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Die Neue Welt. Illustrirte Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
hiitete sich zwar, es zu erivähnen, denn sie hatte vor Hertha eine gewisse Scheu, die ungebildete Frauen vor jedem höheren und schärferen Geiste haben, vielleicht auch die Schen der Beamtengattin vor Giner, die dem Volfe und dem Leben des Volkes nahe stand. Herthas stolze Ruhe und ihre stets gleiche, stille Freundlichkeit imponirten ihr. Aber um so tiefer war der innere Groll. Sie sah in Hertha nicht blos die Revolutionärin, wie sie sie nannte, sondern auch eine Rivalin, die ihr ihr Kind streitig machte; sie sah, daß Hertha im Laufe von wenigen Monaten errungen hatte, was sie in all den langen Jahren nicht zu erringen vermocht hatte: Gertruds Liebe.
Und auch ihr Haß gegen Gertrud fand neue Nahrung. Seit sie es aufgegeben hatte, sich mit dem Mädchen zu beschäftigen, seit sie berechtigt zu sein glaubte, das Joch der Erziehung abzuschütteln, empfand sie fast eine geheime Freude daran, zu sehen, daß Gertrud durch den Verkehr mit„ Jener" in ihrer Meinung verdorben würde. Sie hatte die Ueberzeugung, daß Herthas Einfluß auf das junge Geschöpf und der neue Geist, den sie ihm einpflanze, nur ein schädlicher sein konnte. Aber es lag ihr nichts daran. Mochte sie verderben! Sie sah darin zugleich eine Strafe für den Undank ihres Kindes und eine gerechte Strafe der Natur für ihre verfannte Mutterliebe.
Doch mit jedem Tage gestaltete sich die Freundschaft der Beiden zu einer innigeren. An den lauen Frühlingsabenden gingen sie oft Arm in Arm durch die weiten Buchenauen an dem Ufer der Donau und begierig lauschte Gertrud auf die Erzählungen ihrer Lehrerin.
Hertha erzählte viel aus ihrem Leben. Sie sprach von dem, was sie gesehen und gethan hatte, leise und ohne Prunt. Schlicht flangen alle diese kleinen und großen, traurigen und ernſten und freudigen Episoden, die sie Gertrud wie einer Schwester mittheilte. Es lag etwas Stilles und Klares über Allem, was sie sagte, und sie sagte es mehr für sich, als für die Andere.
( Fortsetzung folgt.)
Auch ein Revolutionär!
H
Von Delta.
( 8u unseren Bildern.)
uf dem Sathonayplage der südfranzösischen Stadt Lyon erhebt sich die bronzene Figur eines Mannes, dessen Ruhm länger als das Erz des Monuments seine in tausend und abertausend Exemplaren über die Welt verbreiteten Werke finden werden. Und dieser Mann, in dem das durch ihn reich gewordene Birgerthum einen NevoIntionär zu ehren sich gezwungen sah, ist Joseph Marie Jacquard . Geboren am 7. Juli 1752, eben in Lyon , hatte er bereits als Kind hart mit des Lebens Noth zu kämpfen.
Im frühesten Alter schon sehen wir ihn in einer Seidenstofffabrik sein täglich Brot verdienen, und wenn wir uns erinnern, in welch unmenschlicher Weise besonders in der ersten Hälfte unseres Jahr hunderts die Arbeitskraft zarter Kinder ausgebeutet wurde, so können wir uns ungefähr eine Vorstellung machen, wie es dem kleinen Jacquard damals ergangen sein mag.
Nach diesen ersten Erfahrungen in der Schule des Lebens erlernte der Knabe das Buchbindereigewerbe, dem er jedoch nicht treu blieb.
Er versuchte sich eine Zeit lang als Schriftsetzer und kehrte schließlich wieder zu seinem ersten Beruf, der Seidenweberei, zurück.
Und hier schien er Glück zu haben; denn im Jahre 1772, als Zwanzigjähriger also, gelang es ihm, sich selbstständig zu machen.
Allein sein Glück war nicht von langer Dauer; Jacquard verlor vielmehr Alles, was er in seinem Unternehmen, Herstellung von gemusterten Seidenstoffen, angelegt hatte, und wurde so arm, daß er er in einem Gypsbruch in der Nähe Lyons Arbeit nehmen mußte. Dann kam das Jahr 1793 und
mit ihm die Kapitulation seiner Vaterstadt vor der sie belagernden Armee des Nationalkonvents. Jacquard, der als Mechaniker an der Vertheidigung regen Antheil genommen hatte, mußte flüchten und that bis zum Jahre 1795 Dienste in der Rheinarmee.
