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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Krenzen nun Planeten, z. B. unsere Erde, eine solche Kometenbahn, so werden zahllose Meteore er­scheinen und auf die Erde niederfallen und zwar, da eine solche Kreuzung der Kometenbahn zu gewissen Zeiten sich wiederholt, an ganz bestimmten Tagen bezw. in gewissen Jahren.

Auf diese Weise erklärt sich die Regelmäßigkeit des Wiedererscheinens großer Mengen von Meteoren, der sogenannten Sternschnuppenschwärme.

Die Perioden, welche sich vorzugsweise durch massenhaftes Auftreten von Meteoren auszeichnen, sind nun folgende: 1. bis 3. Januar, 19. bis 23. April, 26. bis 29. Juli, 9. bis 13. August ( Thränen des heiligen Laurentius nach der Legende), 19. bis 25. Oftober, 13. bis 14. November, 27. bis 29. November und 6. bis 13. Dezember.

Da nun einige dieser Sternschnuppenschwärme ganz prächtige und überraschende Erscheinungen boten, war zu vermuthen, daß auch die Geschichte darüber berichten würde.

Angestellte Nachforschungen ergaben nun ganz überraschende Resultate.

Der Aprilschwarm, heute nicht mehr bedeutend, war in früheren Zeiten eine glanzvolle Erscheinung, und kann man sein Erscheinen in alten Geschichts­quellen zurückverfolgen bis zum Jahre 687 v. Chr.; über den Laurentiusstrom finden sich Berichte bis zum Jahre 830 n. Chr.

Seit etwa hundert Jahren entfaltet nun der Schwarm vom 13./14. November von allen Schwär­men die größte Pracht und zeigt er ziemlich deutlich alle 33 Jahre ein Marimum.

Hervorragend schön zeigte er sich am 12. No­vember 1766 und 1799, 12./13. November 1823 und 1832, dann am 14. November 1866.

Die zahllosen fallenden Sternschnuppen gewährten oft den Anblick eines brillanten Feuerwerks, denn mehrfach fielen die Feuerkugeln und Meteore stunden­lang, scheinbar so dicht wie Schneeflocken.

Am 15. November 1899 gegen Morgen ist der­selbe wieder zu erwarten, und es bietet sich dann die Gelegenheit, das Phänomen gründlich zu studiren.

Es ist nun gelungen, für einige dieser Meteor­schwärme die diese erzeugenden Kometen festzustellen.

Der Aprilschwarm ist zurückzuführen auf den ersten Kometen von 1861( 415 Jahre Umlaufszeit), der Laurentiusstrom( August) auf den dritten Ko­meten des Jahres 1862( Umlaufszeit 121 Jahre), der Strom vom 13. bis 15. November auf den ersten Kometen von 1866( Umlaufszeit 33 Jahre) und der Strom vom 27. bis 29. November auf den Bielaschen Kometen , welcher, wie schon erwähnt, im Jahre 1852 sich völlig auflöste und jetzt nur noch aus einer etwa 150 Millionen Kilometer über die Jupiterbahn hinausreichenden, aus zahllosen Meteoren gebildeten Ellipse besteht.

Aber was sind denn nun die Kometen und Meteore ihrer eigentlichen Natur nach?

Die Kometen sind, wie bereits erwähnt, Schwärme, Anhäufungen zahlloser Meteore.

Die Meteore, Feuerkugeln und Sternschnuppen aber sind größere oder kleinere Brocken, deren Ma­terial Stein oder auch Metall, meistens nickelhaltiges Eisen ist. Dieselben sind identisch mit den Aero­lithen oder Meteorsteinen, welche schon unzählige Male aus dem Weltenraume auf die Erde heraf fielen.

Außer den Anhäufungen der Meteore, den Ko­meten, wird der ganze freie Weltenraum durchfurcht von unzählbaren isolirten Meteoren der verschieden= sten Größe, vom kleinsten Stäubchen bis zur Wasse von 10 000 Fuß Durchmesser; mehrfach sind schon Feuerkugeln von derartigen Dimensionen gemessen worden.

Ganz selbstverständlich ist, daß noch weit größere solcher unheimlichen Gesellen das All durchirren, auch schon auf die Erde herabgefallen sein mögen, aber weil sie in unbewohnten Gegenden oder über dem Meere niedergingen, nicht gesehen wurden, oder auch schon zu einer Zeit fielen, aus der keine Ueberliefer­ungen zu uns gekommen.

