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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Millionen Kapital gegründet, Ingenieure nach Mada gaskar geschickt und auf den Boulevards große und prächtige Bureaux gemiethet.... Heute ist unser Geschäft schon im besten Zuge.... Die Aftien sind ein paar Mal überzeichnet worden und wir können nur eine beschränkte Zahl ausgeben... kurz, die Sache macht sich. Hätte nicht diese ganze folossale Geldmacht noch lange in den Koffern oder den Sparstriimpfen geruht, wenn nicht der Feldzug auf Madagaskar gewesen wäre?... Nein, glauben Sie mir, unser altes Europa ist abgegrast; die Zivilisation und die Bedürfnisse des modernen Lebens haben ihm seine letzten Reichthümer herausgequetscht; wir sind gezwungen, uns in neuen Welten auszubreiten, wenn wir nicht auf der Stelle sterben wollen, weil wir unseren Lebensunterhalt nicht mehr gewinnen können....
( Ein Dienstmädchen kündigt an, daß angerichtet set.) Frau Grippelong: Meine Herren, Sie können bei Tische Ihre schönen philosophischen Diskussionen fortsetzen.... Wir wollen zum Essen gehen.( mit einem Lächeln.) Wollen Sie mir den Arm reichen, Herr Duroguin?( Die Personen gehen durch die offenen Flügelthüren ins Speisezimmer. Der Hauptmann und Baron Stupf sind die Letzten.)
Der Hauptmann( halblaut): Sagen Sie mal, Baron.... Ich habe da in dem Feldzug ein paar kleine Ersparnisse gemacht, so'n vier, fünf Tausendfrankscheine.... Könnten Sie mir nicht einen Gefallen thun und sie mir aus Freundschaft... in ihren Bergwerksaktien anlegen?...
Baron Stupf: Was, in Aktien der Gesellschaft zur Ausbeutung der Platinminen von Imerina? Der Hauptmann: Ja.
Baron Stupf( bleibt einen Augenblick stehen und betrachtet erstaunt den Hauptmann): Ja, sagen Sie mal ganz unter uns giebt es denn wirklich Platin minen dort unten?...
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Ein Ende.
Von L. Lessen.
estern war er in das Lazareth gekommen. Er war Matrose. In den Tropen hatte er sich eine unheilbare Krankheit zugezogen. Die Aerzte hatten ihn bereits aufgegeben.
In seinem weißen Krankengewande lag er halbaufgerichtet im Bett. Vor ihm stand ein Tischchen mit Papier, Feder und Tinte; er hatte gerade einen Brief an seine ferne Braut geschrieben.
Durch das geöffnete Fenster wirbelte vom Garten her grellgelb das Mittagslicht und legte das Fensterfreuz schwarz und schräg auf die braunen Dielen des Fußbodens.
Der Matrose lehnte sich mit geschlossenen Augen in die Kissen zurück. In seinen Gedanken ging er noch einmal den soeben geschriebenen Brief durch. Ein trauriges Lächeln glitt über seine wachsbleichen Züge.
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Der Arzt war in das Krankenzimmer getreten; ihm folgten seine Assistenten und Schüler. An jedem Bette machten sie Halt und erkundigten sich im vertraulichen Tone nach dem Befinden des Kranken. Dann untersuchte man den Puls, besichtigte den Auswurf und verzeichnete auf dem über jedem Bett hängenden Zettel die Krankheitskurve. Jetzt war man an dem Bette des Matrosen angelangt. Die barmherzige Schwester( Rose- Marie hieß sie, eine fleine, zierliche Person) maß die Temperatur des Kranken.
Zweiundvierzig Grad! Ein wenig hoch!" meinte sie, sich gegen den inspizirenden Arzt wendend.
Der Arzt richtete einige Fragen an den Kranken und überzeugte sich noch einmal durch persönliche Messung von der Richtigkeit der Angabe. Dann befühlte er den Buls und ließ sich die Zunge zeigen. Er runzelte die Stirn und richtete einige Worte über die Krankheitssymptome an seine Umgebung. Dann wandte er sich zur Schwester mit der Bitte, diesen Patienten in ein besonderes Kabinet zu schaffen.
Der Kranke richtete seine fieberglänzenden Augen starr auf den Arzt:„ Es wird wohl bald vorbei sein?".. fragte er init schwacher Stimme.
