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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Die Dauer seiner Rotation hat bis jetzt noch nicht ermittelt werden können, dagegen sind vier Monde( früher glaubte man acht) mit Sicherheit nachgewiesen.
Räthselhaft erscheint die von allem Bekannten abweichende Bewegung dieser Monde um den Zentralkörper, denn während sämmtliche anderen Planeten und Nebenplaneten nahezu in der Ebene des Sonnenäquators von Westen nach Osten sich bewegen, umfreisen die Uranusmonde senkrecht zur Uranusbahn den Zentralförper, also in der Weise, daß, von der Sonne aus gesehen, die Monde fortwährend die Richtung gegen die Sonne ändern, also bald, von der Sonne aus gesehen, den Uranus umkreisen, wie die Ringe einer Scheibe das Zentrum, nach Zurücklegung von einem Viertel der Uranusbahn aber vertikal zur Sonne stehen, also scheinbar nicht freisen, sondern nur steigen und dann wieder sinken.
Da nun aber selbstverständlich ist, daß die Uranusmonde annähernd in der Ebene des Uranusäquators sich bewegen, so folgern daraus ganz eigenartige Verhältnisse hinsichtlich der Besonnung der Uranusoberfläche.
Jeder Pol des Planeten wird die Sonne zeit weise im Zenith und wird dann die diesem entgegengesetzte Welthälfte lange dauernde Nacht haben. Darauf wird die Sonne langsam am Himmel von einem Pole zum anderen( in 42 Jahren) scheinbar sich bewegen, um nachher über den Pol und die andere Himmelshalbkugel hinweg zum ersten Pole zurückzuwandern.
Welcher Kontrast der Jahreszeiten muß sich hieraus ergeben, wenn auch die Sonne schon sehr entfernt ist.
Die Ursache dieser abnormen Bewegung ist bis jezt völlig unbekannt.
Anzunehmen ist jedoch, daß sie nicht von Anfang an so war, sondern auf spätere gewaltthätige Eingriffe von außen zurückzuführen ist, und daß sie
möglichenfalls ein Scitenstück zu der Entstehung der Planetoiden darstellt.
Sicher ist kein Weltkörper vor derartigen Katastrophen, wie in nächster Abhandlung dargethan werden wird, mag auch die Wahrscheinlichkeitsrechnung einen derartigen Fall noch so sehr als Ausnahme erscheinen lassen.
Die Entdeckung des Uranus war nun die direkte Ursache der Auffindung des bis jetzt bekannten fernsten Planeten Neptun .
Die Bewegung des Uranus zeigte nämlich nach längerer Beobachtung Unterschiede zwischen der theoretisch geforderten und der thatsächlich beobachteten, welche nur durch Störungen seitens einer noch unbekannten Welt erklärlich waren.
Es ist als bekannt vorauszuseßen, daß ein Franzose, Leverrier , im Jahre 1845 die Riesenarbeit der Berechnung der Größe, Entfernung und Stellung des noch nie gesehenen Weltballes, unter Zugrundelegung der Störungen des Uranuslaufes, unternahm und seine Resultate am 31. August 1846 der Pariser Akademie vorlegte.
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Auf Grund dieser Berechnungen ward darauf bereits am 23. September der neue Planet von Galle entdeckt, und zwar nur 1° entfernt von dem Orte, an dem Leverrier ihn erwartete.
Ein junger englischer Astronom, Adams, hatte dieselbe Berechnung schon im Jahre 1843 begonnen und bereits im September 1845 vollendet, aber unglückliche Zufälligkeiten verzögerten die thatsächliche Verfolgung seiner Ideen und so kam ihm Leverrier zuvor.
einer mit Sicherheit nachgewiesen ist, wenngleich mehrfach auch noch andere gesehen sein sollen.
Auch die von verschiedenen Seiten vermuthete und behauptete Eistenz eines 9.inges, ähnlich dem Ringe des Saturn, ist bis jetzt nicht dargethan worden.
Sein Durchmesser, 54 979 Kilometer, ist etwas geringer als der des Uranus , aber da seine Dichtig= feit größer, also wahrscheinlich seine Atmosphäre von geringerer Ausdehnung ist als die des Uranus , so übertrifft er die Masse der Erde etwa 17mal.
Flecken und ähnliche Einzelheiten sind bis jetzt noch nicht auf seiner Oberfläche gesehen worden, aber einige Wahrnehmungen stellen in Aussicht, daß er noch früher als der Uranus Details enthüllen wird.
Die Bewegung seines Mondes gleicht der der übrigen Nebenplaneten mit Ausnahme des Uranus , unterscheidet sich also von der Abnormität des Uranus .
