Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Darauf ging Pauline zu den beiden Mädchen, denen sie gleichfalls die Hand reichte., Guntag, Toni!- Guntag, Ernstinel!" Die Beiden sahen sie befremdet au, ohne etwas zu sagen. Toni war ohne Arg. Das schwerfällige, harmlose Geschöpf hatte keinerlei Stellung zu dieser Familienangelegen heit genommen. Die kleine Ernestine dagegen betrachtete die Geliebte des Bruders halb mit Spott, halb mit frühreifer Neugier.
Troß ihrer Befangenheit hatte Pauline, mit dem jeder wissenden Frau in solchen Dingen eigenen schnellen Begriffsvermögen, sofort festgestellt, daß das Dorfgerücht wahr sei, welches behauptete, Bittners Aelteste sei guter Hoffnung. Pauline kümmerte sich eigentlich wenig um den Dorfklatsch sie ging nicht mehr zum Tanz, seit sie den Jungen hatte aber Nachbarn und Freunde hinterbrachten ihr doch Dieses und Jenes. So war schließlich auch diese Neuigkeit zu ihr gedrungen.
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Da Niemand sie aufforderte, sich zu setzen, blieb Pauline stehen. Man wartete darauf, daß sie etwas sagen solle, denn, daß sie ohne bestimmten Zweck hierher gekommen sei, wurde nicht angenommen.
Das Mädchen hatte die ganze Zeit über die linke Hand unter der Schürze gehalten. Sie hatte dort Gustavs Brief, den sie vorlegen wollte, falls man ihr etwa nicht glauben sollte. Schließlich mußte sie sich entschließen, zu sprechen. Sie begann mit gedämpfter Stimme, ohne Jemanden dabei anzusehen: „ Ich komme, und ich soll och einen schönen Gruß ausrichten von Gustaven an Euch Alle."
Die Einleitung wurde mit Kühle aufgenommen von den anderen Frauen.
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Und er würde och bald nach Hause kommen," fuhr Pauline fort.
,, Uf de Kirmeß! Wenn se'n Urlaub gahn!" meinte die Bäuerin.
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,, Ne, ne! Er wird ganz nach Halbenau kommen." ,, Gustav! derhemde?"
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„ Er schreibt mirs dohie!" Damit zog sie die Hand unter der Schürze vor und hielt triumphirend den Brief in die Höhe.„ Er hat mers geschrieben." Dos wäre. Gustav vun Suldaten wag!" ,, Er hat sich zu sehre ärgern missen mit seinem Wachtmeister. Er will nischt mehr wissen vom Sol datenleben. Nach'n Manöver will' r nach Halbenau kommen."
Die Nachricht verfehlte ihre Wirkung nicht. Die Bäuerin vergaß auf einmal ganz, daß Pauline eigent lich als eine Verfehmte betrachtet wurde in der Familie. Sie holte das Mädchen heran und räumte ihr einen Platz neben sich ein. Gustav, ihr Lieblingssohn, würde nach Hause zurückkehren! Sie wollte darüber Näheres hören. Pauline mußte erzählen, was sie wußte.
Therese stand inzwischen bei den Schwägerinnen in einer anderen Ecke. Sie betrachtete Pauline mit wenig freundlichen Blicken und murrte. Die Ausficht, daß Gustav auf den väterlichen Hof zurückfehren werde, war garnicht nach ihrem Geschmacke. Sie war diesem Schwager niemals grün gewesen. Sie konnte ihm seine Ueberlegenheit über ihren Karl nicht verzeihen.
Pauline war darüber, der Bäuerin eine Stelle aus dem Gustavschen Briefe vorzulesen. Der Unteroffizier schrieb, daß es dem Vater wohl auch recht sein würde, wenn er zur Herbstbestellung ein paar Hände mehr auf dem Gute habe.
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Da hielt sich Therese nicht länger. Woas!" schrie sie dazwischen und trat an den Tisch,„ Gustav soit und er will hier bei uns nei! dan grüßen Herrn spiel'n, hier uf'n Gutte rimfummandiren! das mir Andern uns glei verkriechen mechten! das kennte uns grade passen! Da mechten mir am Ende glei ganz verziehn, Karle und ich. Und hier sei Mensch..." damit wandte sie sich gegen Pauline, der sie mit den Fäusten vor dem Gesicht herumfuchtelte, die denkt am Ende, weil se a Kind vun'n hat, daß ſe schunsten zur Familie zahlte. Su schnell geiht das ne! Wenn mer dan sene Frauenzimmer alle ufnahmen wollten, dohie langte's Haus am Ende ne 31. Froit ad in der Stadt a mal nach, mit woas für welchen der Imgang hoat. Oder denkst De etwan, daß der D'ch heirathen werd? Bis ac ne
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su tumm! Der wird a Madel mit an Kinde nahmen. Lehr' Du mich Gustaven kennen! Ihr Zwee kimmt ne hier nei, sovill sag'ch... vor mir ne!"... Der withenden Person ging vor Erregung der Athem aus. Das Letzte war nur noch heiseres Gegurgel gewesen.
