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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

Länge der schwingenden Saite. Wir erhalten den Ton D, wenn wir die Saite da herunterdrücken, wo sie/ ihrer Länge, E wo sie 4/5, F 3/4, G 2/ s, A 3/5, H 8/15 ihrer Länge mißt. Die Schwingungs­zahlen der einzelnen Töne sind daher:

C D EFG A H C 1 9/8 4/5 4/3 3/2 5/3 15/8 2 Nehmen wir z. B. für C 24 Schwingungen an, so haben D EF G AH C

27 30 32 36 40 45 48

Schwingungen.

Hört man zwei Töne zugleich, so bringen sie auf unser Gefühl eine angenehme Wirkung hervor, die man Konsonanz nennt. Ist die Wirkung eine unangenehme, so spricht man von Dissonanz. Man hat gefunden, daß zwei Töne dann in der reinsten Konsonanz stehen, wenn sie sich im Verhältniß von sehr einfachen ganzen Zahlen befinden. Mit Recht konnte also Leibniz behaupten, daß die Musik eine unbewußte Uebung in der Arithmetik sei.

Die Verhältnisse der Töne zueinander nennt man Intervalle. Sehen wir uns diese etwas genauer an. Diese scheinbar langweilige Betrachtung wird uns zu sehr interessanten Ergebnissen führen.

Wenn man die Schwingungszahl eines Tones durch die des nächst tieferen dividirt, so giebt die erhaltene Zahl an, wie viel Mal mehr Schwingungen der höhere Ton macht als der andere. Die erhaltene Zahl bezeichnet das Verhältniß der beiden Töne, sie heißt in der Musik Intervall.

Die Intervalle der oben angeführten Tonleiter sind also folgende:

C D E F G A H C Intervalle/ 8 10/9 16/15 9/8 10/9 9/8 16/15

Man sieht, die Intervalle der Tonleiter sind nicht gleich. Der Intervall/ 8 heißt ein großer ganzer Ton, 10/9 ein kleiner ganzer Ton, 16/15 ein großer halber Ton. Zwischen diesen acht Tönen dieser sogenannten C- dur- Tonleiter giebt es noch andere Töne, die man braucht, wenn man die Ton­leiter, von einem anderen Tone als C ausgehend, bilden will. 3. B. wenn man den Ton bilden will, der um einen ganzen halben höher ist als C, nämlich Cis, so muß man C mit 16/15 multipliziren; will man den Ton erhalten, der um einen halben Ton niedriger als D ist, Des, so muß man D durch 16/15 dividiren. Man erhält dann zwei Zahlen, die nur wenig voneinander abweichen. Bei den musikalischen Instrumenten mit festen Tönen, z. B. Klavier und Orgel, wird der Unterschied dieser beiden Zahlen vernachlässigt, man läßt Cis und Des zusammen­fallen und auf dieselbe Weise auch die vier zwischen D und E, F und G, G und A, A und H liegenden Töne. Wollte man beim Klavier z. B. alle Töne halten, so würde es zu umfangreich und unüber­sichtlich werden, man könnte es garnicht mehr meistern. Ein Klavier, an dem diese Abweichungen von den genauen Verhältnissen nicht vorgenommen wären, würde 6 m lang sein müssen. Man denke sich einen Spieler vor einem 6 m langen Klavier. Der Aermste müßte schon irgend eins der modernen Ver­kehrsmittel benutzen, um an seinem Instrumente mit der erforderlichen Schnelligkeit auf und ab fahren zu fönnen. Nußen würde ja so ein Instrument stiften, weil der Spieler seine Musik nach Kilometern leicht berechnen könnte und, da solche musikalische Hetz­fahrten nicht Jedermanns Sache sind, die verbreitete Klavierseuche auch ein Ende nähme.

Man nennt die Abzweigung von den genauen Verhältnissen Temperatur. Wir haben unser Gehör an die Temperatur der Intervalle schon so sehr ge­wöhnt, daß wir die unreine Stimmung unserer Musit nicht mehr merken. In England besteht eine über alle größeren Städte ausgebreitete Gesellschaft, welche sich die Pflege des Gesanges nach dem natür­lichen System angelegen sein läßt. Die Mitglieder dieser Gesellschaft, der Tonic- Solfa- Association, lernen und lehren, ohne alle Instrumentalbegleitung zu singen und nur dem eigenen Gehör beim Gesange zu folgen.