Das hohe Alter des Neptun , in Verbindung mit seiner mittleren Größe, lassen die E; istenz einer Lebewelt nicht als unwahrscheinlich erscheinen, da, obgleich das Sonnenlicht nur 1000 des der Erde gespendeten beträgt, vermuthlich ein dichter Wolfenmantel seine Oberfläche gegen die Kälte des eisigen Weltraumes schützt. Allerdings nicht eine farbenglänzende, sondern eine düstere Landschaft würde sich einem Beobachter in dieser Ferne zeigen, deren Mittag kaum unserer tiefsten Erddämmerung gliche.
Ob nun noch über den Neptun hinaus unser Sonnensystem in das Dunkel des Alls taucht, wer kann es wissen!
Vielleicht zeigt uns der Neptun noch einmal Ueber den Neptun weiß man bis jetzt noch Störungen, welche Nachfolger Leverriers und Adams weniger als über den Uranus . zu der noch ungleich schwierigeren Berechnung der Lage und Verhältnisse noch unbekannter Außcuposten unseres Sonnenreiches begeistern mögen.
In einer Sonnenferne von 4470 Millionen Kilometern( za. 600 Millionen Meilen) umkreist der Neptun in 164 Jahren 266 Tagen den Sonnenball, wahrscheinlich begleitet von einer Schaar von Monden, von denen bis jetzt allerdings erst
Bis dahin aber bildet die düstere Neptuniswelt den Grenzstein gegen die Reiche anderer Sonnen.
Aschenbrödel.( Zu unserem Bilde.) Wer kennt nicht das liebliche, altdeutsche Märchen vom Aschenbrödel, dem armen, verachteten Kinde, mit seiner bösen Stiefmutter und seinen zwei hochmüthigen Stiefschwestern? In jedem Schullesebuch, in jedem Märchenbuch für Kinder nimmt es eine der ersten Stellen ein und man muß gestehen, daß kaum ein anderes Märchen dieses an Junigkeit, Schlichtheit und poetischer Wahrheit übertrifft. Zugleich aber ist die Legende vom Aschenbrödel ein tiefsinniges Symbol des sozialen Lebens, wenn auch der alte Dichter, der es geschaffen hat, gerade nicht an diese Auslegung seiner Schöpfung gedacht haben mochte. Das arme verachtete Stieffind der Natur ist es, das unter dem Drucke der bösen Schicksalsmutter und der glücklicheren Schwestern leiden und alle Frohnarbeiten des Hauses verrichten muß. Und doch ist gerade das verachtete Aschenbrödel die Schönste von den Schwestern, und es wird die Zeit kommen, wo es trop Tücke, Betrug und List sein Glück, das Glück des Lebens finden wird.
Der Künstler, der uns heute die reizende Gestalt des armen Mädchens vorführt, hat sich eine der intimisten Situationen des Märchens ausgewählt: wie Aschenbrödel auf Befehl der boshaften Mutter die durcheinandergeworfenen Linsen, Bohnen und Erbsen auslesen soll. Und da kommen die Vögel von allen Seiten herbei und machen durch ihre flinkere Arbeit die widerwärtige Gehässigkeit des alten Weibes zu Schanden.
Das altenglische Theater. Zu den schwierigsten und zudem nicht immer dankbarsten Aufgaben des modernen Regisseurs gehört die Juszenirung der Shakespeareschen Bühnendramen. Der überaus schnelle und häufige Szenenwechsel im ersten Akt des Hamlet ändert sich die Szene fünfmal, im dritten des König Lear gar siebenmal. die rasche Aufeinanderfolge der verschiedenartigsten Auftritte und Stimmungsbilder stellen die höchsten Anforderungen an Gewandtheit und Bühnenkenntniß des Regisseurs: selbst die geschicktesten Bühneneinrichtungen der Shakespeareschen Dramen, die namentlich für verschiedene Auftritte die gleiche Szenerie beizubehalten streben, ohne die feinen dramatischen Fäden zu zerreißen, lassen ihm Mühe und Arbeit genug zurück. Um die scheinbare Verworrenheit und Zerrissenheit im szenischen
Aus dem Papierkorb der Zeit.
