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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Pariser Oper die komische Oper„ Die Regiments tochter " und die tragische Die Favoritin". Beide Opern erreichten fast den glänzenden Erfolg des Rossinischen Tell" und der Meyerbeerschen Hugenotten". Für Wien komponirte Donizetti 1841 die mit dem größten Beifall aufgenommene Oper:„ Linda von Chamonnig"; im gleichen Jahre wurde er von österreichischen Kaiser zum Hofkapellmeister ernannt. Der Erfolg der im Jahre 1843 gleichfalls für Wien geschriebenen Opern„ Don Pasquale " und Maria von Rohan" übertraf fast noch den der Linda". Der 1844 in der Pariser Oper erstmalig aufgeführte„ Don Sebastian" sollte Donizettis leẞtcs Werk sein; infolge seiner übergroßen Anstrengungen und wohl auch eines zügellosen Lebenswandels verfiel der Komponist im Jahre 1845 in Wahnsinn, aus dem ihn erst ant 8. April 1848 in seiner Vaterstadt der Tod erlöste.
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Donizetti hat int Ganzen nicht weniger als zweiundsechzig Opern fomponirt. Schon diese fast ungehenerliche Zahl läßt unschwer einen Schluß auf den Charakter der Donizettischen Kompositionsweise und den künstlerischen Werth der großen Mehrzahl seiner Opern ziehen. Wenn auch Donizetti mit einer geradezu fabelhaften Leichtigkeit komponirte und arbeitete+ mehrere seiner Partituren soll er in weniger als dreißig Stunden instrumentirt haben, so ist doch bei einer derartigen beispiellosen Fruchtbarkeit jeder Gedanke an eine vollendete, künstlerische Ausarbeitung seiner Werke abzuweisen. Nicht übel charakterisirt Felix Mendelssohn- Bartholdy in einem seiner 1832 an seine Eltern gerichteten Reisebriefe die Donizettische Schaffensweise:" Donizetti macht eine Oper in zehn Tagen fertig; sie wird ausgezischt, aber das thut garnichts; denn er bekommt dafür bezahlt und fann wieder spazieren gehen. Sollte aber seine Reputation endlich gefährdet werden, so würde er wieder 311 viel arbeiten müssen und das wäre unbequemt. Darum schreibt er einmal eine Oper in drei Wochen, giebt sich zu ein paar Stückchen Mühe, damit sie recht gefallen, und kann wieder eine Weile spazieren gehen und schlecht schreiben!"
Um dem Kunstcharakter der Donizettischen wie überhaupt der älteren italienischen Oper gerecht zu werden, dürfen wir indeß nicht von dem freilich nahe genug liegenden Vergleich der südländischen Oper mit unseren deutschen Musikdramen ausgehen. Die Oper nimmt in italienischen Kunstleben eine gänzlich verschiedene Stellung ein als das Musifdrama im unserigen. Dem Italiener ist die Opernbühne weit mehr Vergnügungsstätte denu Kunsttempel; er erwartet von der Aufführung nicht Erhebung und Erbauung, sondern lediglich Ergözung und Kurzweil. Die Gestalten der älteren italienischen Oper waren für das italienische Publikum nicht Menschen von Fleisch und Blиt, an deren Lieben und Leiden es regen Antheil nahm, sondern in ein buntes Kostüm gesteckte Sänger und Sängerinnen, von denen es nur schönen, augenehmen Gesang erwartete. Ueberaus charakteristisch ist der Ausruf eines Galleriebesuchers bei der Erstaufführung der Rossinischen nach dem gleichnamigen Shakespeareschen Trauerspiel gearbeiteten Oper Othello":" Großer Gott, der Tenor ermordet ja die Primadonna!" Das Verlangen der Italiener nach mühelosem, ungezwungenem Genuß in der Oper ging in älterer Zeit so weit, daß man gar keine tragischen Ereignisse mehr auf der Bühne sehen mochte, weil die Vorführung dieser das Vergnügen und die gute Laune störte; nach der Erstaufführung der eben genannten Rossinischen Oper setzte es das Neapeler Publifum durch, daß die aus der Tragödie herübergenommene Schlußkatastrophe beseitigt wurde; Othello weckte seine Gattin, ließ sie feierlichst ihre Unschuld beschwören, und feierte mit ihr in einem aus irgend einer anderen Rossinischen per entnommenen Walzerduett Versöhnung!
