Noch etwas über Vampyrismus. Im vierzehnten Bande seines Dictionnaire philosophique* bringt Vol taire , Frankreichs größter und universellster Schriftsteller, einen längeren Artikel über Vampyre . Da manchen von unseren Lesern ein Nachtrag zu der Notiz über Vampyre in Nr. 37 dieses Blattes nicht unwillkommen sein dürste, auch der eben genannte Artikel wohl im Stande ist, als Probe von der geistvollen und wißigen Schreibart des großen Spötters zu dienen, möge ein Auszug daraus in freier Uebersetzung folgen:
Die Vampyre waren Todte, die zur Nachtzeit die Kirchhöfe verließen, um den Lebenden an der Gurgel oder am Unterleib das Blut auszusaugen, worauf sie sich wieder in ihre Gräber begaben. Die ausgesogenen Lebewesen wurden bleich und mager und verfielen in Auszehrung; die todten Aussauger wurden dick und fett und nahmen eine blühende Farbe an. In Polen , Ungarn , Schlesien , Mähren , Oesterreich und Lothringen ließen es sich die Todten bei derartigen Schlemmereien wohl sein. In London und Paris hörte man nichts von Vampyren. Ich muß gestehen, daß es in beiden Städten Wucherer, Steuerpächter und Geschäftsleute gab, die dem Volke am hellen, lichten Tage das Blut aussogen, aber sie waren nicht gestorben, wenn auch verdorben; auch wohnten sie nicht auf Kirchhöfen, sondern in recht angenehmen Palästen.
Wer sollte glauben, daß der Vampyrismus zu uns aus Griechenland gekommen ist? Freilich nicht aus dem Griechenland eines Alexanders des Großen, eines Aristoteles, eines Platon, Epikur oder Demosthenes , sondern aus dem christlichen, leider abtrünnigen Griechenland .
Die Griechen sind davon überzeugt, daß diese Todten Herenmeister sind; sie nennen sie Brufolakas oder Brukolakas, je nachdem sie den zweiten Buchstaben des Alphabets aussprechen. Diese Todten bei den Griechen gezen in die Häuser, um den kleinen Kindern das Blut auszusaugen, den Eltern ihre Mahlzeiten zu verzehren und alle Möbel zu zerschlagen. Man kann sie nur dadurch zur Vernunft bringen, daß man sie erwischt und verbrennt. Man muß jedoch die Vorsicht beobachten, ihnen vor dem Verbrennen das Herz auszureißen und dieses besonders den Flammen zu übergeben.
Neben der Verleumdung verbreitet sich nichts so schnell wie der Aberglaube, der Fanatismus, die Hererei und Gespenstergeschichten. Es gab Brukolakas in der Wallachei, in der Moldau, und bald bei den Polen , die der römisch- katholischen Kirche angehören. Bei ihnen machte dieser Aberglaube keine Geschäfte und zog weiter in das ganze östliche Deutschland . In den Jahren 1730 bis 1735 hörte man nur von Vampyren sprechen. Man griff sie auf, riß ihnen das Herz aus und verbrannte sie: sie glichen indeß den alten Märtyrern; je mehr man verbrannte, destomehr wurden ihrer."
Im Folgenden führt Voltaire einige Wundergeschichten aus der Geschichte der christlichen Kirche auf, denen man irgend welche Beziehungen zum Vampyrismus abgewinnen könnte, und fährt dann fort:
„ So wahr indeß alle diese Geschichten auch sein mochten sie hatten mit den Vampyren, die ihren Nächsten das Blut aussogen und sich dann wieder in ihre Gräber legten, nichts gemein. Man forschte nach, ob man nicht im Alten Testament oder in der Mythologie einen Vampyr ausfindig machen könnte, den man zum Beispiel hätte nehmen können.
Die Schwierig eit bestand darin, daß man nicht wußte, ob die Seele oder der Leib des Todten aẞ. Man entschied, daß es beide thäten. Die feinen und wenig substantiellen Nahrungsmittel wie hier folgen im Original einige Ausdrücke, mit deren gar zu argem Cynismus wir unsere Leser verschonen wollen waren für die Eeele, die Roastbeefs für den Körper.
Die persischen Könige waren, wie erzählt wird, die ersten, die sich noch nach ihrem Tode bewirthen ließen. Fast alle heutigen Könige thun es ihnen gleich, aber die Pfaffen essen ihr Frühstück und Abendbrot und trinken ihren Wein. So sind die Könige im eigentlichen Sinne des Wortes keine Vampyre. Die wahren Vampyre sind die Pfaffen, die auf Kosten der Könige und Völ er sch emmen.
