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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Spitäler und in die Waisenhäuser gehen, um sich dort eine Zeit lang in den Tugenden zu üben, die die Gesellschaft berechtigt ist, von ihnen zu verlangen. Und wie viel Vortheile wird die Gesellschaft von einer solchen Einrichtung genießen. Wer kann er­messen, welche Folgen dem allgemeinen Wohl daraus entsprießen werden? Die Frauen und die Sitten werden sich veredeln. Die Spitäler, ihres häßlichen Namens entkleidet, werden Tempel der Menschenliebe sein. Am Bette des Sterbenden wird ihr Engel stehen, nicht mehr das Grauen. Bürgerdeputirte, ich habe gesprochen. Ihr habt uns den Namen Bürgerin gegeben. Laßt uns so nicht blos heißen, laßt es uns auch sein. Alle, selbst die Greise, ge= nießen den ehrenvollen Vorzug, als Wächter vor dem friedlichen Hause des Bürgers zu stehen. Als Wächter steigen sie auf die Mauer, um nach den Gefahren auszuschauen, die unsere Brüder bedrohen. Auch meine Schwestern wollen Wächter sein. Bürger deputirte, die so zu Euch spricht, ist jung, erst ein­undzwanzig Jahr, sie ist Mutter, sie ist nicht mehr verheirathet. Ihr ganzer Ehrgeiz, ihr ganzes Glück würde es sein, sich als eine der Ersten dieſen theuren Pflichten widmen zu dürfen. Hört ihren glühenden Wunsch und werde er durch Euch der Wunsch von ganz Frankreich  !"

So sprach Therezia Cabarrus, einst die ver­götterte Königin der Salons, der Feste und der Mode. Die Versammlung verwunderte sich nicht. Sie verwunderte sich über garnichts mehr. Bei­fällig nahm sie den Antrag auf und verwies ihn an eine Kommission.

In dieser Versammlung saß auch Robespierre  . Er haßte Tallien  . Tallien war groß geworden und der Diktator war eifersüchtig. Einen Schlag gegen ihn wagte er nicht, denn noch murrte das Volk über die Hinrichtung Dantons. Aber er erkannte an dem Verhaßten ein tödtliche Stelle. Einige Tage später unterzeichnete das Verhafts- Comité, bestehend aus Robespierre  , Billaud- Varennes, Callot- d'Herbois und Barére, folgenden Befehl: Die sogenannte Cabar rus, Tochter eines spanischen   Baufiers und Frau des sogenannten Fontenay, ist sofort zu verhaften. An ihre Papiere sind die Siegel zu legen."

Auf ihrem Schloß zu Fontenay, mitten in der Nacht, wurde Therezia von den Emissären Robes

Auf der Fährte.( Zu unserem Bilde.) Schon seit drei Tagen sind sie auf der Spur des kühnen Flüchtlings, der sich als Kaufmann in das Kosakenlager eingeschlichen und sich schnell die Freundschaft der Steppenreiter, die Gunst der Offiziere zu erwerben gewußt hatte, um dann plöglich des Nachts zu verschwinden. Nach der türkischen Grenze hin führte seine Spur; lange haben die beiden Kosaken, die der Hetman sofort zur Verfolgung des flüchtigen Spions ausgesandt, mit den Unbilden der Witterung und der rauhen, unwegsamen Steppe kämpfen müssen, bis sie heute endlich dem Entflohenen auf wenige Werst nahe gekommen sind. Wehe dem Unglücklichen, wenn er lebend in die Hände seiner Verfolger fällt! Eine düstere Mordlust blizt aus den Augen der beiden Krieger; sie werden das beleidigte heilige Rußland   an dem Ungläubigen, der sich unter der Larve des Freundes in ihr Vertrauen gestohlen, zu rächen wissen.

Ein langes Theaterstück. Im Jahre 1409 wurde von der niederen Geistlichkeit Londons   ein Schauspiel aufgeführt, welches Die Schöpfung der Welt" hieß und nicht weniger als vierzig Afte hatte; die Aufführung nahm volle acht Tage in Anspruch.

Chinesische Weisheit.

Der Mond wacht bei Nacht, der Hahn hat sein Amt des Morgens, wie kann man ein Mensch heißen, wenn man nicht studirt? Der Seidenwurm spinnt Seide, die Biene erzeugt Honig, der Mensch ist weniger als diese Thiere, wenn er nicht studirt.