Der Arzt suchte ihn zu trösten und ihm Muth zuzusprechen, dann entfernte er sich; wie ein Schatten von Mitleid und Trauer war es über sein Gesicht gezogen, als er von dem Bette des Matrosen fort ging.
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Vierundzwanzig Stunden weiter!- Die Krankheit war sich gleich geblieben, das Fieber gewachsen und die Abspannung der Kräfte auf das Höchste gestiegen.
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Seit elf Uhr Abends lag der Kranke da mit großen, offenen, gläsernen Augen; dann waren Fiebergroßen, offenen, gläsernen Augen; dann waren Fieber delirien mit kurzen Unterbrechungen eingetreten; hin und wieder kriimmte sich der Rücken des Kranken in frampfhaften Zuckungen zusammen.
Als der Arzt wiederkam, erkannte ihn der Kranke nicht mehr.
In wilden Fieberträumen phantasirte er nur von der Heimath, den Eltern und der geliebten Braut. Sein Bett hatte man an das offene Fenster gestellt, damit die frische Luft ungehindert zu ihm Eingang haben könnte.
,, Verlassen Sie ihn nicht, Schwester! Bleiben Sie bei ihm!" murmelte leise der Arzt. Benezen Sie von Zeit zu Zeit seine Lippen! Er wird doch nicht mehr lange machen! Ich werde meinen Rundgang ohne Sie fortsetzen!"
Dann ging er hinaus, niedergeschlagen von dem traurigen Bewußtsein, daß seine Kunst hier nicht mehr ausreiche!
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Schwester Nose- Marie blieb bei dem Kranken, wachte an seinem Lager, nezte seine glühenden Lippen und lauschte den wilden Fiebererzählungen von Heimath und Braut....
Auf einem Holzschemel saß sie vor seinem Bett und hörte die qualvollen Sommerstunden langsam heranschleichen, gleiten und schwinden....
Sommer war es draußen im Garten.. Sommer strahlte aus tausend Blüthen und Knospen. Rose- Marie war jung und vor ihr lag ein junges, sterbendes Menschenleben, das dahingehen sollte, noch ehe sein Sommer gekommen..
Und die Schwester saß am Bette des Sterbenden und träumte von einer ersten Liebe.
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Mit einem stieren, unheimlichen Todtenblick starrten die Augen des Sterbenden hinaus in eine weite, wesenlose Leere... und die Augen der Schwester, die auf dem Bettrand saß, verloren sich in derselben Richtung...
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Draußen im Garten hatte sich ein leichter Westwind erhoben. Noch schaukelte er auf den hohen Baumwipfeln, dann huschte er in leichten Stößen hinein in das Krankenzimmer. In der Ferne In der Ferne verschwammen die scharfgezeichneten Linien der Landschaft in einem bräunlichen Ton. Dann kam der Abend, der diese Linien verwischte und das Ganze in ein blaues, dunstiges Kolorit tauchte. Die Baumwipfel wurden graufahl und der rothbraune Kiesweg verschwamm schon nach wenigen Schritten in einen violetten Nebel. Im Osten glommen die ersten Sterne auf... erst blaß und milchweiß... dann immer heller und glänzender, bis fie flirrten und funfelten, glitzernd und golden ant tiefblauen, regungslosen Himmel, der sich wie eine Riesenkuppel über das Ganze spannte..
Und der Kranke träumte wieder und seine Fieberphantasien führten ihn zu der geliebten Braut nach der fernen Heimath.
Warum war seine Braut nicht gekommen und saß ihm helfend und lindernd zur Seite, wie hier die Schwester?
Seine müden, sterbenden Augen richteten sich Langsam auf die Schwester, die traurig und mitleidempfindend neben seinem Krankenlager saß.
Dann kam wieder ein Fieberdelirium:„ Endlich! Da bist Du ja!... Liebste!... Komm doch näher!"
Und die Schwester fam näher, richtete sein Haupt mit der rechten Hand empor und neßte dann mit fühlendem Fruchtwasser seine verdorrenden Lippen. ,, Trinken Sie doch, Aermster!" bat sie.
Er gehorchte wie ein Kind.
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Dann aber verfolgte er seinen Gedankengang weiter und sie wurde ihm wieder zur Braut, an die er unaufhörlich dachte:„ Sieh doch, Liebste....es dauert ja nicht mehr lange!... Willst Du denn fortgehen... Kannst Du mich denn allein lassen?... Soll ich etwa einsam sterben?... Liebste! Du bist doch meine Verlobte!... Freuſt Du Dich denn garnicht, mich wiederzusehen?... Willst Du .. Umarme mich denn garnicht einmal umarmen?. mich doch!... Es ist ja das letzte Mal!" Rose- Marie riihrte sich nicht; nur ein leises Zittern durchschauerte einen Augenblick ihren jungen Körper.
