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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Bahn gehört ihm; er besist einen großen Theil der Nord Pacific- Aktien. Er beschäftigt an zehntausend Menschen und soll genau wissen, wie viel Lohn jeder seiner Arbeiter befommit! Er kommt jedes Jahr zur Jagdsaison nach Jekyl Island, um sich zu er= holen. J. Pierrepont Morgan von Newyork , ein nicht minder bekannter Geldfürst, licbt es, einsam auf der Insel umherzustreifen, zu Roß oder zu Wagen.
Die Mitgliederliste des Millionärklubs weist verschiedene Berufe auf. Auch der Journalismus ist würdig repräsentirt; nämlich durch Joseph Pulizer von der New York World." Einige Wochen vor seiner Ankunft schickt er seine sechs Pferde voraus, damit sie sich aktlimatisiren. Dann kommt er selbst mit Privatsekretär und Dienerschaft. So isolirt die Jusel ist, steht Pulizer mit seiner Zeitung in fast so enger Verbindung, als fäße er oben in seinem Sanftum an City Hall Square. Jekyl ist nämlich mit dem Festland durch Telegraphendraht und Telephon verbunden. Pulizers Ausgaben während seines sechswöchentlichen Aufenthalts daselbst können für die Durchschnittskosten als maßgebend betrachtet werden. Seit zwei Jahren miethet er eine Villa auf sechs Wochen und zahlt für diesen Zeitraum 1500 Dollars! Das macht ungefähr dreißig Dollars den Tag Miethe. Darnach bemessen ist es gewiß nicht zu hoch gegriffen, wenn man die Ausgaben für Beköstigung usw. auf fünfundzwanzig Dollars den Tag anschlägt. Die jährlichen Besucher der Millioneninsel verstehen jedenfals die Kunst, Geld auszugeben.
Daß die amerikanische Geldaristokratie es darin zu einer schreckenerregenden Virtuosität gebracht hat, das fängt das amerikanische Volk an, selbst einzusehen. Die Predigten, die von der Kanzel, die Warnungen, die in der Presse ertönen, sind eindringlich genug, aber sie verhallen ungehört. Es ist garnichts Neues mehr, von Amerikanern die Bemerkung zu hören, daß viele Erscheinungen des amerikanischen Lebens so unamerikanisch, d. h. un demokratisch sind, wie nur möglich. Der Palast, den der Zuckermagnat Claus Spreckels bauen ließ, der Bradley- Martin Ball in Newyork und der Millionärklub auf Jekyl Jsland sind Erscheinungen, die tief blicken lassen und zu denken geben.
Der Tod des Doktor Helsing.
Von G. Macasy.
offor Felsing lag auf dem Strankenbette. Er wußte, daß er nur mehr kurze Zeit zu leben habe. Er war seit Jahren auf diese seine legte Krankheit gefaßt gewesen.
Nun lag er stille und einsam in dem halbdunklen Gemach und lauschte auf das langsame Ticken der Uhr. Es war allmälig ruhig in ihm geworden: die Angst vor dem Tode, die ihn so oft gepackt hatte, war von ihm gewichen. Nur nachdenklich hatte es ihn gemacht und still. Er sah sein Leben hinter sich und schaute hinüber nach der ewigen Ruhe.
Jezt dachte er au seine Frau und seine Kinder. Ob sie sich wohl bald trösten werden? Anna wohl. Sie war feit jeher eine falte, leidenschaftslose, be= rechnende Natur gewesen und hatte ihn nie geliebt. Sein Glück und sein Unglück waren an ihr vorüber gezogen wie fremde Bilder. Und er blickte zurück in die Zeit seines Brautstandes: fühl, frostig war Alles vor sich gegangen ein Geschäft. Sie hatte ihn nicht geliebt, aber sie hatte ihn geheirathet, um versorgt zu sein. Warum nicht? Er war doch zufrieden gewesen und hatte nie Ursache gehabt, sich itter sie zu beflagen. Das war es ja auch, was er wollte.
Aber manchmal hatte er sich doch darnach gesehnt, ein Weib an seiner Seite zu haben, das ihn geliebt hätte, manchmal. Sein Beruf hatte ihm oft geholfen, die Sehnsucht zu überwinden.