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Besser ein Hund in Frieden, als ein Mensch in Ge­jetlosigkeit.

Der Edelstein wird nicht ohne Reibung polirt, noch der Mensch ohne Prüfung vervollkommnet.

pierres gefangen genommen. Mit ihr eine Kammer­frau und ein Bedienter. Man brachte sie in das Gefängniß de la Force. Therezia kam in eine Einzel­zelle, ein schwarzes, vergittertes Loch mit einem Bündel feuchten Strohs. Große Spinnen frochen darüber und hinter den Wänden hörte Therezia die Seufzer ihrer Genossen.

Am nächsten Tage vernahm Tallien   das Ge­schehene. Biellos durchirrte er die Champs Elysées  . In der Ferne folgte ihm ein Mann. Das war ein Spion Robespierres. Gegen Abend schlich er sich vor die Force. Aber au feinem Fenster erscheint die die Force. Aber an keinem Fenster erscheint die Gestalt der Geliebten.

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Therezia blieb im Gefängniß. Eines Abends öffnete der Schließer die Thür und erlaubte ihr, im Hofe spazieren zu gehen. Diese Gunst wurde in der Force den Untersuchungsgefangenen sonst nicht zu Theil. Es war schon dunkel. Plötzlich fiel zu den Füßen Therezias ein Stein. Sie hob ihn auf. An den Stein war ein Zettel gebunden. Aber nirgends war ein Licht. Sie fehrte in ihre Zelle zurück und durchwachte die Nacht, bis der Morgen graute. Auf dem Zettel standen folgende Zeilen: Ich wache über Sie. Jeden Abend um neun Uhr werden Sie im Hof spazieren gehen. Ich bin in Ihrer Nähe." Es waren Druckbuchstaben, aber Therezia kannte den Schreiber. Fiebernd fragte sie den Schließer, als er ihr das Frühstück brachte, gekochte Bohnen und Schwarzbrot, nach der Uhr. Der Schließer legte, wie auf alle ihre Fragen, stumm den Finger an den Mund. Acht Abende lang hintereinander erging sich Therezia im Hof. Tallien   hatte in der Nachbar­schaft ein Zimmer gemiethet. Dort saß er und ver­zehrte sich vor Grimm, Liebe und Schmerz. Von dort aus warf er seine Steinchen. Seine Mutter war ihm behülflich gewesen. Sie hatte sich zu dem Schließer der Force begeben und ihn flehentlich ge= beten, der Gefangenen eine Stunde frische Luft zu gönnen, sie wäre leidend und müßte sonst ersticken. Der Schließer hatte ein mitleidiges Weib und der Gefangenen wurde die Wohlthat bewilligt. Aber die Spione des Diftators erfuhren, daß Tallien   in der Nähe der Force ein Zimmer bezogen hatte. In der Force erschien ein Emissär und führte die Gefangene

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Aus dem Papierkorb der Zeit.

Auf die Frage wegen des Zustandes nach dem Tode antwortete Kong- ju- tse( Confucius), der im sechsten Jahr­hundert vor Christi lebende Weise des himmlischen Reiches: Ich kenne das Leben noch nicht, wie sollte ich vom Tode wissen?"

Ein anderer Lobsänger der alten und Bußprediger und Unheilverkünder der neuen Zeit erklärt:

Herrlich ist es wohl zu schauen, Wie wir unsern Ahnen bauen Schöne Grabdenkmale; Sorglich auch bewahren wir Kunst und Wissenschaften Zier Gleich des Himmels Strahle. Alles haben wir erspäht, Auch zur tiefsten Tiefe geht Unsers Geistes Forschen; Dennoch ist uns angesagt, Daß dem Reich ein Morgen tagt, Wo es wird vermorschen. Denn an innerem Gehalt, An des Geistes Urgewalt Fehlt es unsrem Können; Wie der Has auch zierlich springt, Endlich es dem Hund gelingt Nieder ihn zu rennen.

Ich lieg in schwerem Traume

Von nichts als Fahr(= Gefahr) und Noth. Ich schweb auf einem Baume,

Der stets zu brechen droht;

Und unten ringsum wachen

Mit aufgesperrtem Rachen

Die Tiger und die Trachen,

Und wenn ich falle, fall ich in den Tod.

