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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
Auf Cäsar folgte Octavianus Augustus , dem die reife Birne der Einherrschaft in den Schooß fiel, über deren vorzeitigem Pflückversuch Cäsar unter den Dolchen von Verschworenen sein Leben lassen mußte. Auf dem Antlitz des Octavianus wechseln schnell die Farben; zuerst erscheint er bleich, dann dunkelroth, dann schwarz, dunkel und düster, und endlich klar und heiter. Man hätte ihn" sagt Julianus- ,, für ein Chamäleon halten können." Die Schauspielernatur des Gründers der römischen Monarchie, der fich nach den Quellen bei seinem ersten Auftreten von Cicero mit Wohlbehagen als Heiland der Republik feiern ließ und wenige Monate darauf blutig wiithete gegen die Republikaner , der so viele sich widersprechende Eigenschaften in sich vereinigte und so flug und verschlagen stets seine wahren Absichten so lange zu verbergen verstand, bis er sie erreicht hatte- läßt sich nicht treffender kennzeichnen. Silenos warnt auch die Götter, daß sie sich nicht ein X fiir ein U vormachen lassen sollen von dem Erzkomödianten, der selbst bei seinem Tode zu den Umstehenden gesagt haben soll:„ Klatscht mir Beifall, ich habe meine Komödienrolle doch vortrefflich gespielt!" Niebuhr, der große Geschichtsschreiber und Erforscher der römischen Geschichte, hat die Verstellung seine ausgezeichneteste
gegeben sind, die ihn bei Lebzeiten völlig beherrschten und ohne die er hier eine gar zu traurige Rolle spiele.
Nun tritt Nero ein, mit dem Lorbeerkranz auf dem Haupte und der Leier im Arme. Silenos ruft dem Apollo zu:„ Sieh, da ist Einer, der Dich nach ahmen will!" Apollo, dem Gotte des Gesanges, war der Lorbeer heilig. Der Angeredete aber meint, Nero sei eher ein Zerrbild von ihm selbst, reißt ihm den Lorbeer vom Haupte und läßt ihn in die Unterwelt abführen.
Die furz regierenden Kaiser Vinder, Galba, Otho und Vitellius fertigt Silenos kurz ab. Jupiter zeigt seinem Bruder Serapis ( diesen egyptischen Gott hatte der römische Katechismus ebenso wie manchen anderen fremden adoptirt) den Vespasianus, den er als Geizhals, aber auch als Wiederhersteller der von dem Mordbrenner" Vitellius verbrannten Bauten des Kapitols, der Stadtburg Roms , be zeichnet.
Titus wird schnell abgethan und von Silenos zu seinen Liebsten geschickt; Domitianus wird mit dem sizilischen Tyrannen Phalaris verglichen und gefesselt. Der würdige, greise Nerva findet Gnade vor dem Spaßmacher der Götter; dieser fragt, warum die Götter dem elenden Domitianus fünfzehn
Valerianus und sein Sohn, der schwelgerische Gallienus, wurden abgewiesen. Claudius II. , Gothicus, von dem Julianus selbst abstammte, wird sehr freundlich aufgenommen; da die römische Monarchie kein Erbreich war, ist es begreiflich, daß Julianus seine früheren Vorgänger nicht eben schonungsvoll behandelt, hier aber regt sich das Blut.
Den Kaiser Probus lassen die Götter gelten, nur allzu große Strenge weiß ihm Silenos vorzuwerfen. Carus und seine Söhne Carinus und Numerianus werden von der Nemesis wieder abgeführt.
Es folgt Diocletianus mit den beiden Maximinianen und Constantius Chlorus , die ehrenvoll angenommen werden, außer dem einen Mariminian, der irgend wohin" auf die Erde entweicht. Den Licinius jagt Nemesis alsbald fort. Den Schluß macht Constantinus mit seinen Söhnen, und nun beginnt das Festmahl.
Bei demselben wird die Frage aufgeworfen, welchem der Sterblichen ein eben erledigter Plaz im Götterhimmel zugesprochen werden solle. Als Bewerber treten auf Cäsar , Octavian , Trajan , Marc Aurel und von Heracles eingeführt der Macedonier
Geisteskraft genannt. Der Sonnengott Apollo jedoch, zu dem die Hof- Legende den Augustus gern in Beziehungen zu bringen pflegte, nimmt sich des Octavianus Augustus an und überweist ihn dem Philosophen Zeno zur veredelnden Ausbildung. In der That murmelt der zur Stelle befindliche Zeno dem Augustus etwelche weise Sentenzen zu, durch die Jener sofort ein weiser und maßvoller Mensch wird.