Man kann die Tonleiter mit jedem Ton be= ginnen und von dieser aus alle übrigen Tonleitern entwickeln. Man kann also jeden beliebigen Ton

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für C ansehen. für C ansehen. Indessen erwiese sich das als höchst

unpraktisch, weil dadurch jedes Instrument anders unpraktisch, weil dadurch jedes Instrument anders gestimmt wäre, jedes Orchester in einer anderen Tonhöhe spielte. Man stimmt bekanntlich ein In­strument nach einer Stimmgabel, die gewöhnlich auf den Ton der dritten Violinsaite( A) gestimmt ist. Man benutzt auch Pfeifen zu diesem Zwecke. Man hatte früher verschiedene Töne zur Stimmung. Für den Kirchengesang hatte man den Chor- oder Kirchenton, für die weltliche Musik den Kapellenton und auch den Opernton. Durch Untersuchungen hat man festgestellt, daß die Stimmung im Laufe der Zeit in die Höhe gegangen ist. Um dieser der Zeit in die Höhe gegangen ist. Um dieser Steigung der Stimmung für die Zukunft aus dem Wege zu gehen, bedient man sich jetzt der Normal­gabeln( a= 880 Schwingungen).

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Nach dem Gesagten sind wir im Stande, die Ursachen zu übersehen, weshalb die Töne voneinander verschieden sind. Noch aber ist uns unerklärlich, weshalb die Töne verschiedener Instrumente ver­schieden sind. Jedes musikalische Instrument hat seine ihm eigenthümliche Klangfarbe. Woher kommt diese? Hierüber Licht verbreitet zu haben, ist vor Allem das Verdienst des genialen Helmholz. Er wies nach, daß wir einen Ton in den seltensten Fällen allein hören. Wir hören mit ihm seine Ober­oder Partialtöne, das sind alle diejenigen Töne, die 2, 3, 4 u. f. f. mal so viel Schwingungen haben, wie der Ton selbst, oder 2, 3, 4 u. s. f. mal so hoch sind, wie er selbst. Demnach hören wir meist nur zusammengesezte Töne oder Klänge. Jedes Instrument hat für seine von ihm hervorgebrachten Töne die ihm eigenthümliche Obertöne und so seine ihm eigenthümliche Klangfarbe. Töne ohne ihre Obertöne sind in der Musik ziemlich selten, z. B. die sogenannten Flageolett- Töne der Geige sind solche.

Gerade so wie es unserem Auge wohlgefallende Farbenmischungen giebt, haben wir Klangfarben, die unserem Ohre zusagen und umgekehrt. Der Ton einer Flöte ist auf die Dauer langweilig, weil er feine Obertöne hat, während wir dem Klange einer Violine gern lauschen, vorausgesetzt, daß sie gut gespielt wird, d. h. nicht nur mit der nöthigen Finger­fertigkeit, sondern auch mit dem Bogenstrich, der ihr die schönste Klangfarbe herauslockt. Man hat heraus­gefunden, daß bei Streichinstrumenten die beste Klang­farbe erzeugt wird, wenn die Saite in 1/7 oder/ ihrer Länge gestrichen wird. Ebenso hat man durch Versuche gefunden, an welche Stelle der Saite eines Klaviers der Hammer schlagen muß, um den schönsten Klang hervorzubringen. Bei den Klavieren der Blüthnerschen Fabrik ist den drei Saiten, die zur Erzeugung des Tones dienen, je eine vierte bei­gefügt, die von dem Hammer nicht berührt wird, sondern nur den Zweck hat, durch ihr Mittönen den sondern nur den Zweck hat, durch ihr Mittönen den Ton und seine Obertöne zu verstärken und so die Schönheit der Klangfarbe zu erhöhen.

Helmholtz wies die Obertöne, die ein geübtes Ohr auch so erkennen kann, experimentell vermittelst der Resonatoren nach. Das sind mit zwei einander gegen­über liegenden Deffnungen versehene hohle Metall­fugeln. Die eine Deffnung dient zur Aufnahme des Schalles, die andere läuft etwas spiß zu und fann ins Ohr gesteckt werden. Die Luft in den Resonatoren geräth ins Mittönen nur, wenn der Ton erschallt, auf den sie abgestimmt sind. Nun denke man sich eine Reihe von Resonatoren, die auf die Obertöne eines Tones abgestimmt sind. Mit dem Erschallen des Tones beginnen die Resonatoren mit zutönen.

Wenn man sich vergegenwärtigt, welch eine Menge Töne erschallen, wenn ein Mischung von mehreren Klängen gespielt wird, in welchem Verhältniß diese Töne und ihre Obertöne zueinander stehen, und Töne und ihre Obertöne zueinander stehen, und das oben angeführte Gesetz im Auge behält, so wird man sich ungefähr vorstellen können, auf welche komplizirte Weise hierbei Konsonanzen und Disso­nanzen entstehen. Auf alle diese Beziehungen, diese feinsten Tonverschlingungen näher einzugehen, würde mich zu weit führen und auch für den Leser zu er müdend sein.

