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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

auch der Vergleich mit dem einzig dastehenden Sammel­werk der Grimm'schen Märchen nicht ganz zutrifft. Aus dieser Lieblingsbeschäftigung erwuchs ihm in der Folge auch für seine Originalgedichte ein Vorzug, den man im Lied nicht hoch genug einschäßen kann, die Sangbarkeit, die Melodie der Sprache.

Von den Niederlanden   wurde Hoffmann in jähem Umschwung, der für sein Lebensschicksal so charakte= ristisch ist, in den Osten Deutschlands   verwiesen, wo deutsche   und slavische Welt aneinander stoßen. Er fam nach Breslau   zunächst als Custos der Universitäts­bibliothek. 1835 wurde er Professor. Der nach malige Romanschriftsteller Gustav Freytag   wurde dort sein berühmtester Schüler.

Hoffmann hätte nicht der sorglos- romantische Geist, der fahrende Mann sein müssen, der er war, und er hätte bei der ruhigen Gelehrtenlaufbahn verbleiben können. Aber da kamen die vierziger Jahre mit ihrer Schnsucht nach dem einigen und zugleich freien Deutschland  . Auch Hoffmann's Mund ging von dem über, wessen sein Herz voll war, und so mußteer denn 1842 die Universität Breslau verlassen, nachdem in Ham­ burg   seine unpolitischen Lieder herausgekommen waren, und nachdem auf Helgoland   1841 im August das populärste Lied Hoffmann's   gedichtet war, das Heilslied der heutigen Natio­nalisten in Deutschland   und Deutsch  - Desterreich: Deutsch­land, Deutschland über Alles, über Alles in der Welt", das nach der klassischen Weise von Haydn's   österreichischer Kaiser­hymne gesungen wird.

Hoffmann's politische Ge­sänge ermangeln nicht der Schärfe und gesunden Wizes, aber Pracht, Größe und sati­rische Wucht gehen ihnen ab. Sie haben alle einen gemein­verständlichen, manchmal trivi­alen Zug; sie haften leicht im Gedächtniß und passen sich rasch dem Auffassungsvermögen des Durchschnittslesers an, und da die schlagkräftige Phrase, das politische Epigramm, in der jungen Bewegung vor 1848 mehr gelten durfte, als heut­zutage, so ist die Popularität gerade dieser romantisch- poli­tischen Poesie wohl zu be­greifen. Uebrigens wußte Hoff­mann schon ganz klug gewisse liberalisirende Helden zu be urtheilen: Alle Lauheit geht zu nichte und der Freisinn wird gestählt auf der Bier­bank." Dieses Lied, den Radikalen der Bierbant gewidmet, spricht ziemlich deutlich.

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Reiner an's Volksliedmäßige schließen sich die Kinderlieder Hoffmann's an. Sie sind denn auch Sie sind denn auch lebendig geblieben, wo die politisch- romantische Poesie Hoffmann's meist in Anthologien welft. Es ist ein kleines Genre, das Hoffmann da beackerte; aber in dem Genre hat er das Höchste aller Künstlerschaft erreicht: man hat über dem Werk den Meister ver­gessen. Diese Kinderlieder sind Musterbeispiele liebens­würdiger Naivetät und sie werden noch einer Reihe von Kindergeschlechtern sowohl nach der sinnigen als nach der heiteren Seite hin Erquickung bereiten.

Sie sind ein Labsal unter so manchem dürr schulmeisterlichen Zeug, das moralisirend unsere Schulbücher füllt. Sie sind absichts- und zwecklos, wie die Kinderphantasie selber. Und wer würde sich nicht froh gestimmt an den Wettgesang vom Kukut und dem Esel in der schönen Maienzeit erinnern, oder des Liedes gedenken: Wer hat die schönsten Schäfchen? Die hat der gold'ne Mond."

Das Jahr 1842 brachte einen Riß in Hoff­mann's Leben. Trotz oder gerade wegen seiner

sehnsüchtig deutschen Lieder mußte er Preußen ver­lassen und den Wanderstecken auf's Neue ergreifen. Er war gefährlich geworden, ein Demagoge, ein Ein­heitsschwärmer, und so wurde er nach und nach nach preußischem Muster aus einer hübschen Anzahl von Bundesstaaten ausgewiesen, bis er unter dem Ochsen­kopf im Mecklenburgischen, also im reaktionärsten Staate Deutschlands  , Duldung und Heimath fand.

Der Sturmwind von 1848 hatte Manches ge­klärt, und für Hoffmann winkten gleichfalls glücklichere Tage. Dem Fünfzigjährigen wurde noch spätes Liebesgliick zu Theil. Der Dichter verlobte sich mit einem schwärmerisch veranlagten jungen Mädchen, Ida zum Berge, die als seine Gattin für einige Zeit Sonne in das Leben des Unstäten brachte.

