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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

spöttisch nennt, und mit ihren griechischen Brocken nach dieser Nichtung schon ihr Bestes oder Schlimmstesgethan, so schneiten von den Salons der Vornehmen, den Höfen der Fürsten   und aus den Feldlagern der allgebietenden Soldateska italienische, französische, spanische, slavische und der Himmel weiß was für fremdsprachige Abschnißel allerlei Art in die deutsche   Sprachschüssel und bildeten da ein wunder­sames Leipziger Allerlei", oder soll man lieber sagen Kuddelmuddel?

Logan gehört zu den Männern, die gegen solche babylonische Sprachverwirrung Einspruch erhoben und die Tüchtigkeit und Leistungsfähigkeit der deutschen Zunge, der teutschen Haupt- und Heldensprache", wie ein Anderer gesagt hat, immer wieder hervor zuheben nicht müde wurden.

Freilich schütteten auch etliche unter diesen Eife­rern für deutsche Sprache und deutsches Wesen das Kind mit dem Bade aus und gaben sich oft gar lustige Blößen, wie ich das vor vielen Jahren ein­mal in der Neuen Welt" ausführlich geschildert habe. Von der Jagd mit Kanonenkugeln auf die Fremd­wörterspaken. will ich hier aber nicht reden, sondern die Wahrheit und Berechtigung des oben angeführten Spruches von Logau durch einige Beispiele bestätigen.

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Wenns zu einem Krach, zu einem Donnerwetter zwischen streitenden Leuten kommt, da regnet es Verwünschungen und Schmähreden, es wird ver­flucht, gescholten und geschimpft.( Merkwürdig ist, daß Schimpf eigentlich früher Scherz, Spaß be= deutete, wie des prächtigen Erzählers Pauli Anek­dotenbuch betitelt ist Schimpf und Ernst", wobei Schimpf den Gegensatz zu Ernst bedeuten soll.)

Wenns ans Schimpfen geht, so muß vor Allem das Thierreich herhalten. Der Schamlose wird Hund, Hundesohn titulirt, im Morgenlande wie bei uns, dort wohl vorzüglich als Aasfresser, der Unsaubere als Schwein, die Schwägerin als Gaus, die Falschen und Heimtückischen werden Kazen genannt, die vorne schmeicheln und hinten krazen. Der träge Esel, das mißgestaltete Kameel, das dem Leithammel blöd nachbrängende Schaf, alle drei auch Symbole der unendlichen Geduld, sollen die Abwesenheit von Ver­stand, eigenem Urtheil, Selbstständigkeit anzeigen. Affe nennt man den unselbstständigen Nachbeter und Nachtreter berühmter und unberühmter Muster; Pa­pagei den urtheilslosen Nachschwäger, der Gimpel, der garnicht so leicht zu fangen sein soll, gilt gleich­wohl für einen dummen Vogel und als Schimpf­wort für einen dummen Menschen, der auf jedes Blendwerk, auf jeden faulen Zauber hineinfällt". Das dickhäutige Rhinozeros muß seinen Namen her­geben, um einen fühllosen, stumpfen Menschen zu bezeichnen. Börne vergleicht die Schafsgeduld und Empfindungslosigkeit des deutschen Volkes mit der Widerstandsfähigkeit des Panzers, den das Krokodil von Mutter Natur erhalten hat. Heine spottet über dasselbe deutsche   Volk unter dem Bilde des tugend­haften Pudels Brutus, der schließlich bei aller Tugend doch nicht ganz tugendhaft sei, weil er durch Ver­suchungen anderer Köter so schwach wird, daß er von dem zu apportirenden Fleisch frißt!

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Eine ganze Menge von Schimpfwörtern geben 31 ernsten, sozialpolitisch- moralischen Betrachtungen Anlaß, indem sie ursprünglich den Armen, schlecht­bekleideten, mittellosen Menschen bezeichnen. Lump, Lappen sind deutlich genug; Hallunke wird erklärt als ein wild aussehender, namentlich im Anzug und nach Leibespflege vernachlässigter, nackter, bloßer Mensch.

Schuft, ursprünglich eine Befehlsformbildung von schuven und at, also schieb, wirf hinaus, bedeutet so viel wie Wegwurf, Kehricht, Aas, Un­reinigkeit, der man recht gern entrathen kann, womit wieder die Schimpfwörter Unrath, Unflath, Aas, Luder usw. zusammenhängen.

Die Fastnachtsspiele des 15. und 16. Jahr­hunderts, namentlich die derberen, ja manchmal sogar unfläthigen, würden uns gestatten, ein gar umfang­reiches Gegenstück zu Knigges Umgang mit Menschen oder Albertis Komplimentirbuch zusammen zu stellen.