Pauline saß da, gänzlich erblaßt, mit weit offenen Augen starrte sie Therese an. Zu erwidern wußte sie nichts. Sie war immer so gewesen. Der Rohheit und Ungerechtigkeit stand sie waffenlos gegenüber.
Uebrigens sollte ihr von anderer Seite Hülfe kommen. Der Bäuerin war die Geduld gerissen; besonders daß Therese es gewagt, Gustav schlecht zu machen, hatte ihren mütterlichen Stolz gekränkt. Sowie die Schwiegertochter sie zu Worte kommen ließ, wetterte sie los: Therese solle sich nur nicht einbilden, daß sie hier etwas zu sagen habe. Dem Bauern gehöre Gut und Haus und nicht den Kindern. Bauern gehöre Gut und Haus und nicht den Kindern. Sie sollten gefälligst warten, bis die Alten gestorben wären, oder sich aufs Ausgedinge zurückgezogen hätten, ehe sie zu kommandiren anfingen.
Therese ließ sich den Mund nicht verbieten und redete dagegen. Die Bäuerin war, wenn einmal aus ihrer gewöhnlichen Nuheseligkeit aufgereizt, auch nicht die Sanfteste. So gab es denn ein Reifen und Zetern zwischen der alten und zukünftigen Büttner= bäuerin, daß man es bis weit über das Gehöft hinaus hören konnte. Dabei hatte man ganz die Vorsicht außer Acht gelassen, Ausschau nach dem Vater zu halten. Auf einmal ertönten schwere Fußtritte vom Hausflur her. Mit erschreckten Gesichtern sahen sich die Franen an. Es war zu spät, das Kaffeezeug noch zu beseitigen, schon erschien der Bauer in der Thür, gefolgt von Karl.
Der Büttnerbauer war sowieso nicht in der besten Laune. Es hatte ärgerliche Verhandlungen gegeben mit dem Gemeindevorsteher wegen eines Geländers, das der Bauer an seiner Kiesgrube anbringen sollte. Heute war ihm nun von Seiten der Behörde Strafe angedroht worden, wenn er den Bau noch länger unterlasse. Das hatte den Alten in seiner Ansicht unterlasse. Das hatte den Alten in seiner Ansicht bestärkt, daß die Behörden nur dazu da seien, den Bauern das Leben sauer zu machen. In hellem Zorn war er zum Ortsvorsteher gelaufen und hatte dort eine halbe Stunde lang gewettert und getobt. Sein Groll war noch keineswegs verraucht, als er jezt bei seinen Leuten eintrat.
Nach einigen Schritten ins Zimmer erblickte er die Kaffeekanne auf dem Tische. In den betretenen Mienen der Frauen las er das Uebrige.
Dann fiel sein Blick auf Pauline Katschner. Er stuzte. Was wollte das Frauenzimmer hier? Er zog die Augenbrauen zusammen. Das hatte ihm gerade noch gefehlt, an die Liebschaft seines Sohnes erinnert zu werden!
Die Bäuerin sah, daß die Lage bedenklich wurde. Erst wenige Tage war es her, da hatte der Bauer erfahren, daß seine älteste Tochter ein Kind erwarte. Der Auftritt, den es darüber gegeben hatte, lag den Frauen noch in den Gliedern. Die Bäuerin kannte ihren Eheherrn. Die Adern an der Stirn schwollen ihm; ein schwerer Sturm war im Anzuge. Es galt, den Ausbruch zu verhindern.
Sie kam zu ihm herangehumpelt und legte ihm die Hand auf die Schulter." Traugott!" sagte sie, und gab ihrer Stimme den sanftesten Klang, der ihr zu Gebote stand. ihr zu Gebote stand." Mir han'ch ane Neege Kaffee gefucht; bis ack ne biese! Zu aner Tasse Kaffee an Sunntch Namittage langt's schun noche!
Der Bauer räusperte sich. Sie kannte seine Gewohnheiten genau. Das war eine Art von Ausholen; wenn man ihn erst einmal losbrechen ließ, dann wurde es furchtbar. Die erfahrene Frau sah ein, daß sie jetzt einen Trumpf ausspielen müsse.
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" Bater!" sagte sie. Mir han och ene gutte Nachricht für Dich, ane sihre gutte Nachricht von Gustaven. Dent' der ack, ar hat geschrieben, und ar will vun die Suldaten fort. Schun uf'n kinftgen Herbst will er nach Halbenau zuricke timma, dar Gustav! Was sagst De denn anu, Mann! dar Gustav! Was sagst De denn anu, Mann! Freist De Dich ne? Nu warn mer unsern Jung'n bale wieder ganz in Hause han."
