Diogene Welt

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Nr. 14

XIII.

Bllustrirte Unterhaltungsbeilage.

ines Tages wurde dem Büttnerbauer ein Schreiben vom Amtsgericht zugestellt. Es war ein Zahlungsbefehl. Das Gesuch dazu war Das Gesuch dazu war von Ernst Kaschel gestellt, welcher Zahlung seiner siebzehnhundert Mark nebst Zinsen und Kosten ver­langte, widrigenfalls er mit Zwangsvollstreckung drohte.

Die Nachricht schlug wie ein Blizstrahl ein. Troß seiner mangelhaften Kenntniß von der Rechts­pflege begriff der alte Mann doch sofort, was das zu bedeuten habe. Nun stand es fest, daß Kaschel­ernst seinen Untergang wollte; dies hier war die Waffe, mit der er ihm auf den Leib rückte. Zwangs­vollstreckung und in lezter Linie Zwangsversteigerung des Gutes, darauf hatte der Kretschamwirth es ab= gesehen.

Der Büttnerbauer hatte in seinem Leben mehr als ein Gut der Nachbarschaft unter dem Hammer weggehen sehen. Manchen Bauern hatte er gekannt, der als wohlhabender Mann angefangen und schließ= lich mit dem weißen Stabe in der Hand aus dem Hofe geschritten war. Zwangsversteigerung! Der Gedanke daran konnte Einem das Blut in den Adern gerinnen machen. Das war das Ende von Allem! Der Bauer, dem das geschah, war gestrichen aus der Liste der Lebenden, losgerissen von seinem Gute, ausgerodet, hinausgeworfen auf die Landstraße, wie man ein Unkraut aus dem Acker rauft und über den Zaun wirft.

Gustav war der Einzige von der ganzen Familie, mit dem der Bauer von diesem neuesten Unglück sprach. Gustav sah sofort die Gefährlichkeit der Lage ein. Er sagte sich, daß etwas geschehen müsse, um die angedrohte Maßregel zu verhindern. Zunächst schien es immer noch das Vernünftigste, mit Kaschel­ernst selbst Nücksprache zu nehmen. Am Ende ließ er sich doch dazu bringen, Stundung zu gewähren, vor Allem, wenn man ihm vorstellte, daß er sein Geld bei einer Zwangsvollstreckung faum heraus­bekommen und im Falle der Versteigerung sogar gänzlich einbüßen werde. Dadurch gewann man Frist, und währenddessen gelang es vielleicht, von anderer Seite Hülfe zu schaffen.

Gustav ging also noch am selben Morgen, als die Urkunde vom Gericht eingetroffen war, nach dem Kretscham. Leicht wurde ihm der Gang nicht. Er würde bitten müssen, auf alle Fälle sich demüthigen vor den Verwandten. Dabei war ihm die ganze Familie widerlich. Seinen Onkel Staschel hatte er nie ausstehen mögen. Wenn er an seine Kousine Ottilie dachte, hätte ihm übel werden können. Und auch mit seinem Vetter Nichard stand er auf ge­spanntem Fuße, seit er ihn, als Jungen, einmal

Der Büttnerbauer. W

Roman von Wilhelm von Polenz.

windelweich geprügelt. Gustav hatte den Better nämlich dabei überrascht, wie er mit dem Puſtrohre nach einem Huhn schoß, das er als lebendige Ziel­scheibe an einen Baum angebunden hatte. scheibe an einen Baum angebunden hatte. Diese Züchtigung hatte Richard Kaschel wohl nicht so leicht vergessen.

Gustav traf in der Schänkstube seine Kousine Ottilie. Er fragte sie ohne Umschweife nach dem Vater. Der sei im Keller mit Nichard und ziehe Bier ab, erklärte das Mädchen, verlegen fichernd. Bier ab, erklärte das Mädchen, verlegen fichernd. Dann bat sie den Better, doch in's gute Zimmer zu treten. Dieser Raum lag neben der großen Gast stube und unterschied sich von ihr in seiner Aus­stattung eigentlich nur durch ein Paar schlechter Del­drucke, welche den Kaiser und die Kaiserin darstellten.

Hier mußte Gustav Plaz nehmen. Ottilie war übergeschäftig um ihn bemüht, ihm einen Stuhl zurechtzurücken und den Tisch vor ihm mit einem Tuche abzuwischen. Dabei blinzelte sie den Vetter mit vielsagendem Lächeln von der Seite an. Er sei von der Stadt her verwöhnt, zirpte sie mit erkiinstelt hoher Stimme, aber er müsse eben hier vorlieb nehmen mit dem, was er vorfände. Es sei doch nehmen mit dem, was er vorfände. Es sei doch recht langweilig in Halbenau. Warum sich denn der Better nicht öfter mal blicken lasse? Und zum Tanze sei er noch garnicht gesehen worden im Stret­scham. Die Mädchen hier seien ihm wohl nicht fein genug?