Neben den Schimpfwörtern aber fehlt es nicht an Verwünschungen und Verfluchungen, die wie ein Donnerwetter oder wie ein Hagelschauer herabprasseln

auf den Gescholtenen. So die dichterisch übertrei­benden Drohungen: Ich schlage dir alle Knochen im Leibe entzwei, daß du sie im Schnupftüchel heint tragen kannst! Ich rathe dir, alle deine Stnöchelchen zu numeriren, damit du sie hernach wieder zusammen findest!

Geh zum Heufer, hol dich der Teufel, und zur Steigerung, hol er dich vierspännig( da gehts schneller!) oder recht grausam: hol er dich lothweis! Reich­haltig ist schon die Auswahl solcher unliebenswürdiger Anwünschungen im Mittelalter gewesen, da werden einem das Fieber, die Krämpfe, der Veitstanz( die fallende Sucht, Epilepsie auf Deutsch  ) und andere Plagen angewünscht. Wir wollen einmal einen Verwünschungsphonographen aus jener Zeit( 14. bis 15. Jahrhundert) aufdrehen und sein Sprüchlein herbeten lassen. Also, lieber Leser, sattle dich und ſteh fest!

Daß dich alles Unglück befalle! Daß dich das Herzleid bestehe! Daß dich die Pestilenz ankomme! Daß dich die Franzosen  ( die Lustseuche) ankommen! Der Gachritten( das jähe Fieber) gehe dich an! Daß dich die Parle rühre( die Paralysis, der Schlag­anfall)! Daß dich der Tropf schlage( dasselbe)! Daß dich das höllisch Feuer brenne! Der Teufel führe dich über Osterode   weg! Daß du müsfest toll, rasend und unsinnig werden! Daß dich Gotts Marter, Straf, Wunden, Sakramente schänden! Ich will dich elementen, man soll dich sakramenten ( d. h. so behandeln, daß die Sakramente, und zwar die Sterbesakramente bereit gehalten werden müssen)! Daß dich der Donner erschlage! Die Sucht( Seuche) gehe dich an!

Hats genug gedonnert und gekracht? Das war nur ein kleiner Theil der herrlichen Blumenlese, welche Agricola( 1492-1566) in seiner Sprüch­wörtersammlung uns aufbewahrt hat; es wird aber, denke ich, vollkommen genügen, um die Leistungs­fähigkeit unserer trauten Muttersprache auf dem hier in Frage stehenden Gebiet vollständig auszuweisen.

Auf das wilde Fluchen, Schwören und Ver­wünschen der Landsknechte brauche ich wohl nur hinzuweisen, man kennt ja, wie fruchtbar selbst noch unsere modernen Kasernenhöfe und Ererzierpläße an phantasiereichen Schimpfreden und Verwünschungen sind. In den Stenogrammen der Reichs- und Land­tagsverhandlungen, in denen Bismarck   gesprochen hat, kann man auch noch eine ganz hübsche Botanisir büchse von Kraftausdrücken, namentlich gegen Oppo­sitionsleute von ihm gebraucht, zusammenlesen, wenn man Lust und Zeit dazu hat. Aber auch seine Treuen und Lieben behandelte er in Redebildern und Vergleichen oft recht drastisch; so, wenn er ein­mal sagte: Ein christlicher Hengst und eine jüdische Stute fönnten eine ganz hübsche Zucht geben, und er wisse noch nicht, was er diesbezüglich seinen Söhnen rathen solle.

Man hat ihm ja das als eine besondere national­deutsche Begabung nachgerühmt; freilich, wenn ein Anderer so was sagte nach dem Gewaltigen hin­über, sei es mündlich in Volksversammlungen, sei es in der Presse oder sonstwie, so hielt der teutsche Held seine lithographirten Strafanträge bereit! Gr nahm sich die Freiheit, derb deutsch   zu reden, Andere aber sollten straffällig sein, wenn sie wieder aus dem Wald herausriefen, wie es hineingeschrien war! Doch gehen wir zu anderen, zu literargeschicht­lichen Berühmtheiten über.

Wie prächtig hat der eislebener Bergmannssohn und Bauernenkel Luther in seinen Predigten, Streit­schriften, Briefen und Tischgesprächen die deutsche Sprache frachen, poltern, donnern, schnauben und schnarchen lassen! Der gewaltige Sprachvirtuos Johann Fischart   eben desgleichen!

Wir müßten die ganze Literatur durchschweifen und fänden kein Ende, wenn wir alle die Donner­und Blitzschleuderer mit Proben antreten lassen wollten.

Nur noch ein paar Hinweise auf neuere Gewitter­brauer mit dem Hülfsmittel unserer Muttersprache.