Aufbau der Shakespeareschen Dramen zu verstehen, müssen wir vor Allem die Bühnenverhältnisse im alten England berücksichtigen. Die Mittel zur Erzeugung der szenischen Illusion waren im alten englischen Theater so primitiv und anspruchslos, daß der große Brite den Eingebungen seines Genius freien Lauf lassen durfte, ohne durch irgend welche äußere Rücksichten gehemmt zu sein. Das Globetheater, in dem die Truppe des Lord Chamberlain spielte, zu der Shakespeare selbst gehörte, war ein einfacher Holzbau in Form eines Sechsecks oder Achtecks. Zwischen der Bühne und dem Zuschauerraum, der fast nur Stehpläge enthielt, bestand eine engere Verbindung, als bei den modernen Theatern. Der Vorhang, der von beiden Seiten auf und zugezogen wurde, trat nur bei dem Anfang und Schluß der Stücke in Thätigkeit; die Pausen zwischen den einzelnen Aften wurden bei offener Szene gehalten und durch kurze Musikstücke ausgefüllt. Sämmt liche Bühneneinrichtungen wiesen die größtmögliche Einfachheit auf. Die Bühne war ein geschlossener, von Logen für die vornehmeren Zuschauer umgebener Bau; Koulissen und größere Verjeßstücke kannte man nicht. Mitten im Hintergrunde befand sich eine zweite, kleinere Bühne mit einem besonderen Vorhang; über dieser Bühne befand sich wieder eine mit einem Balkon versehene Loge. Diese einfache Einrichtung ermöglichte bei gewissen, sich auf einen fleinen Raum konzentrirenden Bühnenvorgängen den schnellsten Wechsel der Szenerie. Zur Erzeugung einer szenischen Jllusion bei den Zuschauern geschah fast nichts: sollte die Szene eine bestimmte Lofalität, wie einen Saal, ein Schlachtfeld, einen Wald, ein Grabgewölbe darstellen, so deutete man dies durch eine herabhängende Tafel mit einer Aufschrift an. Ebenso wurde auf einer Tafel der Name des Landes und der Stadt, wo die Szene spielte, vermerkt. In der Ausstattung der Kostüme herrschte ein größerer Lurus, als in dem der szenischen Bilder. Anforderungen an eine, wenn auch nur bescheit ene historische Trene wurden nicht gestellt, doch unterschied man die Darsteller von Königen, Rittern und anderen vornehmen Personen durch reichere Kleidung und größere Waffenpracht. Frauen wirkten bei den Ausführungen nicht mit; sämmtliche weibliche Bühnengestalten wurden durch junge Männer oder Knaben verkörpert.
So war die Bühne beschaffen, von der herab die gewaltigen Offenbarungen des größten Tramatikers der Neuzeit die Zuschauer entzückten und erschütterten. Unter Bühnenverhältnissen, unter denen sich heute der Direktor
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der ärmlichsten Schmiere zu spielen weigern würde, schrieb der geniale Dichter jene Wunderwerke, zu deren vollendeter Darstellung uns heute mit Recht keine Mühe und fein Opfer zu groß erscheint.
L.
Der witzige polnische Dichter Rej( 1507-1569) fand seinen Meister an einem Bauern, den er irgendwo auf einer seiner Reisen in einem Dorfe antraf. Mit ihm führte Rej folgendes Gespräch:
Wer ist Stammhalter in diesem Gut?"
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"
Die Stüßpfähle der jungen Bäumchen." Wer ist hier Herr?"
,, Der, der das meiste Geld hat."
"
Wer ist hier Dorfältester?"
, Cine hundertjährige alte Frau."
Wer steht hier am höchsten?"
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Die Linde an der Kirche dort oben!"
" Ist der Mittag noch fern?"
" Ich weiß nicht, denn ich bin nie hingegangen."
Mein Sohn, Du wirst etwas aufs Maul bekommen." " Ich nehme nichts ins Maul, denn ich bin kein Hund; gebt mirs in die Hand wie einem Menschen."
Gedankenspliffer.
Das ist Einer von uns, dies ist ein Fremder," so sprechen Niedere See en; die Welt ist nur ein einziges Haus, Wer die Sache des Menschengeschlechts als seine betrachtet, Nimmt an der Götter Geschick, nimmt am Verhängnisse theil. Edler Menschen Sinn ist im Glückslotto weich, Aber wird beim Ungemach hart und stark, Felsen gleich. Bhatrihari, altindischer Dichter.
Wir wollen von Anderen erben, Niemand will für Andere sterben.
Klassisch ist alles Dasjenige, wovon sich mit Sicherheit behaupten läßt, daß es irgend einmal einem alten Schulmeister gefallen hat. Hoffmann von Fallersleben .
Nachdruck des Juhalts verboten!
Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Edgar Steiger , Leipzig , Elisenstr. 90, richten.
-Verlag: Hamburger Buchbruckerei und Berlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg . Druck: Mar Bading in Berlin .