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Dann war Martha in sein Haus gekommen.
Nein, daran wollte er jetzt nicht denken.
Er sah, in verschwimmenden Fernen, ein Mädchen mit brannem Haar und sanften, stillen Augen.
Nein, das nicht!
Ein falter Schauer fuhr durch seine Glieder. Er zog die Decke hoch hinauf: lächelnd über sich und seine Furcht.
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Gespenster, Gespenster!" dachte er und zwang die Gedanken nieder.
Jezt trat Anna ein. Nur an dem leisen Knarren der Dielen merkte er es, daß sie da war. Lautlos ging sie durch das Zimmer und trat an sein Bett. Er schloß die Augen. Sie beugte sich über ihn, lauschte eine Weile und setzte sich dann aus Fenster.
"
Wie eine Kaze geht sie!" dachte der Kranke. " Ihr ganzes Leben lang hat sie kein lautes Wort gesprochen, keinen lauten Schritt gethan. Wie eine Kaze."
Und immer dunkler und stiller wurde es im Gemach. Der Doktor hatte vergessen, daß Anna am Fenster saß. Und wieder sah er das Mädchen mit braunem Haar und ernsten, traurigen Augen.
Warum sie so früh gestorben? fragte er sich. Seinetwegen? Das mochte er nicht glauben. Aber der Gedanke ließ ihn nicht in Ruhe. Er setzte sich fest und flammerte sich an seine Seele.
Damals!
Er befann sich auf jedes Wort und jede That. Und doch schien es ihm, als sei eine Lücke in seinen Erinnerungen und eine Lücke in den Ereignissen.
Er erinnerte sich noch des Abends im Winter und wie sie friedlich beisammen gesessen. Martha hatte über Zahnschmerzen geklagt, schon einige Tage. Dann war er plöglich zu einem Kranken abgerufen worden. Und als er nach einer Stunde heimkehrte, fand er Martha todt und sein Weib in Thränen und Verzweiflung. Sie hatte Martha so sehr geliebt.
Stammelud rief sie blos: Vergiftet! Und sie hatte die Todte gefüßt und füßte sie immer wieder. Es währte lange, bis er Alles erfuhr. Sie hätte sich ein Fläschchen geholt, den Zahnschmerz zu betäuben. Einen Schluck hätte sie getrunken und sei vom Stuhl gefallen. Todt.
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Und er dachte über Alles nach, wie es gewesen. Und doch war es ihm, als sei eine Lücke in den Ereignissen.
Plötzlich durchfuhr es ihn:
Warum hatte Anna das Mädchen geliebt? Warum gerade die Eine, sie, die Niemanden im Leben geliebt hatte? Und warum hatte sie um diese getrauert, sie, die um Niemanden im Leben getrauert hatte?
Wieder hörte er das leise Knarren der Dielen. Mit offenen Augen lag er da.
Anna beugte sich über ihn:
"
"
Soll ich Licht machen?" fragte sie leise. Ja."
Nach einer Weile wurde es hell in Gemach. Doktor Felsing sah nach der ihr. Sieben.
"
"
Anna," sagte er halblaut.
Sie näherte sich dem Bette.
Komm, set Dich her zu mir," sprach er. Wir wollen sprechen."
Schweigend ließ sie sich am Rande des Bettes
nieder.
Es war todtenstill. Der Kraute lauschte und sah nochmals nach der Uhr. Dann überfiel ihn ein neuer Schüttelfrost.
"
Und sein Körper
„ Das ist der Tod!" dachte er. zitterte unter Schmerzen. ,, Anna!" sagte er mühsam. In einer Stunde lebe ich nicht mehr. Wir wollen sprechen." Er sah sie an. Ihr Blick ruhte kalt und unbeweglich auf ihm. Nach einer Weile sagte sie langsam:
" Sprich nicht, es schadet Dir!"
"
Doch. Ich muß sprechen. Ich muß wissen, ob Du Martha getödtet hast!"
Sie bewegte sich nicht. Keine Miene verrieth,
ob die Frage sie getroffen habe.
„ Sag! Sag, ob Du' s gethan hast."
Bist Du verrückt?" gab sie ubig zur Antwort.
"
"
Sag, ob Du' s gethan hast!" feuchte er. Nein!"