Es ist thatsächlich wahr, daß der heilige Stanislaus, der ein großes Landgut von einem polnischen Edelmanne gekauft, aber nicht bezahlt hatte, und bis zum Könige Boleslaus von seinen Gläubigern verfolgt wurde, den Edelmann aufweckte, aber dies geschah lediglich darum, nm sich eine Quittung geben zu lassen. Und es steht nichts davon geschrieben, daß er dem Verkäuser auch nur cinen Schoppen Wein gereicht habe, der, ohne Speise und Trant genossen zu haben, in die andere Welt zurückkehrt.
Man streitet sich über die große Frage, ob man einem im Baune gestorbenen Vampyr Absolution ertheilen fönne. Ich bin nicht tief genug in die Geheimnisse der Theologie eingedrungen, um meine Meinung hierüber zu sagen; aber ich würde meine Stimme für die Absolution geben, weil man in allen zweifelhaften Fällen wohl daran thut, sich für das Angenehmere zu entscheiden.
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Den Haß dämmt ein,
Der Lieb zieht weit're Schranken!"
* Dictionnaire philosophique
philo ophisches Wörterbuch
heißt das Sammelwert, in dem Boltaire 1764 seine im Dienst der Ausilärung des vorigen Jahrhunderts für Diderots Encyklopädie geschriebenen Aufsäge herausgab.
Aus dem Papierkorb der Zeit.
Ergebniß von Alledem ist, daß ein großer Theil Europas fünf bis sechs Jahre hindurch von Vampiren verheert worden ist und daß es feine mehr giebt; daß wir in Frankreich zwanzig Jahre hindurch Verzückte gehabt haben und daß es keine mehr giebt; daß wir siebenzehn Jahrhunderte hindurch Besessene gehabt haben und daß es keine mehr giebt; daß man seit Hippolytes Zeit immer Todte auferwedt hat und daß man keine mehr aufweckt; daß wir in Spanien , Portugal , Frankreich und im Königreich beider Sizilien Jesuiten gehabt haben und daß wir keine mehr haben."
Voltaire schrieb diese Zeilen um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Wir sind heute anderthalb Jahrhunderte weiter. Wirklich?
L.
Zur Geschichte der Rausverbote. Altdeutsche Rauflust machte schon den obersten Kriegsherren im Mittelalter schwere Kopfschmerzen. Es lag allezeit nur zu nahe, daß der zum Waffentragen privilegirte Stand dieses sein Vorrecht auch zum eigenen Nugen und in eigener Sache benutte, um schnelle Justiz durch Selbsthülfe zu üben, statt den immerhin mehr oder weniger Zeit erfordernden Rechtsgang einzuleiten und abzuwarten. Der ganze Lauf der Politik zeigte den Waffenberechtigten, daß Gewalt Recht schaffe und ohne die nöthige Gewalt in der Hinterhand jedes Recht krank und ohnmächtig sei.
Ein interessanter Versuch, dem Unwesen der Krieger zu steuern, ist das Kriegsgesez Kaiser Friedrichs I. vom Jahre 1154, das gleich in seinem Eingang von Raufhändeln und weiter sind auch die hochpreislichen modernen Duelle nichts handelt. Das Gesetz stellt recht gesalzene Strafen in Aussicht, sehr im Gegensatz zu der Art, mit der heutzutage Duellanten, die doch auch lediglich Friedensbrecher und Rechtsverächter sind, behutsam und fein säuberlich angefaßt werden.
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Das Kriegsgesetz des Kaisers Rothbart hebt folgendermaßen an:„ Wir bestimmen und wollen streng beobachtet wissen, daß weder ein Ritter noch ein Soldat es wage, Streit anzufangen. Wenn einer mit einem Anderen Händel bekommen hat, soll keiner von Beiden den Lagerruf schreien, damit dadurch seine Leute nicht zum Kampf erregt werden. Wenn Streit entstanden ist, soll Niemand mit Waffen, d. h. mit dem Schwert, der Lanze, oder mit Pfeilen hinzueilen, sondern den Streit schlichten, gerüstet mit dem Harnisch , dem Schild und dem Helme und nur mit einem Prügel bewaffnet sein. Niemand soll den Lagerruf erschallen lassen, außer, wenn er seine Herberge sucht. Welcher Ritter aber durch Schreien des Lagerrufs Händel veranlaßt hat, der soll seine ganze Rüstung verlieren und aus dem Heere gestoßen werden. Wenn es aber ein Knecht gethan hat, so soll er geschoren, geprügelt und am Kinnbacken gebrandmarkt werden, oder sein Herr kauft ihn mit der ganzen Rüstung los."