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Donizettis erste Erfolge fallen in die Zeit des sinkenden Ruhmes Rossinis und der Blüthezeit der Bellinischen Opernkompositi n. Man ist heute leicht geneigt, den künstlerischen Werth der Kompositionen beider Tondichter zu unterschäßen und den italienischen Singsang und Klingklang" in Grund und Boden zu verdammen. Dies hieße jedoch die hohe Bedeutung Rossinis und Bellinis für die Entwickelung
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der italienischen wie der gesammiten modernen Sper völlig verkennen. Die italienische Oper befand sich zur Zeit des plößlichen, rauschenden Erfolges des Rossinischen Tankred" in einer Periode völligen Rossinischen„ Tankred" in einer Periode völligen Stillstandes und der Erschlaffung. Die Werke der älteren italienischen Komponisten, wie die Paers, Päsiellos, waren allmälig von den Bühnen verschwunden; man war ihrer süßen, flüssigen, aber doch indifferenten und im Grunde herzlich lang= iveiligen Melodik längst überdrüssig geworden. Die größten italienischen Opernkomponisten um die Wende des Jahrhunderts, Spontini und Cherubini , hatten ihre glänzendsten Erfolge im Auslande geerntet und mit ihrem Kunstschaffen nie recht auf italienischem Boden Fuß fassen können. Beide waren auch zu Cherubini sehr von deutschen klassischen Mustern Cherubini von Mozart , Spontini von Gluck beeinfußt, als daß sie die volle Anerkennung und den Veifall des auf die Betonung des nationalen Elements gerade in der Musik so überaus eifersüchtigen Italieners hätten finden können. Rossini war es vorbehalten, die italienische Oper, die gänzlich erstarrt und baldigem Untergange geweiht zu sein schien, noch einmal zu neuem, blühendem Leben zu erwecken und mit dem raschen Siegeszuge seiner Cpern durch alle Länder der zivilisirten Welt das Andenken an die glänzende Zeit der unbestrittenen musikalischen Weltherrschaft der italienischen Kunst heraufzubeschwören. So verblaßt und dürftig uns heute auch die Farben des Rossinischen„ Tanfred" oder„ Othello" erscheinen mögen wir dürfen nicht vergessen, daß sie, gegen die damalige opera seria gehalten, doch einen ge= waltigen Fortschritt bedeuten. Und Rossinis komische Opern üben noch heute durch ihre ungezwungene Grazie und köstlichen Humor dieselbe bestrickende Wirkung aus wie vor achtzig Jahren. Der vielgerügte Mangel Rossinis an dramatischem Ausdruck verschwindet bei dem Vergleich seiner Partituren mit denen seiner Vorgänger fast gänzlich; sogar in jedem Afte seines geschmähten und in jeder Musikgeschichte als warnendes Beispiel aufgestellten" Othello" pulsirt mehr frisches, dramatisches Leben, als in sämmt lichen Opernpartituren Paers. Das Ueberwuchern der Koloratur in Rossinis Opern erklärt sich aus dem Bestreben des Komponisten, dem argen Unfug der Sänger und Sängerinnen, jede Melodie durch eigene, erfundene Schnörkel und Triller zu entstellen, durch feste Firirung der Gesangsverzierungen ein Ende zu machen.
Ebenso bedeutet die Bellinische Oper einen erheblichen Fortschritt über die in den ersten Jahr zehnten unseres Jahrhunderts in Italien übliche Opernkomposition hinaus. War auch das der Bellinischen Melodik zugewiesene Ausdrucksgebiet nur flein und eng begrenzt, so hat doch der Komponist innerhalb der ihm vorgeschriebenen Schranken Tonwerke von hoher Ursprünglichkeit und bleibendem Werth zu schaffen gewußt. Gerade nach deutschen Begriffen ist Bellinis Melodif bei aller Weichlichkeit und Sentimentalität doch nichts weniger als unwahr, und daß sein Hauptwerk, die„ Norma", auch im dramatischen Ausdruck zu den besten der zeitgenössischen matischen Ausdruck zu den besten der zeitgenössischen Opern zählte, hat selbst der junge Wagner rückhaltslos eingestanden.
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Als der junge Donizetti mit seinem„ Liebestrant" sein erstes bleibendes Werk schuf, konnten die musikalischen Verhältnisse Italiens dem jungen, strebenden Talente nicht günstiger sein. Italiens größter dramatischer Komponist, Rossini , schwieg be= reits seit drei Jahren, seit dem rauschenden Erfolge seines Tell", seines reifsten und abgeklärtesten Werkes. Sein großer Rivale Bellini rüstete sich bereits zur Reise nach Frankreichs Hauptstadt, aus der er nicht wieder in seine Heimath zurückkehren sollte; schon im Jahre 1835 raffte der Tod den erst dreiunddreißigjährigen Künstler dahin. Die anderen dramatischen Tondichter Italiens waren Sterne dritten und vierten Ranges; Pacinis bedeutendste Werke entfielen zudem schon in die zwanziger Jahre, von Mercadantes Opern gefielen sich die einen zu sehr in einer gehaltlosen und langweiligen Verwässerung des Rossinischen Stiles, während die anderen den italienischen Publikum wegen ihrer angeblichen allzu großen Anklänge an deutsche klassische Wuster mißfielen.