Wie donnert, poltert und kracht unser geliebtes Deutsch   in Schillers Jugenddramen: Räuber, Fiesko, Kabale und Liebe. Roller in den Räubern berichtet von einem in die Luft gesprengten Pulverthurm mit den Worten: Es war ein Krach, als ob dem Himmel­

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faß   ein Reif gesprungen wäre. Ein anderer Räuber­gefährte Karl Moors, Schweizer  , sagt von dem jungen Kosinsky, der sehe gerade so drein, als wolle er den Marschall von Sachsen   mit einem Rührlöffel über den Ganges   jagen. Der Mohr im Fiesko sagt zu seinem Herrn: Entwischt mir ein Lockenhaar, so sollt ihr meine zwei Augen in eine Windbüchse laden und Sperlinge damit schießen! Fiesko zum Mohren: Ich will dich nicht an die Hörner des Mondes hängen, aber doch hoch genug, daß du den Galgen für einen Zahnstocher ansehen sollst!

Die urfräftigen englischen Bilder und Wortspiele Shakespeares vermochten Schlegel und Tieck   sehr treffend mit deutschen gleichbedeutenden und gleich kräftigen Wendungen wiederzugeben.

Und welche Kraftblüthen hat Christian Dietrich Grabbe   im Garten seiner übergenialen Dramen und in anderen Schriften groß gezogen!

Einem Gegner wünscht er einmal, er müßte an einem thurmhohen Nasirmesser in die Höhe klettern; von gewissen Reimschmieden erklärt er, daß sie so dumm seien, daß die Esel im Preis aufschlügen, wenn ein Blatt von ihnen ins Publifum fomme. Die Stimmen alter Weibspersonen nennt er so schrill und scharf, daß man ein Stück Brot damit ab­schneiden könne. Der Herzog von Gothland, der Held eines Grabbeschen Dramas, sagt von sich: Ich bin ein Haufe von zusammengesperrten Tigern, die einander auffressen.

Von noch Jüngeren haben eine ganze Menge Satiriker und Humoristen prächtige Bilder kraft­strozender Klang- und Singfülle geschaffen. Man lese nur Börne, vor Allem aber Heine einmal von diesem Gesichtspunkte aus genauer: man wird staunen über diese schneidenden, bligartigen Trompetenstöße, frachenden Baufenschläge und durch Mark und Bein gehenden Posaunenstöße, welche sie der gewaltigen Orgel der deutschen Sprache zu entlocken verstanden haben.

Und ob die deutsche Sprache spielen, scherzen, liebeln, güteln,* fürmeln, lachen kann?

Wenn man die Liebeslieder der Minnesänger durchläuft, kann man sich ein umfangreiches Wörter­buch von Kosenamen in gar kurzer Zeit zusammen­tragen. Ich will aus dem meinen nur ein paar Proben geben. Die Geliebte wird da genannt: mein lieber Buhle, mein Herz, mein Aufenthalt, du meiner Freuden Ostertag, meiner Freuden Spiegel­glas, meiner Augen Weide, mein Hort, mein Gold, mein Edelstein, trautes Traut, liebes Lieb.

Der prächtige, erzgebirgische Paul Flemming  nennt seine Geliebte: mein einziges Ein, du mein Ich, Sonne meiner Freuden;

Anemone  , meine Wonne, Meines Herzens stete Zier,

Meine Klarheit, meine Sonne.

Und will man noch neuere Proben, so schlage man Goethes Briefe und Billete an die Frau von Stein auf, aus denen ich nur eine kleine Anzahl Rosenamen ausziehe: Süße Unterhaltung meines innersten Herzens, liebe, unverfiegende Quelle meines Glückes, du Einzige unter den Weibern, liebe Be­gleiterin aller meiner Gedanken, lieber Inbegriff meines Schicksals, aller meiner Freuden und Schmerzen, liebe Seelenführerin, süßer Traum meines Lebens, Schlaftrunk meiner Leiden, mein Glück, mein Gold, mein Morgenroth, meine liebe Beichtigerin, meine liebe Sänftigerin.

Noch drängt es mich aber, ein altes Beispiel wunderbar feiner Beobachtung von Gefühlen und Empfindungen hier anzuführen.

Die Wonne höchster Liebesfreude schildert der Tannhäuser, der ja so viel geliebt und, der Sage nach, selbst in den Venusberg   gefahren und kost­barstes Minneglück genossen haben soll, er darf sich kühnlich als Schilderer der Liebe neben Gottfried von Straßburg  , der das Ewigkeitslied von der un­seligen Liebe Tristans und Isoldens sang, neben

* Güteln heißt es gut meinen, gütig, gütlich zu reden; fürmeln wird erklärt als lallendes Reden, es ist von Dich­tern gebraucht vom Gurren der Tauben, vom friedlichen Knurren des verliebten Löwen; namentlich bei schlesischen Dichtern findet es sich.