Man bemerke den Unterschied zwischen dem„ finsteren, barbarischen Mittelalter" und der gesitteten, aufgeklärten Neuzeit. Dort wird der Rechtsbrecher, der in Selbsthülfe Händel sucht, der Rüstung, die doch sein Privateigenthum ist, verlustig erklärt und schimpflich aus dem Heere ausgestoßen: heute wird dem des Königs Rock und die Angehörigkeit zum Heere abgesprochen, der nicht den Weg rechtsbrecherischer Selbsthilfe betritt.
Auch vom Zweikampf ist die Rede, der nicht nur gestattet, sondern vorgeschrieben ist, aber im Mittelalter ein Theil des Rechtsverfahrens, ein Mittel zur Beantwortung der Schuldfrage ist, wenn Indizien und Eide sich die Wage halten.
Es heißt weiter:„ Wer Jemanden verwundet hat und dies leugnet, dem soll, wenn der Verwundete ihn durch zwei wahrhaftige, ihm nicht verwandte Zeugen überführen kann, die Hand abgehauen werden. Fehlen die Zengen und will Jener sich durch den Eis reinigen, so kann der Kläger den Eid zurückweisen und mit ihm im Zweikampf die Sache ausfechten."
Das heißt aber, wie aus dem sonst über den gerichtlichen Zweikampf überlieferten Mittheilungen zu schließen ist, daß damit zunächst nur die Schuldfrage durch eine Art Gottesgericht beaut vortet ist und dann der Prozez weitergeht und der nun schu.dig befundene Theil seine Etrafe erhält, vorausgesett, daß er noch am Leben oder, im Falle der Geldbuse, am Vermögen faßbar ist.
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Wenn Jemand einen Mord begangen hat und von einem Verwandten, Freund oder Gefährten durch zwei wahrhaftige, dem Ermordeten nicht verwandte Zeugen üerführt wird, so verfällt er der Todesstrafe. Fehlen jedoch die Zeugen und will der Mörder sich durch den Eid reinigen, so kann der Freund oder Verwandte des Ermordeten mit ihm im Zweikampfe die Sache ausfechten."
Das heißt offenbar soviel als, wenn der Kläger an den Reinigungseid des Mörders nicht glaubt und mit Ueberzeugung und ruhigem Gewissen Eid gegen Eid stellen würde, eben der Zweikampf den Zweck hat, zu erweisen, welcher der beiden Eide echt und welcher„ mein", d. h. falsch, Meineid sei.
Als normaler Weg, Unrecht aus der Welt zu schaffen oder geschehene llebelthat zu strafen, git nicht die Selbsthülfe und Justiz auf eigene Hand, sondern die Klage, wie sich aus folgenden Sägen ergiebt:
„ Wer einen Anderen eine Stirche oder einen Markt plündern sieht( die erstere stand unter Gastesfrieden, der
zweite unter Königsfrieden), soll es verhindern, doch ohne Streit; fann er es nicht hindern, so soll er die Sache bei Hose klagen."
Ferner: Wer eine Vorrathsgrube findet, soll frei sich ihrer freuen. Wenn sie fortgenommen wird, soll er nicht Böses mit Bösem vergelten, nicht seine Beleidigung rächen, sondern es dem Marschall klagen, um Recht zu erhalten."
Dieses Finden" einer freien Beute war dem Ersten ja nur möglich durch den günstigen Verlauf des Heerzuges, der nicht sein, d. i. des ersten Finders, Werk und Verdienst allein war, sondern das aller Mitkämpfer. Der Marschall soll dann befinden, ob durch besonderes eigenes Verdienst der erste Finder" sich einen Voranspruch in dem gegebenen Falle erworben hatte, so daß er in der Wegnahme seines Fundes mit Recht eine beleidigende Rechtsbeeinträchtigung gesehen habe oder nicht.
Unmittelbar noch in das Gebiet von Ehrver'etzungen in modernem Sinne scheint der folgende Say ein, ngreisen: „ Wenn ein Ritter einem anderen Ritter Schimpfworte gesagt hat, dann kann er dies mit einem Eid in Abrede stellen; leugnet er es nicht, so zahlt er ihm zehn Pfund der Münze, die gerade im Heere Geltung hat."