Gustav antwortete kaum auf ihre Bemerkungen. Er witterte etwas von Eifersucht in dem Wesen der Kousine. Hübsch war sie nicht, mit ihrem Stropf­ansaß, der langen überbauten Figur und dem schiefen Munde, der neuerdings eine Zahnlücke aufwies. Doch dafür konnte sie schließlich nichts. Aber was für eine Schlumpe sie war! So herumzulaufen! Mit zerrissenen Strümpfen, zerschlissener Taille und un­gemachtem Haar. Und so was wollte die reichste Erbin in Halbenau sein. Gustav stellte unwillkürlich Vergleiche an zwischen ihrer Schmuddelei und der Sauberkeit, die stets um Pauline herrschte.

Ottilie lief plöglich hinaus. Er glaubte, es sei, um den Vater herbeizuholen. Eine ganze Weile hatte er zu warten. Dann kam das Mädchen zurück, aber ohne den Wirth. Sie brachte vielmehr ein Sie brachte vielmehr ein Brett mit Frühstück darauf. Da waren verschiedene Flaschen und Schüsseln. Freundlich lächelnd setzte sie das vor den Vetter hin.

Gustav war ärgerlich. Zwar ein Kostverächter war er nie gewesen, und bei den Eltern ging es neuerdings schmal genug her; ein Frühstück nahm er immer gern an. Aber von Der hier bewirthet zu werden, das paßte ihm ganz und garnicht. Ihr Anblick konnte ihm jeden Appetit verderben.

Ottilie schien den Widerwillen nicht zu bemerken,

1898

den sie einflößte. Sie schenkte ein, zunächst ein Glas. Bier, neben das sie noch, zur Auswahl, ein kleineres Glas mit röthlichem Inhalt stellte. Dann segte sie sich ihm gegenüber an den Tisch und sah ihm zu, wie er und trank, mit dem Ausdrucke innigster Befriedigung in ihren Zügen.

Es entging ihm nicht, daß sie sich inzwischen Er mußte eine andere Taille angezogen hatte. unwillkürlich lächeln über so viel verlorene Mühe. Schöner sah sie in dem roth und gelb gemusterten Zeuge auch nicht aus, mit ihrer flachen Brust und der gilblichen Hautfarbe. Das Mädchen that sein Möglichstes, um den Vetter zum Zulangen zu bringen. Nach jedem Schlucke, den er nahm, schenkte sie nach, so daß der Inhalt des Glases niemals abnahm.

Gustavs gesunder Appetit hatte bald den anfäng­lichen Widerwillen überwunden. Zudem fragte er sich, warum er die Thorheit dieses Frauenzimmers nicht ausnüßen solle. Er ließ sich seines Onkels Bier, Schnaps und Schinken gut schmecken.

Als er sich so weit gesättigt hatte, daß er nicht mehr im Stande war, noch einen Bissen herunter­zubringen, schob er den Teller von sich. Ottilie sprang auf, holte Zigarren und brannte ihm eigen­händig eine an.

Er bat sie, daß sie nun den Vater aus dem Keller holen möge. Sie meinte darauf, das habe ja noch Zeit. Man habe sich doch so Mancherlei zu erzählen, wenn man sich so lange nicht gesehen. Dabei wechselte sie den Platz, setzte sich an seine Seite. Das wurde ihm doch zu viel des Guten. Es bedurfte einer sehr energischen Aufforderung von seiner Seite, daß sie sich bewogen fühlte, endlich den Vater herbeizurufen.

Der Wirth erschien, wie gewöhnlich, in Pan­toffeln, die Zipfelmüße auf dem Kopfe, die Hände unter der blauen Schürze. Hinter ihm sein Sohn wußte die Haltung des Vaters vortrefflich nach­zuahmen. Nach Kaschel'scher Art begrüßten sie Gustav mit Kichern und Grinsen, das sich bei jedem Worte, das gesprochen wurde, erneuerte.

Ottilie! Ich nahm o Genen!" rief der Wirth. Bun an Bierabziehen kann ens schon warm warn. Newohr, Richard?"

"

Der Sohn feirte dummdreist und schielte falsch verlegen nach dem Vetter hin. Er mochte an die Lektion denken, die er von dem einstmals empfangen hatte.

Gustav, um etwas zu sagen, fragte, ob Nichard nicht bald zu den Soldaten müsse. Da erhellten sich die Gesichter von Vater und Sohn gleichzeitig. Der Alte meinte schmunzelnd: Ar ist frei gekummen. Ju ju! Richard is militärfrei!" Gustav sprach seine Vermunderung darüber aus, Richard habe doch