Noch möchte ich auf eine Erscheinung aufmerksam machen, die man oft Gelegenheit hat zu beobachten. Beim Glockengeläute hört man gewisse Töne in einer

eigenen Art. Bald erklingen sie leise, werden laut, schwellen an, um allmälig in der Stärke wieder abzu­fallen 2c. Man nennt diese Erscheinung Stöße oder Schwebungen. Im Allgemeinen treten die Schwe­bungen auf, wenn Töne von nahezu gleicher Höhe er­flingen. Wenn man an den Zinken einer von zwei gleichgestimmten Stimmgabeln ein kleines Wachs­flümpchen festklebt und dann beide ertönen läßt, so kann man die Schwebungen in langsamer, deutlicher Aufeinanderfolge hören. Verstimmt man die eine Stimmgabel durch ein größeres Wachstlimpchen noch mehr, so erfolgen die Stöße schneller. Die Theorie der Schwebung, von Helmholtz begründet, hängt mit der Theorie der Wellenbewegung ganz eng zusammen. Ich muß daher verzichten, darauf einzugehen, troßdem die Lehre von den Schwebungen auf die Theorie der Konsonanz und Dissonanz und auf die genaue Stimmung von Instrumenten großen Einfluß hat. Man kann auch durch die Schwebungen die Ton­höhe berechnen. So interessant die Erörterung aller dieser verwickelten Verhältnisse wäre, wir geriethen zu weit in die Musiktheorie und würden doch darum feine Musiker. Es ist merkwürdig, daß der Künſtler unbewußt die richtigen, uns angenehm klingenden Tonverhältnisse zu finden weiß, selbst wenn er auch keine Ahnung von der Theorie der Töne hat.

So weit auch die Wissenschaft die Theorie der klänge aufgeklärt hat, die Musik hat wenig Nuzen davon gehabt. Weder die Zusammenstellung der Töne, die Melodien, sind schöner geworden, noch hat man einen großen Einfluß der Tonkunsttheorie auf den Bau der tönenden Körper, der musikalischen Instrumente, verspürt. Von diesen vielleicht ein anderes Mal.

Der Büttnerbauer.

Noman von Wilhelm von Polenz .

( Fortsetzung.)

ustav ging hin und wieder in den Kretscham, um die Stimmung dort zu ergründen. Der Onkel behandelte ihn stets mit ausgesuchter Zuvorkommenheit. Er lächelte und zwinkerte, so­bald er des Neffen ansichtig wurde, in seiner närri­schen Weise. Aber aus ihm herauszubekommen war nichts. Sowie Gustav ernsthaft von Geschäften zu sprechen anfing, begann er zu lachen, daß ihm manch­mal die wirklichen Thränen aus den Augen liefen; so verstand er es, die Sache ins Lächerliche 311 ziehen und den Neffen hinzuhalten.

Wenn nicht die stete Sorge um die Vermögens­lage seiner Familie gewesen wäre, hätte Gustav in jener Zeit ein glückliches und gemächliches Leben führen können.

Wintersaufang ist eine der ruhigsten Zeiten für den Landmann. Sobald die weiße Decke die Fluren bedeckt, kann er von seinen Werken ausruhen und dem lieben Gott die Sorge um die Saaten über­lassen. In dieser Zeit, wo die ganze Natur aus­zuruhen scheint vom Schaffen und Hervorbringen, wo alle jene treibenden, nährenden, in Saft und Frucht schießenden Triebe gleichsam eingefroren sind, hält auch der Bauer eine Art von Winterschlaf. Mehr als Andere ist er ja verwandt mit der Erde, die er bebaut. Er hängt mit ihr zusammen, wie das Kind mit der Mutter, vor der Trennung. Er empfängt von ihr geheimnißvolle Lebenskräfte, und ihre Wärme ist auch die seine.

Ohne Arbeit war freilich auch der Winter nicht. Da gab es Schnee auszuwerfen auf den Wegen. Dann war die Holzarbeit. Der Büttnerbauer machte sich mit Hülfe seiner beiden Söhne daran, die ein­zelnen übergehaltenen Kiefern und Fichten zu fällen, die gefällten zu Klößern zu schneiden, die Wipfel und Aeste zu Reisighaufen aufzuschichten. Was an verkrippeltem Holze da war, das nicht zu Nuzstücken verwerthet werden konnte, wurde in den Schuppen gebracht und dort in Scheite gespalten und zu Brenn­holz zerkleinert.

Es gab einen harten Winter. Das Feuer im Kochherde, der gleichzeitig Ofen für die Wohnstube war, durfte nicht ausgehen. Kohlen zu verwenden,