Nach Augustus tritt Tiberius ernst, feierlich und stolz heran. Aber wie kontrastiren damit die Narben und Spuren von allerlei medizinischen Operationen in seinem Rücken, welche seine Laster und Ausschweifungen nöthig gemacht hatten! Der immer heitere Silenos verliert bei dem Anblick Tiberius ' seine gewöhnliche gute Laune und schlägt vor, diesen Menschen nach seinem Lieblingseiland Capri zu entsenden, wohin er bei seinen Lebzeiten in seinen menschenfeindlichen Gemüthsstimmungen sich gern zu vergraben pflegte.
Beim Eintritt Caligulas ergreift die Götter ein wahres Entseßen, und Nemesis, die Göttin der Rache, überweist das Scheusal ihren Dienerinnen, den Furien, die ihn in die Unterwelt stürzen.
Silen, der über Caligulas Anblick geradezu die Sprache verloren hat, findet sie erst wieder beim Nahen des Kaisers Claudius , den er einen Dummkopf und hohlen Schwäßer nennt, und den Romulus dafür tadelt, daß ihm nicht seine Lieblinge, die Freigelaffenen Pallas und Narcissus, sowie Messalina bei
Aus kurischen Jagdgründen. Von Ernst Otto.
Regierungsjahre geben konnten, und dem Nerva nur eins. Beim Eintreten des Trajanus, der mit der Beute aus seinen siegreichen Feldzügen gegen die Daker und Parther geschmückt sich naht, ruft Silenos, man solle den Mundschenken und seine Becher vor diesem Menschen in Sicherheit bringen.
Darauf naht sich Hadrianus,„ der Sophist, Vielwisser und Schönredner auf dem Throne," der erste barttragende Kaiser der Römer, der auch in Musik und Astronomie Dilettantenrollen gab. Silenos meint, er suche wohl hier seinen Geliebten Antinous , aber der sei nicht hier; der Mensch möge sich nur trollen. Dann folgt Antoninus Pius , den Julian, abgesehen von seinen galanten Abenteuern, einen verständigen Mann, Silenos aber einen Kümmelspalter", d. H. einen Kleinigkeitskrämer, nennt. Beim Anblick des Marcus Aurelius ( oder Antoninus Philosophus) und des Lucius Verus schweigt Silenos; den erbärmlichen Sohn des Commodus, aber würdigt er auch keines Wortes. Pertinax wird schnell abgethan. Nun folgt der harte Soldat Septimius Severus , vor dem den Silenos graut; er meint, mit dem sei nicht gut Kirschen essen. Geta, Caracalla, Macrinus und Elagabal werden gleich fortgeschickt als Unwürdige; Severus Alexander Syrus aber zugelassen, doch nicht ohne daß ihm Silenos den Vorwurf macht, daß er immer am Gängelbande seiner Mutter gehangen habe.
Alerander der Große, bei dessen Eintreten Silenos dem Nomulus, dem Gott gewordenen ersten Stönig der Urgeschichte Noms, zuruft:„ Nimm Dich in Acht, Der da überwiegt alle Deine Römer!"
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Ein Redekampf nach allen Regeln der Kunst entspinnt sich, endlich wird dem Marc Aurel die Siegespalme zu Theil, die übrigen Bewerber erhalten die Erlaubniß, an der Seite ihrer besonders geliebten Götter zu verweilen; Alerander bei Heracles , Octavian bei Apollo, Cäsar bei Venus und Mars, Constantin bei der Göttin der Ueppigkeit und Ausschweifung, Trajan schlägt sich zu Alerander, dem tapferer. Krieger und Zecher, Marc Aurel, der Sieger, zu Saturnus, dem Altvater der Götter.
Das ganze Werk ist über und über gespickt mit allerlei bissigen Anzüglichkeiten. Auch den großen Constantin schont Julianus nicht, allzu viel Gutes hatte er von ihm nicht erfahren und haßte in ihm vornehmlich auch den Freund oder doch klugen Benußer des Christenthums, der seinen Soldaten das Christenkreuz für die Feldzeichen und Fahnen verliehen hatte eine Art antifer Gocardenverleihung. Um sich diese Satire lebendig zu machen, wäre es gut, wenn der Leser irgend einen Leitfaden der römischen Geschichte zur Hand nähme und nachläse. Ich denke mir die Leser unserer Literatur überhaupt gern von rühmlichem Lerntrieb erfüllt, welcher fie bestimmt, Alles, was sie hören und lesen, zum Anknüpfungs- und Ausgangspunkt eigenen Studium
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