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Donizettis erste Opern, namentlich das Werk, mit dem er zum ersten Male größeres Aufsehen erregte, die Anna von Boleyn ", zeigen ihn freilich noch vollständig im Baune Rossinis. Doch ist von der Kraft und Gluth, der üppigen, melodischen Erfindungsgabe des Pesaresers in diesen Partituren herzlich wenig zu verspüren; mit um so größerer Treue sind ihm seine Schwächen und Mängel, die lärmende und doch wieder eintönige, schablonenhafte Instrumentirung, das Vorherrschen der Bravourarie, die geringe dramatische Charakteristik abgelauscht. Daneben macht sich der Einfluß des jungen Bellini geltend. Erst von dem„ Liebestrant" an zeigt die Muse Donizettis ihr eigenes Gesicht. Der„ Liebes trank " ist die erste der Donizettischen Opern, die noch heute auf dem Repertoir unserer Opernbühnen erscheinen; neben Rossinis sechzehn Jahre vorher erschienenem„ Barbier" darf er als die populärste, wie künstlerisch werthvollste komische italienische Oper angesehen werden. Freilich fließen die melodischen Quellen Donizettis nicht so reichlich wie die seines großen Nebenbuhlers, sein Humor ist nicht so originell und wirksam, doch weiß Donizetti in den Szenen sentimentalen Charakters weit rührendere und zu Herzen sprechendere Töne zu finden als Rossini , der Situationen, in denen ein reines, tiefes Gefühl zu Worte kommen soll, entweder aus dem Wege geht oder, wo er sie schlechterdings nicht vermeiden kann, wie in dem Duett zwischen Almaviva und Rosina im„ Barbier", sich mit einigen inhaltsleeren, nichtssagenden Floskeln behilft. Dagegen zählt die Des- dur- Arie Nemorinos im Liebestrant" mit ihrer edlen, einfachen Sentimentalität zu den schönsten Eingebungen des Komponisten.
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Schon an dieser Stelle mögen, um die komischen Opern Donizettis im Zusammenhange zu besprechen, einige Worte über die beiden anderen komischen Opern des Tondichters, die an ihrer Lebenskraft bis heute nichts eingebüßt haben, hier ihren Platz finden. Uneingeschränktester Beliebtheit erfreut sich immer noch die„ Negimentstochter", und dieses gleicher Weise bei dem Publikum, dessen Geschmack an der flotten, glücklich erfundenen Handlung und der immer frischen, geistvollen Melodik noch immer seine Rechnung findet, bei den Sängern, denen die gerade in dieser Oper so dankbare und leichte Schreibart des Tondichters Gelegenheit zu wohlfeilen Triumphen bietet, und endlich bei den Theaterdirektoren, denen die leicht zu inszenirende, nur zwei Stunden an= dauernde Oper als willkommenſter Lückenbüßer erscheint. Donizetti hat die Regimentstochter" für ein französisches Publikum geschrieben; es erscheint wunderbar, mit welcher genialen Leichtigkeit der Komponist alle charakteristischen Eigenschaften der französischen Oper, in der gerade in jenen Jahren das nationale Element durch Boieldieu und Auber zu stärkerer Geltung gelangt war, in den Dienst seines geschmeidigen Talents gestellt hat, ohne dabei den Vollblutitaliener zu verleugnen. Die liebenswürdige Grazie, die leichte Beweglichkeit, die fecke, flotte Rhythmik der französischen Musik finden sich in der Partitur nicht minder, wie der holde Melodieuschmelz, die naive Sentimentalität, das üppige, vollsaftige Schwelgen im Klanglichen Wohllaut der italienischen Tonkunst. Trotzdem macht die Oper nirgends den Eindruck des Zusammengestückelten und Erfünftelten, sondern erscheint harmonisch und aus einem Guß geformt.
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Die dritte komische Oper Donizettis, der„ Don Pasquale ", trägt wieder rein national- italienischen Charakter. Das Tertbuch, das sich der Maestro mit geschickter Hand selbst zusammengestellt hat, zeigt einige Verwandtschaft mit dem Rossinischen Barbier von Sevilla". Eine junge Wittwe, Norina, die sich von zwei Freiern, dem hübschen, jungen Ernesto, und dem alten Hagestolzen Don Pasquale , umworben sieht, weiß dem Letzteren, nachdem sie ihm einige Hoffnung gemacht hat, die Ehe mit ihr als eine solche Hölle darzustellen, daß er jeden Gedanken an eine Verehelichung aufgiebt und in die Heirath Norinas mit Ernesto seinen Neffen einwilligt. So farg und dürftig die auf drei Afte vertheilte, übrigens durchaus nicht ungeschickt aufgebaute Handlung er= scheint, so abwechselungsreich und reizvoll ist die Musik
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