Die Vänerin hatte sich nicht verrechnet. Diese Nachricht wirkte bei dem Alten wie ein Tropfen Del
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auf erregte Wogen. Gustav nach Halbenau zurück! Die Hoffnung, die er so lange im Stillen gehegt hatte und die sich doch nicht erfüllen wollte bisher, weil der Junge zu sehr am bunten Nocke hing und nun wurde es doch endlich! Einen solchen Arbeiter auf das Gut und einen so anschlägigen Kopf obendrein, wie sein Gustav war, da mußte doch Alles wieder gut werden! Die tief gesunkenen Hoffnungen des alten Mannes stiegen mit einem Male lustig in die Höhe, als er diese Kunde vernahm.
Der Büttnerbauer machte zwar ein mißmuthiges Gesicht und brummte etwas, was garnicht nach Freude klang. Aber das war nur zum Scheine. Vor der Familie wollte er sich seine Gefühle nicht anmerken lassen. Darumi blieb er auch nicht lange im Zimmer. Nur zum Vorwande stöberte er in einer Ecke, als habe er dort etwas zu suchen, dann ging er zur Stube und zum Hause hinaus. Unter Gottes freiem Himmel, wo Niemand ihn beobachtete. wollte er sich seiner Freude hingeben.
( Fortsegung folgt.)
Zwerge.
Von Dr. B. L.
n der Frauenklinik in Zürich erblickte im Januar 1896 ein Mädchen die Welt, welches nach der Geburt eine Größe von 40 Centimeter( also etwas länger als die Höhe unseres Blattes) hatte und zwei Kilo wog. Das zarte Wesen erfreute sich einer guten Gesundheit, die es mit fräftigem Schreien bethätigte. Seine Mutter wurde 1868 zu Plathe im weltberühmten Pommern als die Tochter des ebenso weltberühmten Zwerges ,, Admiral Piccolomini" und zwar gleichfalls als Zwergin, 1/2 Kilo schwer, geboren und mißt gegenwärtig 80 Centimeter. Die Frau des Admirals" war normal gebaut, überaus kräftig und schenkte ihm sieben Kinder, darunter zwei Zwerge. Der Geburtsfall in der Züricher Frauenklinik ist für die wissenschaftliche Welt deshalb von großem Interesse, weil bis jetzt noch nie eine Zwergin ein lebendes Kind gebar.
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Menschen von so winziger Größe bilden keine besondere Gattung des Menschengeschlechtes, sondern sind in der Mehrzahl der Fälle als frankhafte Bildungen aufzufassen, als alte Kinder mit nur geringen Lebens- Chancen, während ein geringer Bruchtheil sich mehr normalen Verhältnissen nähert, und diese letzteren sind gleichsam verkleinerte Modelle normal gewachsener Menschen. Andererseits kennt man aber auch im Gegensatz zu den großen Individuen bei den verschiedenen Völkern unseres Erdballes, die kleinen Individuen, Zwerge, und kennt somit dank den neuesten Forschungen in der Geographie auch große und kleine Familien und Völkerstämme. In dieſem letzteren Sinne spricht man z. B. von Zwergen auf Malakka und Formosa, von Zwergen in den Pyrenäen , den sogenannten„ Nanos", in Marokko und besonders in Afrika , wo der Bayago Lieblingsbeschäftigung die Elephantenjagd mit dem Speere ist. Riesen- und Zwergformen kommen auch unter den Säugethieren, sowohl wilden wie zahmen vor. Wir brauchen uns nur daran zu erinnern, daß z. B. auf Korsika alle Hausthiere, besonders aber Pferde und Esel, auffallend klein sind. Auch unter den vorhistorischen Menschen, z. B. im sogenannten Schweizerbilde bei Basel hat man während der jüngsten Forschungen Zwerggräber von europäischen Pygmäen aufgedeckt, und diese mahnen daran, daß man nicht überschnell den Sagen jeden Werth für historische Forschung absprechen soll. Die Stelette dieser Menschen hatten durchschnittlich 1424 Millimeter Länge, also ziemlich genau die Größe der afrikanischen Zwergstämme.
Bevor wir zur Besprechung der eigentlichen Zwerge übergehen, erinnern wir uns kurz ihres Gegensatzes, der Riesen. Otte, der Niese von Freiwaldau( österr. Schlesien ), geboren 1858, war der Sohn normal gebauter Eltern. Er wuchs vom 18. bis zum 23. Jahre sehr schnell, maß in seinem 25. Lebensjahre 214 Centimeter und wog 320 Pfund.