Nach 1795 kehrte er jedoch wieder nach Lyon zurück und widmete sich hier nun ganz dem schon 1790 aufgenommenen Versuche, einen Mechanismus zu schaffen, der die bei den Zugstühlen für gemusterte Seidenstoffe nothwendige Hand des so nannten Ziehjungens entbehrlich machen sollte.
Die Aufgabe dieses Ziehjungen bestand nämlich darin, die Schnüre zu bedienen, durch welche die Kettenfäden des Gewebes je nach dem Einschuß, den das Muster erforderte, gehobent, beziehentlich ge=" senkt wurden.
Das Problem, eben diese Arbeit auf mechanischem Wege zu leisten, fand durch Jacquard nun im Jahre Wege zu leisten, fand durch Jacquard nun im Jahre 1802 eine vorläufige Lösung. Denn nachdem Jacquard für die Konstruktion einer Neßstrickmaschine 1804 die goldene Medaille und zugleich einen Ruf an das Pariser Konservatorium der Künste und Handwerke erhalten, lernte er von dem berühmten französischen Mechaniker Vaucanson ( spr. Wokanßong) erfundenen Apparat zum Musterweben kennen, und wurde durch dessen Idee zu einer völligen Umgestaltung seiner 1802 fonstruirten Maschine angeregt.
Mehrere Jahren eifrigen Studiums führten Jacquard, der sich wohl an Vaucansons Apparat anlehnte, aber doch auch wieder völlig selbstständig und originell arbeitete, denn auch schließlich zu einem so überaus glücklichen Ergebniß, daß die 1808 neuentstandene Maschine bereits vier Jahre später in seiner Heimath in zirfa 18 000 Exemplaren verbreitet war.
Es ist selbstverständlich unmöglich, ohne Tafeln, die den Mechanismus im Détail veranschaulichen, hier eine eingehende Schilderung der nach ihrem hier eine eingehende Schilderung der nach ihrem genialen Erfinder genannten Jacquardmaschinen zu entwerfen.
Wie bei allen derartigen Versuchen, komplizirte Mechanismen mit bloßen Worten zu erklären, wäre Denen, die mit dem Herstellungsprozeß von Geweben nicht vertraut sind, wenig oder nichts geholfen.
Aber andeuten müssen wir darum das, was die Jacquardsche Erfindung zu einer so epochemachenden für die Textilindustrie gemacht hat, doch.
Es besteht dies im Wesentlichen in der Einfiigung des sogenannten Harnisches in die bis zu Jacquards Zeit üblichen Schaftmaschinen.
Was hat es aber nun mit diesem auf jeden Webstuhl übertragbaren Apparat für eine Bewandtniß?
Es ist ein die ganze Kette, d. h. die Längs= fäden des Gewebes überstehendes Brett( Chorbrett), das so viel Löcher enthält, als Kettenfäden vor= handen sind, und diese durch jene Löcher hindurchgehen läßt.
Oberhalb des Chorbretts enden die Fäden, welche gleichzeitig gehoben werden sollen, in stärkeren Schnüren ( Korden), die wieder mit den sogenannten Platinen, fleinen aus Holz oder Stahldraht gefertigten, hackenförmigen Maschinentheilen verbunden sind.
In diese letteren greift alsdann eine, mit dem Ausdruck Messer bezeichnete Schiene ein, die mit dem sie umschließenden Messerkasten mittelst eines Hebelwerkes in die Höhe gebracht wird.
Da nun aber bei jedem Muster jeweils nur bestimmte Fadenkomplere und somit auch Platinen zu heben sind, so müssen andere, sollen sie nicht dasselbe Schicksal erfahren, aus der Schiene ausgeschaltet werden.
Um das zu bewerkstelligen, hat man jede einzelne Platine durch die Oese einer wagerechten Nadel gesteckt, die mit Hülfe einer Feder die Platine aufrecht, d. h. in einer Lage erhält, bei der sie bei jedem Heben der Schiene mit in die Höhe genommen werden muß.
Diese Nadeln aber stoßen mit ihrem einen Ende wieder auf ein sogenanntes Prisma auf, das sie erst jenen Druck auf die Platinen ausüben läßt.
Allein nicht alle Nadeln treffen das Prisma wirklich, weil für verschiedene Löcher auf der Prismenfläche angebracht sind.
