlesenen Gesellschaft zu er= scheinen. Mein Anzug war doch gewiß neu und schön und theuer aber was bedeutete er einem schwarzen Frack gegenüber! Und ich hatte weder Zylinder, noch Handschuhe....

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Weshalb bist du denn den ganzen Tag in Thalungen geblieben!" klang es mir wehevoll im Herzen, während ich wie närrisch um den Markt lief. Schon drei oder vier Meilen konntest du ge­lief. wandert sein! Nuu hast du eine Menge Geld ver­than, nun mußt du dem elenden Schneider noch das Nacht. uartier bezahlen und haft nichts dafür gewonnen, als schweren Aerger und Gram! Ach, wie ist das ganze Leben so schaurig und traurig­übrigens ein hübscher Reim, aus dem sich ein Ge­dicht machen läßt..... Alle Menschen sind glücklich; alle tragen die Nase hoch, und selbst die größten Dummköpfe bilden sich ein, daß sie wichtige Per: sonen seien. Jeder hält sich für ein Licht auf dunklem Wege, und du, der du in Wirklichkeit ein solches Licht bist und, wenn es mit rechten Dingen zuginge, schon ein ganzes Bischen unsterblich sein müßtest­du wirst so oft ausgelacht, so oft verhöhnt und be­leidigt. Du bist so freundlich zu allen Leuten und meinst es so gut mit ihnen, und dich mag Keiner leiden. Du bist ein Verstoßener, und immer, wenn du glaubst, daß du Freunde, oder Achtung, oder Anerkennung gefunden hast, mußt du bald wie ein begossener Narr abtrotten. Dente nur an die Tha­lunger Tischlergesellen! ( Fortsetzung folgt.)

Polnische Sprüchwörter.

Daß ein Versprechen gehalten werde, Mußt Du reiten auf schnellem Pferde.

Spricht das Geld, Schweigt die Welt. Wunder der Welt Schafft das Geld.

Für kleine Diebe ist der Strick, Vor großen beugt man das Genick.

Gaetano Donizetti  .

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Ein Gedenkblatt zur Feier der hundertsten Wiederkehr seines Geburtstages. Von Adolf Lubnow.

m 25. September werden es hundert Jahre, seit einer der seinerzeit gefeiertsten und noch heute gekanntesten Opernkomponisten Italiens  , Gaetano Donizetti  , in Bergamo   das Licht der Welt erblickte.

Bereits seit vielen Wochen rüstet man sich im Vaterlande des Tondichters, das ja seine Kunstsiege im Auslande fast ausschließlich der Musik verdankt, die Feier aufs Glänzendste zu begehen und zu einemt nationalen Festtage auszugestalten; in Bergamo   wird eine besondere Donizetti- Ausstellung eingerichtet, die bei ihrer außerordentlichen Reichhaltigkeit nicht nur eine unendliche Fülle von den auf das Leben und Schaffen des Tondichters bezüglichen Gedenkzeichen umfassen, sondern einen lleberblick über das gesammte Musilleben seiner Zeit geben wird.

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Auch in Deutschland   wird dieser Gedenktag nicht spurlos vorübergehen. So scharf, ja gehässig sich auch die deutsche   Kritik über die Donizettische Kunst seit den Erstaufführungen seiner Opern auf deutschem Boden ausgesprochen hat, so ist sich doch die Vor­liebe des deutschen Publikums für den Komponisten gleich geblieben. Drei seiner Opern, Lu ia von Lammermoor"," Die Regimentstochter  " und der Liebestrant", gehören zum eisernen Repertoir un­serer meisten Opernbühnen, und mehrere andere Opern, wie der Don Pasuale" und" Lukrezia Borgia", tauchen wenigstens sporatisch auf dem Spielplan unserer Bühnen auf und vermögen bei guter Be­am besten durch setzung ihrer Hauptrollen- italienische Sänger-immer noch eine starke Wir­fung auszuüben. Die Popularität einer langen Reihe Donizettischer Melodien in Deutschland   ist bei­spiellos. Wir vermögen fast kein Programm einer Stadt- oder Militärkapelle zur Hand zu nehmen, ohne nicht einer Donizettischen Ouverture   oder einem Opernfinale zu begegnen; jede Klavierschule, jedes musikalische Jugendalbum bringt ein halbes Duzend Donizettischer Melodien; jeder Leierkasten dudelt das Zittre, Byzanz", aus" Belisar", die Barkarole aus dem Liebestrant", oder die Sterbe- Arie aus der Lu.ia". Den Charakter der deutschen Liedkom­position hat Donizettis weiche, geschmeidige Melodik Jahrzehnte hindurch beeinflußt. Es verlohnt sich daher wohl, ein wenig auf das Leben und Kunst­schaffen des italienischen Tondichters einzugehen.

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Gaetano Donizetti   erlernte die Anfangsgründe der Musik auf dem Lyceum   seiner Vaterstadt. Seine Familie wollte ihn zuerst zum Juristen, später zum Maler ausbilden, doch entschied sich der junge Doni­zetti schon früh für die Musif. Seine ersten Kom­positionen sind kirchlichen Charakters und lassen den strengen, ernsten Stil der Schule Simon Mayrs  erkennen, doch vermochte sich der junge Komponist nicht lange den Verlockungen, die die Cpernkompo= sition gerade in Italien   auf den Musiker ausübt, zu entziehen. Bereits im Jahre 1819 brachte er seine erste Oper:" Heinrich von Burgund  " auf dem Theater St. Lufa in Venedig   zur Aufführung, ohne damit einen sonderlichen Erfolg zu erzielen. Auch unter den neunzehn folgenden Opern, die er in den zehn folgenden Jahren für die Opernbühnen in Rom  , Neapel   und Palermo   schrieb, fand sich kein Treffer. Erst mit dem 1828 in Neapel   aufgeführten Ver­bannten von Rom  " und namentlich mit der 1831 für die Mailänder   Bühne geschriebenen Anna von Boleyn  " erzielte der Komponist zwei unbestrittene Erfolge. Unter den in den drei folgenden Jahren geschriebenen Opern befinden sich mehrere Haupt­werke des Komponisten, wie Der Liebestrant" ( 1832), ufrezia Borgia"( 1834), Luia von Lammermoor"( 1835) und Belisar"( 1836). Im Jahre 1834 wurde Donizetti   zum Maestro di capella und Kompositionslehrer am Konservatorium der Musik in Neapel   ernannt; 1835 wurde er für Zingarelli stellvertretender Direktor des Konservato­riums in derselben Stadt und nach dem Tode Zin­garellis im Jahre 1838 dessen Nachfolger. In den Jahren 1840 und 1841 schrieb Donizetti   für die

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