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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Pauline nahm die Sache ernst. Daß er sie in solch einem Verdachte gehabt und noch dazu so lange und ohne ihr ein Wort davon zu sagen, das kränkte sie. Das Mädchen wurde auf einmal ganz still. Sie empfand die Ungerechtigkeit und Erniedrigung, die in seiner Auffassung lag, wie Frauen solche Dinge empfinden, jäh und leidenschaftlich. Sie machte sich im Hintergrunde des Zimmers zu schaffen, ohne ihn anzusehen.

Ihm war nicht wohl dabei zu Muthe. Er wußte zu gut, wieviel er sich ihr gegenüber vor­zuwerfen hatte. Er blickte verlegen auf seine Stiefelspißen.

Es entstand eine Pause, während der man nur die leichten Athemzüge des Kindes, das inzwischen mit seiner Flasche fertig geworden war, vernahm.

Plöblich ging Pauline nach dem Bette. Sie nahm den kleinen aus den Kissen. Du hast den Jungen noch gar niche uf'n Arm gehat, Gustav!" sagte sie, unter Thränen lächelnd, und hielt ihm den Kleinen hin.

Er nahm das Kind in Empfang, wie man ein Packet nimmt. Der Junge blickte mit dem starren leeren Blicke der kleinen Kinder auf die blanken Tressen am Halse des Vaters.

,, Getoft is er och schon", sagte Pauline. Ich ha dersch ja damals geschrieben, aber Du hast nischt geschickt dazu. Der Paster war erscht böse und hat tichtig gebissen uf mich, daß mer sowas passirt wor."

Gustav war inzwischen ins Reine mit sich ge­kommen, daß er Kind und Mutter anerkennen wolle.

Der Junge streckte die kleine Hand nach dem Schnurrbart des Vaters, Pauline wehrte dem Händ­chen sanft. Se sprechen Alle, daß er Dir su ähn­lich säke, Gustav! Wie aus'n Gesichte geschnitten, sprechen de Leite."

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Der junge Vater lächelte zum ersten Male sein Ebenbild an. Pauline hatte sich bei ihm eingehängt, ihre Blicke gingen liebend von Gustav zu dem Kleinen. Der Bengel hatte endlich den Schnurrbart des Vaters erwischt und stieß einen schrillen Freudenschrei aus. So gewährten sie das Bild einer glücklichen Familie.

II.

Gustav Büttner fam heute viel zu spät nach Haus zum Mittagbrot. Die Familie hatte bereits vor einer Weile abgegessen. Der alte Bauer saß in Hemdsärmeln in seiner Ecke und schlummerte. Karl hielt die Tabakspfeife, die er eigentlich nur während des Essens ausgehen ließ, schon wieder im Munde. Die Frauen waren mit Abräumen und Reinigen des Geschirrs beschäftigt.

Die Bäuerin sprach ihre Verwunderung darüber aus, daß Gustav so lange ausgeblieben. In der Schenke siten am Sonntag Vormittag, das sei doch sonst nicht seine Art gewesen. Gustav ließ den Vorwurf ruhig auf sich ſizen. Er wußte wohl warum; seine Leute brauchten garnicht zu erfahren, was sich inzwischen begeben hatte.

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Schweigend nahm er auf der Holzbank, am großen viereckigen Familientische Play. Dann heftelte er seinen Waffenrock auf, wie um sich Platz zu machen für das Essen. Die Mutter brachte ihm das Aufgewärmte aus der Röhre.

Die Büttnerbäuerin war eine wohlhäbige Fünf zigerin. Ihr Gesicht mochte einstmals recht hübsch gewesen sein, jest war es entstellt durch Unterkinn und Zahnlücken. Sie sah freundlich und gutmüthig aus. Gustav sah ihr von den Kinder am ähnlichsten. In ihren Bewegungen war sie nicht besonders flint, eher steif und schwerfällig. Der schlimmste Feind der Landleute, das Reißen, suchte sie oftmals heim.

Eine der Töchter wollte ihr behilflich sein, aber sie ließ es sich nicht nehmen, den Sohn selbst zu bedienen. Der Unteroffizier war ihr Lieblingsfind. Sie sezte die Schüssel, die noch verdeckt war, vor Gustav hin und stützte die Hände auf die Hüften. Nu paß aber mal uf, Gust!" rief sie, und sah ihm schmunzelnd zu, wie er den schüßenden Teller abhob. Es war Schweinefleisch mit Speckklößen und Birnen im Grunde des Topfes zu erblicken. ,, Gelt, Dei Leibfrassen, Gust!" sagte sie und lachte den Sohn an. Sie ließ die Blicke nicht von ihm,

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während er zulangte und einhieb. Jeden Bissen schien die liebevolle Mutter für ihn mitzuschmecken. Gesprochen wurde nichts. Man hörte das Klappern des Blechlöffels gegen die irdene Schüssel; denn der Unteroffizier ersparte sich den Teller. In der Ecke schnarchte der alte Bauer, sein Aeltester war auf dem besten Wege, ihm nachzufolgen, trotz der Pfeife. Am Ofen, der eine ganze Ecke des Zimmers einnahm, mit seiner Hölle und der breiten Bank, hantirten die jüngeren Frauen an dem dampfenden Aufwaschfaß mit Tellern, Schüsseln und Tüchern.