Allem Anscheine nach war die Eidbereitschaftserklärung, daß der Beleidiger die Scheltrede nicht gethan haben wollte, so gut wie ein Widerruf und eine Ehrenerklärung, falls sie doch in der That ihm in der Aufregung entschlüpft sein sollte. Bestand er aber darauf, seine Schelte aufrecht zu erhalten, so wurde das in üblicher Weise mit Geld gebüßt. Enthielt die Schelte einen Vorwurf auf Uebelthat, so war sie in eine Klage einzufleiden und vor den zuständigen Richter zu bringen, der festzustellen hatte, ob die ehrenrü rige, den Gegenstand des Scheltevorwurfs biltende Uebeithat wirklich vor dem Gescholtenen gethan worden war.
Dieser Kriegsordnung Friedrich Barbarossas ist dentlich zu entnehmen, daß sie den Duellwahnsinn garnicht vorgefunden haben kann, und daß sie ferner in einem Geiste gehalten ist, der einen solchen Brauch, wenn er vorhanden gewesen wäre, auch nicht im Geringsten Vorschub geleistet haben würde, sondern ihm wahrscheinlich zu Leibe gegangen sein würde.
Künstlicher Kriegsruhm. Die beiden römischen Kaiser Caligula und Domitian machten sich beide gleich lächerlich durch Triumphfeiern solcher Siege wegen, die in Wahrheit nie erfochten worden waren. Tem Caligula fiel es plöglich ein, daß doch eigentlich auch der Lorbeerkranz des Sieges ihm gut stehen müßte. Deshalb zog er 39 1. Chr. mit gewaltiger Heeresmacht an den Rhein , kehrte aber sehr bald wieder um, nahm jedoch etliche Gallier( feltische Eingeborene des heutigen Frankreich ) mit, die in seinem seierlichen Triumphaufzuge kriegsgefangene Germanen vorstellen mußten. Ebenso kaufte Domitian in Gallien Sklaven auf, die er nach germanischer Art frisiren und kostümiren und sie im prahlenden Triumphzuge des Jahres 83 n. Chr. die Rolle von kriegsgefangenen Germanen spielen ließ. Ganz Rom , daß diese kaiserlichen Schwindelstückchen sehr wohl kanute, hielt sich den Bauch vor Lachen.
Altrömische Gerechtigkeitspflege. Als Cajus Marius während des Cimbernkrieges einmal vom Lager abwesend war, ließ sein Schwestersohn, Cajus Lusins, der Offizier war und der Männerliebe huldigte, einen Rekruten von seiner Kohorte( Kompagnie), dem er schon wiederholt vergeblich unfittliche Anträge gemacht hatte, Nachts zu sich rufen. Der Jüngling fam, wie Plutarch berichtet, da er gegen den Be ehl nichts einwenten durste, und wurde zu ihm ins Zelt geführt. Da aber Lusius Gewalt brauchen wollte, zog er den Tegen und stach ihn auf der Stelle nieder. Als Marius ins Lager zurüfgefehrt war, traten Viele als Kläger gegen den Rekruten Trebonins auf, aber Niemand wollte sich seiner annehmen als Vertheidiger. Trebonius selbst aber benahm sich mit großer Unerschrockenheit; er erzählte den Verlauf der Sache und stellte Zeugen auf dafür, daß er schon viele Versuche des Lusius abgewiesen und sich für feinen noch so hohen Preis zu schändlichen Dingen verstanden habe. Marins, voll Bewunderung und Freude, ließ sich den Kranz bringen, womit die Römer rühmliche Handlungen zu ehren pflegten, und jegte ihn mit eigener Hand dem Trebonius auf, weil er zu einer Zeit, die an guten Beispielen so arm wäre, die schönste That verrichtet hätte. Die Nachricht von diesem Vorfall kam bald nach Rom und verhalf dem Marius ganz besonders zu seiner dritten Wahl zum Konsul.
Durch die Blume. Die Vereinigten Staaten Nord amerikas hatten sich öfter bei der englischen Regierung beschwert, weil dieses auf dem Wege der Tep.rtation seine Verbrecher dorthin sandte und von dieser Maßregel nicht absehen wollte. Als wieder eine große Sendung Strä, linge in Amerika gelandet war, schickte Frankin dem englischen Minister in einer Siste einen Stuänl Klapperschlangen für den königlichen Garten.
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Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Edgar Steiger , Leipzig , Elisenstr. 90, richten.
Beraniulid, er 9.ctalteur: Gustav Macasy in Leipzig . Verlag: Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg .
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