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Lügnerin, Lügnerin!" fuhr er heftig fort. Du liebst mich nicht mehr! Sage, willst Du.. oder willst Du nicht... die Meine sein, bevor ich sterbe?"
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Seine arme Stimme wurde immer schwächer, immer bittender eine unsägliche Angst grub sich in seine Gesichtszüge und verzerrte sein sterbendes Antlig... Rose- Marie saß stumm da. Sie hatte die Hände in den Schooß gelegt und die Augen nieder geschlagen. Dann... zuckte es wie ein wilder Riß über ihr bleiches Gesicht. Es war, als spiele sich ein Riesenfampf in ihrem Inneren ab. Dann wurde sie plöglich sehr roth; sie warf sich quer über das Bett des Sterbenden und drückte leicht, zärtlich und inbrünstig einen langen Kuß auf seine Stirn.
Dann kniete sie nieder, preßte ihr heißes Gesicht an seine Hände... ihre Lippen bewegten sich: ,, und vergieb uns unsere Schuld" dann machte sie die Augen zu..
Das Gesicht des Kranken zitterte vor Angst und Seligkeit..
,, Liebste!... Beste!... Ich wußte es ja!... Rose- Marie!"... murmelte er.
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Der Priester war eingetreten und sprach die üblichen Gebete. Dann drückten sie ihm die Angen zu. Er war leicht und ohne Schmerzen gestorben. Um seine Lippen lag die Seligkeit eines Todes, der im höchsten Glück eingetreten war.
Bu unserem Bilde.
Im Schneesturm. Wie oft schon hat der polnische Maler Wierusz- Kowalski uns mit Meisterhand die winterliche Landschaft seines Heimathlandes geschildert! Und doch weiß er dieser, scheinbar unendlich einförmigen, trostlosen winterlichen Dede stets neue Reize abzugewinnen, neite Stimmungen in ihr zu entdecken.
Während er heute uns das weite Schneegefilde im hellen Glanz der Sonne mit ihren vielfarbigen Neflere auf der weißen Fläche malt, zeigt er uns morgen, wie mälig der Abend mit seinem düsteren Schleier sich melancholisch auf die Erde niederſenkt.
Hier schildert er als einzigen Vertreter des Lebens den hungernden Steppenbewohner, den Wolf, wie er mit funkelnden Augen nach den gelben Lichtern des nahen Dorfes hinüberspäht, und dort giebt er uns ein Bild fröhlicher, der eisigen Kälte Hohnlachender Menschenkinder, die mit dem schnaubenden Gespann der Troika mit Hussafah und Peitschenknall daherstürmen durch das winterliche Reich. Und wieder ein anderes Motiv ist es, das der Maler in unserem heutigen Bilde behandelt. Als wollte er die ganze Welt unter sich begraben, wirbelt der Schnee in wildem Sturme auf die Erde nieder; lawinenartig wachsen rechts und links der Straße die weißen Berge, die beim Schein der gelben Leuchte in tausendfarbener Diamanten pracht sprühen und glitzern.
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Die Pferde dampfen; weiße Wolken steigen aus ihren Nüstern auf und von Zeit zu Zeit knallt die Peitsche über ihren Häuptern durch die dunkle Abendstille. Denn sie mögen wohl Gile haben, die im warmen Pelz, in dicke Decken eingehüllt im Wagen sigen.
Unheimlich tönt aus dem nahen schneebedeckten Tannenwald schon das Geheul der Wölfe an ihr Oh und wenn das Gewehr auch schon geladen in der Ecke lehnt, es ist immerhin kein Spaß, mit jenen ausgehungerten Bestien der winterlichen Dede ein Stelldichein zu haben. Also Hussah, vorwärts!", und wieder knallt die Peitsche und weiter geht es unter dem Schnauben der zitternden Rosse, unter dem Knirschen der Räder in die dunkle Nacht hinein.
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Nachdruck des Juhalts verboten!
Verantwortl. Redakteur: Edgar Steiger , Leipzig . Verlag: Hamburger Buchdruckerei u. Verlagsanstalt Auer& Co., Hamburg . Druck: Max Bading, Berlin .
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