Der Büttnerbauer besaß zwei Töchter. Die dritte Frauensperson war Karls, des ältesten Sohnes, Frau.

Die Büttnerschen Töchter zeigten sich sehr ver­schieden in der Erscheinung. Man würde sie kaum für Schwestern angesprochen haben. Toni, die Aeltere, war ein mittelgroßes, starkes Frauenzimmer, mit breitem Rücken. Das runde Gesicht, mit rothen Lippen und Wangen, erschien wohl hauptsächlich Lippen und Wangen, erschien wohl hauptsächlich durch seine Gesundheit und Frische hübsch. Sie stellte mit ihrem drallen Busen und fräftigen Glied­maßen das Urbild einer Bauernschönheit dar.

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Ernestine, die jüngere Schwester, war erst vor Kurzem konfirmirt worden. Sie stand noch kaum im Anfange weiblicher Entwickelung. Sie war schlank gewachsen und ihre Glieder zeigten eine bei der länd­lichen Bevölkerung seltene Feinheit. Dabei war sie lichen Bevölkerung seltene Feinheit. Dabei war sie sehnig und keineswegs kraftlos. Ihren geschmeidigen, flinten Bewegungen nach zu schließen mußte sie äußerst geschickt sein. Die Arbeit flog ihr weit schneller von der Hand, als der älteren Schwester.

Der Schlummer des Vaters wurde respektirt; man vermied das allzulaute Klappern mit dem Ge­schirr. Am wenigsten besorgt um den Schlaf des Alten schien Therese, die Schwiegertochter, zu sein. Sie sprach mit tiefer, rauher, etwas gurgelnder Stimme, wie sie Leuten eigen ist, die Kropfansatz haben. Therese war eine große, hagere Person, mit langer, spizer Nase, ziemlich blaß, aber von fnochig derbem Wuchse, mit starkem Halse.

Sie ging jezt daran, die abgewaschenen Teller in das Tellerbrett zu stellen. Als sie an ihrem Gatten vorbeikam, dem der Kopf bereits tief auf die Brust herabgesunken war, während ihm die Tabaks­pfeife zwischen den Schenkeln lag, stieß sie ihn un­sanft an. Ihr Mannsen braucht o ne en halben Tog zu verschlofa, weil wir Weibsen uns abrackern missen. Das wär ane verkehrte Welt. Wach uf, Karle!"

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Karl fuhr auf, sah sich verdugt um, nahm seine Pfeife auf, die er langsam wieder in Brand ſezte, und blinzelte bald wieder von Neuem mit den Augen­lidern. Seine Ehehälfte ging inzwischen brummend und murrend auf und ab.

Theresens Wuth war garnicht durch die Schlaf­sucht des Gatten erregt, an die sie schon gewöhnt war. Vielmehr ärgerte sie sich darüber, daß Gustav von der Bäuerin mit den besten Bissen bewirthet wurde. Sie war ihrem Schwager überhaupt nicht grün. Der jüngere Sohn werde dem älteren gegen­über von den Alten bevorzugt, fand sie. Sie fühlte wohl auch, daß Gustav ihrem Gatten in vielen Stücken überlegen sei, und das mochte ihre Eifersucht erregen. Ganz erbost flüsterte sie den Schwägerinnen zu soweit bei ihr von einem Flüstern die Rede sein konnte sein konnte de Mutter stadts Gustaven wieder zu, burna und hinta!"

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Endlich war Gustav fertig mit Essen  . Zur Freude seiner Mutter hatte er reine Wirthschaft ge= macht. Sich streckend und gähnend, meinte er, daß es in der Kaserne so was freilich nicht gäbe.

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Inzwischen war der alte Bauer erwacht. War Gustav doe?" fragte er, sich mit leeren Augen um­sehend. Als er gehört hatte, daß Gustav bereits abgegessen habe, stand er auf und erklärte, mit ihm hinausgehen zu wollen auf die Felder.

Der junge Mann war gern bereit dazu. Er wußte sowieso nicht, wie er den langen Sonntag­nachmittag verbringen solle.