Fällt für diese Nadeln somit der Druck fort, so vermögen sie auch die in der Dese steckende Platine nicht mehr in ihrer vertikalen Lage zu erhalten. Die betreffende Platine, die beweglich ist, neigt sich zur Seite, wird von der sich nach obeit bewegenden Schiene nicht erfaßt und die Folge ist, daß auch die mit der Platine durch die Korde verbundenen Fäden nicht gehoben werden.
An Stelle des gelochten Prismas hat man dann schließlich durchlochte Kasten auf die Prismenfläche aufgelegt und, indem man von ihnen eine an die andere reihte und sie an den Nadeln vorüberführte, die Möglichkeit geschaffen, auf rein mechanischem Wege bald diese, bald jene Platine auszuschalten, bald diese, bald jene Fäden der Kette zu heben.
Dadurch aber, und besonders weil bei der Jacquardmaschine jeder Faden seine eigene Platine haben konnte, war man nun in der Lage, die verschiedensten Muster nicht nur, sondern auch alle beliebigen Bilder, Figuren, Landschaften usw. herzustellen.
Diese neue Erfindung aber bedeutete natürlich eine völlige Revolution für die Musterweberei, und es ist nicht verwunderlich, daß Jacquard, der so mit einem Schlage Tausende von Menschenhänden überflüssig machte, auf Seiten der bisherigen Stuhlarbeiter einem außerordentlichen Widerstand begegnete.
Freilich, so wenig die Zerstörung des ersten ( Papinschen) Nuderradschiffes durch Mündener Schiffer ( 1707) die Entwickelung des Dampfschiffbaues aufhalten konnte, so wenig war auch jener Widerstand der Lyoner Weber von Erfolg begleitet.
Die Jacquardschen Maschinen setzten sich, wie wir bereits gesehen haben, in kürzester Zeit durch, und dies, wenn auch zum augenblicklichen Nachtheile Einzelner, doch zum endlichen Segen der Gesammtheit.
Denn, wenn auch heute noch die ungeheueren Fortschritte auf technischem Gebiete Millionen und Abermillionen, mit einem Worte, der großen Masse des arbeitenden Volkes mur erst in ganz geringem Maße zu gute kommen, so wird doch kein moderner, aufgeklärter Arbeiter den Standpunkt jener armen Lyoner Weber theilen.
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Im sicheren Bewußtsein, daß er in Zukunft nicht mehr Sklave, sondern Herr des heute kapitalistisch betriebenen Produktionsprozesses sein wird, wird er sich vielmehr keiner Neuerung auf welchem Gebiet auch immer entgegenstellen und darum auch in einem Revolutionär wie Jean Marie Jacquard allezeit einen segensreichen Förderer der menschlichen Entwickelung begrüßen.
es
Aus dem Papierkorb der Zeit.
war
Zu unserem Gedicht. Der Verstorbene, dem der Dichter das ergreifende Lied widmet, ist ein Ungläubiger, ein moderner Heide, der aus irgend einer Laune es Protest gegen das Christenthum oder lediglich die Freude am Schönen? auf nordischer Klippe einen altgriechischen Tempel erbaut hatte. Hier brachte er auf bronzener Opferschale seine Opfer dar, oder, wie d Dichter sagt, er sandte den Griechengott Zeus in Odins , des germanischen Himmelsgottes, Flockenjaal den Nauch empor und begrüßte so gleichsam die Asen, d. h. die alt= germanischen Götter im Olymp, in der Wohnung der Hellenischen Götter, d. H. er verschmolz die Tiefe alt= germanischer Natursymbolik mit dem Schönheitskultus der Hellenen. Im Uebrigen wollen wir die Schönheiten des Gedichtes, die für sich selbst reden es ist wohl das erfte und einzige, das eine moderne Leichenverbrennung zum Gegenstande hat nicht durch Anmerkungen und Erläuterungen verunzieren.
Nus dem Notizbuche eines Betrachtenden.
"
Allen, die über den Willen des Volkes" spotten, muß man entgegenrufen: Wer war es, der das Volk durch Jahrtausende willenlos gehalten hat? Ihr spottet also über die Schandthaten Gurer eigenen Klasse.
Nachdruck des Juhalts verboten!
Alle für die Redaktion bestimmten Sendungen wolle man an Edgar Steiger , Leipzig , Elisenstraße 90, richten. Druck: Mar Bading, Berlin .