Mir ist ein Fall bekannt, daß mitten in der Südsee in den Tropen die Schiffswache und der wachhabende Offizier eines Segelschiffes des

Nachts gegen Morgen eine gewaltige schwarze Masse meilenhoch über den Häuptern dahinziehen sahen, welche lautlos in der Ferne rerschwand.

Die noch lebenden Augenzeugen verglichen die scheinbare Größe des Meteors mit der des Felsens von Helgoland , letterer aus zwei Seemeilen Eut­fernung gesehen.

Da die Masse nicht glühte, sondern nur von einer Wolfe begleitet war, ist anzunehmen, daß sie sich noch außerhalb des Bereichs der Erdatmosphäre befand, welche, wie die in 80 Kilometer Höhe mehr­fach beobachteten leuchtenden Wolken und Meteore in 135 Kilometer Höhe beweisen, sich etwa bis 150 Kilometer Höhe erstrecken dürfte.

Nimmt man diese Höhe als die des gesehenen Meteors an, so würde dasselbe einen Durchmesser von ungefähr 5 deutschen Meilen( also etwa 40 Kilo­meter) besessen haben, also ganz erheblich größer als der kleinste der Planetoiden, die Russia( 20 Kilo­meter Durchmesser), gewesen sein. Natürlich sind Natürlich sind dieses nur äußerst rohe Schäßungen, denn möglichen­falls befand sich das Meteor noch höher als 150 Kilo­meter. Natürlich ist dieses Meteor nicht auf die Erde gefallen, sondern an derselben vorübergegangen.

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Aehnliche Dimensionen wie das erwähnte muß auch wohl dasjenige besessen haben, über welches die Annalen der Abtei Fulda berichten. Die Trümmer dieses Meteors tödteten im Jahre 823 in Sachsen viele Menschen und sehr viel Vich und setzten 35 Dörfer in Brand.

Vielfach wird von ähnlichen Meteorfällen be­richtet, welche zum Theil gewaltige Massen zur Erde sandten, von denen hier nur einige erwähnt werden mögen.

Im Jahre 1511 am 4. September ward bei einem gewaltigen Steinregen ein Frater zu Crema von einem Meteorstein erschlagen, ebenso kamen im Jahre 1650 ein Mönch in Mailand und im Jahre 1674 zwei schwedische Matrosen auf einem Schiffe auf gleiche Weise ums Leben.

Da die Aerolithen durchweg bei dem Eindringen in unsere Erdatmosphäre zerspringen, so sind die herabfallenden Brocken meistens nur klein oder von mittlerer Größe, aber dennoch sind einige bedeutendere Massen bekannt. Der im 10. Jahrhundert in den Fluß bei Narni bei Spoleto gefallene ungeheure Aerolith ragte, wie ein von Pertz aufgefundenes Dokument bezeugt, eine volle Elle aus dem Wasser hervor.*

Jezt ist er verschwunden, wahrscheinlich von dem Strom unterwühlt in den Schlammi gesunken.

Nach einer mongolischen Volkssage soll nahe bei den Cuellen des Gelben Flusses in westlichen China in einer Ebene cin 40 Fuß hohes schwarzes Fels­stück vom Himmel gefallen sein.**

Am 7. November 1492 fiel bei Ensisheim im Elsaß eine große Eisenmasse vom Himmel, welche 276 Pfund wog und dem Wiener Museum über­geben ward.

Pallas fand im Jahre 1794 in Sibirien eine Meteoreisenmasse, welche 1270 Pfund wog.

Zahllos sind die in neuerer Zeit beobachteten Aerolithenfälle, namentlich die kleineren Brocken, von denen wir nur den großen Steinregen bei l'Aigle im Departement de l'Orne ( 26. April 1803) er­wähnen wollen, bei dem zahllose heiße, aber nicht mehr glühende Steine, darunter einer von 171/2 Pfund über eine Fläche von 14 Meilen Länge und 14 Meile Breite ausgestreut wurden.

Aus neuester Zeit ist noch das Meteor in frischer Erinnerung, welches vor etwa zwei Jahren unter be= täubendem Donner und erdbebenartiger Erschütterung des Erdbodens über Madrid zersprang und Häuser zum Einsturz brachte, wobei eine große Anzahl von Personen verlegt und auch getödtet wurde, sowie die 792 Kilogramm schwere Stein- und Metallniasse, welche weißglühend am 14. April 1896 bei Caen nieder­ging und sich jetzt im Museum zu Caen befindet.

Die Geschwindigkeit, mit welcher diese Massen den Weltraum durcheilen, ist eine enorme, es wurden schon Geschwindigkeiten von 235 000 Fuß in der Sekunde gemessen.