Karl ging mit Vater und Bruder aus dem Zimmer, scheinbar, um mit aufs Feld zu gehen. Aber, er verschwand bald. Er hatte nur die Ge­legenheit benutzt, herauszukommen, um auf dem

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Heuboden, ungestört von seiner Frau, weiter schlafen zu können.

Der Bauernhof bestand aus drei Gebäuden, die ein nach der Südseite zu offenes Viereck bildeten. Das Wohnhaus, ein geräumiger Lehmfachwerkbau, mit eingebauter Holzstube, ehemals mit Stroh ge­deckt, war von dem jezigen Besizer mit Ziegeldach versehen worden. Mit dem schwarz gestrichenen Ge­bälk und den weiß abgepuzten Lehmvierecken zwischen den Balken, den unter erhabenen Bogen, wie mensch­liche Augen, versteckten Dachfenstern, blickte es sauber, freundlich, altmodisch und gediegen drein. Winterpackung aus Moos, Laub und Waldstreu war noch nicht entfernt worden. Das Haus war wohl versorgt, die Leute, die hier wohnten, das sah man, liebten und schüßten ihren Herd.

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Unter einem langen und hohen Dache waren Schuppen, Banse und zwei Tennen untergebracht. Ein drittes Gebäude enthielt Pferde-, Kuh- und Schweineställe. Scheune wie Stall wiesen noch die althergebrachte Strohbedachung auf.

Die Gebäude waren alt, aber gut erhalten. Man sah, daß hier Generationen von tüchtigen und fleißigen Wirthen gehaust hatten. Jeder Riz war zugemacht, jedes Loch bei Zeiten verstopft worden.

In der Mitte des Hofes lag die Düngerstätte, mit der Jauchenpumpe daneben. Am Scheunen­giebel war ein Taubenhaus eingebaut, welches eine Art von Schlößchen darstellte; die Thüren und Fenster des Gebäudes bildeten die Ein- und Aus­fluglöcher für die Tauben. Ein Kranz von scharfen, eisernen Stacheln wehrte dem Raubgethier den Zu­gang. In dem offenen Schuppen sah man Brett wagen, Leiterwagen und andere Fuhrwerke stehen, die Deichseln nach dem Hofe gerichtet. Unter dem vorspringenden Scheundach waren die Leitern unter­gebracht. Im Holzstall lag gespaltenes Holz für die Küche, Neisig zum Anfeuern und Scheitholz. Das Kalkloch, der Sandhaufen und der Stein zum Dengeln der Sensen fehlten nicht.

Der Sinn für das Niißliche und Nothwendige herrschte hier, wie in jedem rechten Bauernhofe, vor. Aber auch der Gemüthlichkeit und dem Behagen war Rechnung getragen. Ein schmales Gärtchen, von einem Holzstacket eingehegt, lief um die Süd- und Morgenseite des Wohnhauses. Hier zog die Bäuerin neben Gemüsen und nüßlichen Kräutern verschiedene Blumenſorten, vor Allem solche, die sich durch starken Geruch und auffällige Farben auszeichnen. Und um die Pracht voll zu machen, hatte man auf bunten Stäben leuchtende Glaskugeln angebracht. In der Ecke des Gärtchens stand eine aus Brettern zu­ſammengesezte Holzlaube, die sich im Sommer mit bunt blühenden Bohnenranken bezog. Im Gras­garten standen Obstbäume, von denen einzelne, ihrem Umfange nach zu schließen, an hundert Jahr alt sein mochten.

Die Thür des Wohnhauses war besonders schön hergestellt. Drei glatt behauene steinerne Stufen führten hinauf. Die Pfosten und der Träger waren ebenfalls von Granit. Auf einer Platte, die über der Thür angebracht war, stand folgender Spruch eingegraben:

Wir bauen Alle feste, Ünd sind doch fremde Gäste, Und wo wir sollen ewig sein,

Da bauen wir gar wenig ein!" Gustav und der Bauer schritten vom Hauſe, ohne daß Einer dem Anderen ein Wort gesagt oder einen Wink gegeben hätte, geraden Weges nach dem Pferdestall; denn hier war der Gegenstand des all­gemeinen Interesses untergebracht: eine zweijährige braune Stute, die der Bauer vor Kurzem gekauft hatte. Zum dritten oder vierten Male schon be­suchte der Unteroffizier, der erst am Abend vorher in der Heimath eingetroffen war, das neue Pferd. Er hatte sich die Stute auch schon ins Freie hinaus­führen lassen, um ihre Gänge zu beobachten; aber ein Urtheil über das Pferd hatte er noch immer nicht abgegeben, obgleich er ganz genau wußte, daß der Alte darauf wartete. Gustav sagte auch jetzt noch nichts, obgleich er prüfend mit der Hand über die Sehnen und Flechsen aller vier Beine gefahren war. Die Büttners waren darin eigenthümliche Käuze.

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