O könnt ich doch erwachen

Als wie aus einem Traum, aus dieser Zeiten Noth.

aus ihrer Zelle nach dem Karmeliterkloster. Dies, jezt ein Gefängniß, lag an einem alten Garten. Die Zelle, in die der Kerkermeister die Gefangene brachte, war schon von zwei anderen Frauen besetzt, der Herzogin von Aiguillon und einer Frau Josephine Tascher, Wittwe des bei der Rheinarmee gefallenen Generals Grafen Beaucharmais. An den Wänden der Zelle klebte noch das Blut der Septembermorde, auch die Spuren der Pikenstiche und der Säbelhiebe waren noch sichtbar. In einem Winkel, auf einem Haufen Stroh, lag eine Matraße, die gemeinsame Lagerstatt der drei Gefangenen. Frau von Aiguillon hatte eine Scheere, einen Fingerhut und ein paar Nadeln behalten dürfen, sie nähte.' Frau von Beaucharmais half ihr und las dabei. Therezi planderte und sang. Mit der Scheere rizten die drei Frauen ihre Namen in die Mauer, darüber die Worte: Freiheit, wann wirst Du aufhören, ein leeres Wort zu sein?" Einige Tage später fam Therezia in ein anderes Gemach. Acht Betten standen darin, jedes von anderen durch einen Verschlag ge= trennt. Sieben Betten waren schon besetzt. Dies= mal waren es Frauen aller Stände. Der Kerfer machte die Gefangenen gleich. Wie in allen Ge­fängnissen spielte man zur Unterhaltung Gericht und und Guillotine. Das Spiel begann um Mitternacht, wenn die Gefangenen von den Schließern und neuen Eingelieferten nicht mehr gestört wurden. Auf den Betten saßen die Richter. Die Angeklagte stieg auf den Tisch, neben ihr standen der Ankläger und der Gerichtsschreiber. Die Angeklagte wurde jedes Mal verurtheilt. Darauf wurden ihr die Hände gebunden, sie wurde auf ein Bett gestreckt und empfing mit der Hand den Todesstreich. Die Gefangenen unter­hielten sich bei dem Spiele wie die Kinder. Am nächsten Tage wurde Wahrheit aus dem Spiel. Fünf ihrer Genossinnen sah Therezia zur Guillotine ab­fahren. Noch war sie nicht verhört. Aber eines Morgens trat der Schließer herein und befahl Therezia, ihm zu folgen. Sie kamen in ein Zimmer, wo ein Emissär sie erwartete. Geben Sie uns die Beweise oder bezeugen Sie, daß Tallien in Bordeaur die Republik   verrathen hat, und Sie sind frei," sagte der Emissär. Ich bin einundzwanzig Jahre alt," erwiderte Therezia, lieber aber will ich zwanzig­mal sterben."

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( Schluß folgt.)

Vom Verfall des Volkes durch Hoffahrt und Ver­schwendung des Herrschers singt ein Dichter:

Größer wird der Kopf am Schafe Durch des Leibes Magerkeit; Mich erschreckt das Bild im Schlafe Von der arg entſtellten Zeit.

Ist nicht der Himmel hoch? Warum

Kann man gedrückten Haupts nur drunter stehn? Die Erde fest nicht um und 111,

Doch kann man nur mit Zittern drüber gehn.

Lernen bringt Sorgen, und jemehr Geseze, desto mehr Uebertreter.

Wo Heere weilen, da wachsen. Dornen und Distelu. Was Ihr der Welt thut, das thut sie Euch wieder. Warum ist das Meer der König der Gewässer, der alle an sich zieht? Weil es sich selber niedriger hält als sie. Thut Gutes und rechnet nicht auf Lohn.

Die wahre Erkenntniß besteht immer in der Welt. Grabe den Brunnen, ehe Du dürstest.

In dem Staate.

Kommt vom Himmel die gesezte Zeit, Dann der König zieht nicht mehr zu Nathe Die Geschichte der Vergangenheit, Nicht mehr will er im Geleit

Heiliger, von Allen

Anerkannter Sagung wallen;

Ja, der Himmel will ihn lassen fallen.

Nachdruck des Juhalts verboten!

Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Herrn G. Macasy, Leipzig  , Oststraße 14, richten.

Verantwortlicher Rebatteur: Gustav Macasy in Leipzig  . Verlag: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg  . Druck: Mar Bading in Berlin  .

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