"
"
Tu fast es gethan."
Nein!"
" 1
"
Du hast sie überredet, daß sie es thun solle."
Sie schwieg. Er richtete sich im Bette auf. Seine Augen weiteten sich wie im Wahnsinn.
"
Also doch!" murmelte er.
Anna war aufgestanden. Mit herrischen Blick sah sie ihn an.
Leise kichernd streckte der Kranke den Arm aus und packte ihre Hand.
„ Warum," flüsterte er, warum hast Du des gethan?"
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"
Sie liebte Dich."
llud?"
Anna suchte sich loszuringen. Aber der Kranke preßte ihre Hand krampfhaft in seiner. Nochmals wiederholte er:
„ Und?"
"
Laß mich!"
"
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Du sollst sprechen! O, sieh, ich bin noch stark. Fühlst Du, wie stark ich bin?"
Er zog sie zu sich. Er drückte ihren Kopf au seine Brust und sagte heiser:
Wenn Du nicht sprichst, erdrossle ich Dich." Da umfing sie ihn mit beiden Armen.
„ Ich liebte Dich," flüsterte sie kaum hörbar. „ Ich allein. Und Du solltest keiner Anderen angehören."
Er ließ sie los und starrte sie an. Das " stammelte er.
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-
das
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Anna hatte sich entfernt und sagte nun kühl wie zuvor:
"
Das ist eine Lüge. Ich habe Dich nie geliebt, und Du solltest nicht glücklich sein. Auch mit ihr nicht."
Und sie lachte fühl und langsam. Dann lauschte sie.
Mit einem dumpfen gurgelnden Laut war der Kranke zurückgesunken.
Das blaise, schlanke Weib beugte sich vorsichtig über den Rand des Bettes.
" Todt!" flüsterte sie und ging zur Thüre.
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Aus dem Papierkorb der Beit.
Der Geiz.( Zu unserem Bilde.) Mit meisterhafter Hand verkörpert der Künstler auf unserem heutigen Bilde das grauenhafteste und widerwärtigste Laster der Menschenseele den Geiz, den unersättlichen, der nie genug bekommen kann, das erbarmungslose, gefräßige Ungeheuer, das stets neue Opfer braucht, Tausende und Tausende ins Unglück stürzt, um seinen Träger zu füttern, und ihn selbst auch, den Geizigen, noch namenlos unglücklicher und elender macht, als alle Die, die er, der Vampyr der Menschheit, ausfangt.
Unter allen Leidenschaften, die der Menschengeist in seiner Stulturentwidelung gezeitigt hat, ist der Geiz eine der seltsamsten. Ein Gemisch von Habsucht, Neid und niedrigster, jeder Größe entbehrenden Mitleidslosigkeit, packt er die Seelen mit unwiderstehlicher Gewalt. Und wie sinnlos ist er in seinen Wirkungen! Nicht um Macht zu besigen, nicht um sich mit Prunk und Glanz zu unigeben, rafft der Geizige seine Schäße zusammen. Nein, er selbst leidet unter der frankhaften Gier. Mit angstvoller, scheuer Vorsicht behütet er das Gold, das ihm feinen Nugen gewährt: es sei denn die ekelhafte, feige Freude, die erbärmliche Lust am Haben, die Lust am falten, todten Metall, in dem er wühlen kann und das fein Anderer als er besitzt. Und wie haßt der Ceizige Jeden, der auch etwas besitzt, wie beneidet er jeden Glücklichen, dem seine Habe das Leben schön macht und der mit seiner Habe auch das Leben der Anderen verschönt. Wie haßt der Geizige jeden Glücklichen, er, der selbst kein Glück kennt und der einsam, von Allen fern, weil er Alle meidet, seine Tage in Gier und Elend zubringt, und dem in stillen Nächten der gräßliche Alp der Schuld und des pochenden Gewissens die Ruhe raubt.
Schnitzel.
n.
Haussuchungen werden Euch nichts entdecken, In den Herzen Eure Feinde stecken.
Die für die Freiheit haben gestritten, Für Recht und Wahrheit haben gelitten, Die haben gewöhnlich im Vaterland Ihr Denkmal an der Ker erwand.
M.
Nachdruck des Juhalts verboten!