* Humboldts Kosmos", Bd. I, pag. 124. ** Humboldts Kosmos", Bd. 1, pag 397.

Unsere Erde bewegt sich in ihrer Bahn aber nur mit einer Geschwindigkeit von etwa 94 000 Fuß, die Meteore ülertreffen sie also in dieser Hinsicht ganz bedeutend.

Zu dieser rasenden Geschwindigkeit liegt nun aber der Hauptschuß der Erdoberfläche gegen diese Ein­dringlinge.

Die etwa 150 Kilometer tiefe Lufthülle der Erde bildet nämlich gegen diese Geschosse des Weltalls einen schü.enden Panzer.

Das eindringende Meteor preßt die Luft so ge­waltig vor sich zusammen, daß letztere schließlich undurchdringlich für dasselbe wird.

Die Bewegung wird also gewaltsam gehemmit, die dadurch sowie durch die Reibung erzeugte Wärme bringt dann regelmäßig das Meteor zum Glühen und zum Zerplagen, die kleineren Sternschnuppen zerstäuben meistens völlig und fallen als Meteorstaub langsam zu Boden, die Reste der größeren aber er= scheinen als Aerolithen oder Meteorsteine, langen an der Erdoberfläche aber nicht mit ihrer ursprüng­lichen Geschwindigkeit, sondern mit der Fallgeschwin­digkeit, entsprechend dem Orte des Zerspringens an. Da nun zu normalen Zeiten, also außer der Zeit der großen Meteorströme nach roher Schäßung 7-10 Millionen Meteore täglich in den Luftfreis der Erde eindringen, so tritt die Bedeutung des Luftpanzers, welcher die meisten dieser Eindringlinge abweist, in helles Licht.

Aber dieser Luftpanzer würde uns nicht schützen, wenn die Bewegung der Meteore eine erheblich lang= samere wäre, denn bei langsamer Bewegung würde das Erglühen und Zerspringen dieser Sendboten des Weltenraumes nicht eintreten, sondern sie würden sämmtlich ungestört auf der Erdoberfläche anlangen.

Während jetzt Unglücksfälle, hervorgerufen durch Meteore, zu den größten Seltenheiten gehören, würden dann die fortwährend locker auf die Erde niedersausenden Steingeschosse täglich die größten Verheerungen anrichten und das Leben eines Jeden ständig bedrohen.

Je größer und schwerer das Meteor, desto ge= ringer ist natürlich der Schutz des Luftpanzers, der bei meilengroßen Boliden, welche zum Glück äußerst selten sind, ganz versagen würde.

Aber woher stammt diese rasende Geschwindig­feit der Meteore, gegen welche die Bewegung der Weltkörper im Weltenraume sogar zurücktritt?

Offenbar haben wir es hier ursprünglich nicht mit einer Rotationsbewegung zu thun, sondern mit fallenden Körpern, die als Trümmer zerstörter oder zerfallender Welten aus endlosen Fernen, der Gravis tation gehorchend, nach der Sonne fallen, und erklärt sich hierdurch ihr rasender Flug.

Da aber die anziehende Sonne kein ruhender Körper ist, sondern dieselbe ihren Plaz im Welten­raume schnell verändert, so ändert sich auch fort­dauernd die Anziehungsrichtung.

Das Resultat wird schließlich sein, daß die falleyden Körper meistens nicht direct in die Sonne stürzen, sondern das Ziel etwas verfehlen und dann durch die Sonne die Fallbewegung sich in eine Ellipse verwandelt.

Die ursprünglich fallenden Massen erscheinen dann als kreisende Kometen.

Kaum kann es noch einem Zweifel unterliegen, daß wir in den Meteoren und deren Anhäufungen, den Kometen, thatsächlich Bruchstücke und Trümmer von Weltförpern vor uns haben, welche vor Aeonen, gleich unserer heutigen Erde als gewaltige Bälle den Weltraum durchfurchten und dann nach Voll­endung ihres Entwickelungsganges zerfielen.

Eine Untersuchung dieser Trümmer ist daher von höchstem wissenschaftlichen Interesse.

Die meisten Meteore bestehen aus Eisen mit einem geringen Nickelgehalt, was darin seine Er klärung findet, daß nahezu sämmtliche Welt! örper, wie ihr Gewicht beweist, im Wesentlichen aus schweren Metallen, die Kerne der Welten vorwiegend aus Eisen bestehen.

Diese Eisenmeteore sind nun die weniger inter­effanten und ihr wissenschaftlicher Werth steht weit hinter denjenigen der sogenannten Chondrite zurück, welche im Wesentlichen aus Gesteinen bestehen, also