Karl Alerander von Weimar berief unseren Dichter nach seiner Residenz, wo er mit dem ge= feierten Liszt   bekannt wurde und seinen alten Studien wieder oblag.( Er gab das Weimarische Jahrbuch für deutsche Sprache heraus.) Allein der Unfriede

Hoffmann von Fallersleben.  

in seinem Leben, das Romantisch- Individualistische seiner ganzen Persönlichkeit wollte sich weder in den Nahmen der hösischen, noch in den der kleinstädtischen Rahmen der höfischen, noch in den der kleinstädtischen Gesellschaft fügen. Gesellschaft fügen. Hoffmann soll eigenwillig bis Hoffmann soll eigenwillig bis zum Bizarren gewesen sein, und so schied er denn von Weimar   und folgte einer Einladung des Fürsten von Natibor und Herrn der altberühmten Abtei Corvey nach Westfalen. In Corvey   bei Hörter Corvey nach Westfalen. In Corvey   bei Hörter übernahm er das Amt eines Bibliothekars, in Corvey  starb 1860 sein Weib, und die Wirthschaft führte ihm deren Schwester. Hier schrieb der Fahrende sein biographisches Werk Mein Leben", hier be­schloß er auch am 8. Januar 1874 seine Lebenstage. Hier durfte er unbehindert leben und seinen Wander­und Sondergelüften fröhnen. Man gewöhnte sich an das Original und ließ ihn in Frieden.

Als man seinerzeit in Deutschland   für Freilig rath eine Ehrengabe sammelte, da lernte ein junger Wupperthaler, Gotthold Kreyenberg, den alten Hoff­mann kennen. Kreyenberg schildert den Alten etwa so: Die Kleidung ließ ihn nicht als einen Professor erkennen, eher mochte man ihn fiir einen nicht ganz salonfähigen Künstler halten. Lose schlang sich ein

buntes Halstuch um den Hals, das Sammetwams zeigte die Spuren längeren Tragens, und die großen Füße steckten in derb genagelten Schuhen. Dent Wandersmann, der sich nur wenig gebückt hielt, und mit dem lang herabwallenden weißen Haar und der Reckengestalt jedes Mannes Aufmerksamkeit erregte, fehlte sogar der Knotenstock nicht; und auf dem Kopf, der halb verschmitt, halb humoristisch wohlwollend aussah, trug er das Barett, die deutsche   Müße, wie sie auch Richard Wagner   liebte. Er erzählte gerne allerlei Anekdoten derber Fraktur und lachte selber mit breitem Behagen darüber; und wenn er seine Ge­dichte vorlesen sollte, nahm er einen Pack nicht gerade reinlicher Blätter aus der Tasche und las daraus.

In seinem Vaterstädtchen Fallersleben  , wonach er seinen Dichternamen trug, hat man seinem An­denken einen Stein gesezt; und 1891 folgte man einer Anregung von Kasseler Bürgern und errichtete ihm zu Ehren auf Helgoland  , wo sein Deutschland  , Deutschland  " entstand, ebenfalls einen Stein. Das

Denkmal existirt aber nicht mehr. Es ist 1894 ver­schwunden.

So war Hoffmann von Fallersleben   fein Großer im Neiche der Poesie, kein Pfad­finder der Wissenschaft, aber in seiner weltfremden Unge­berdigkeit ein Original, der letzten Einer unter den fah­renden Sängern.

Die Naturwissenschaften in der Küche.

Von B. Merkur  .

Nachdem unser erstes Kapitel Gdem Wichtigsten von Allem für die Küche, dem Wasser, gegolten hat, möchte ich Dich bitten, werthe Leserin, mir heute zuzuhören, wenn ich Dir von dem erzähle, was inbetreff der Unentbehrlichkeit dem Wasser fast gleichzu­stellen ist:

Dom Salz.

Nur wenige Speisen kom­men auf den Tisch, denen diese Würze fehlt, und dem­gemäß ist der Verbrauch an Speisesalz ein sehr bedeuten­der. In Deutschland   kom­men auf jeden Einwohner etwa 7 Kiloargmm im Jahr. Auch die Technik verwerthet zu den verschiedensten Zwecken ganz ge­waltige Mengen Salz, allein zur Sodafabrikation z. B. jährlich etwa 10 Millionen Zentner. An­gesichts solcher Zahlen könnte man fast zu dem Glauben fommen, das Salz, das uns die Natur darbietet, möchte einmal alle werden. Das ist aber keineswegs zu befürchten, denn Salz kommt auf der Erde in ganz ungeheuren Mengen vor. In welchem Verhältniß es sich im Meerwasser gelöst vorfindet, haben wir schon in unserem ersten Kapitel erwähnt. Wenn wir wissen, daß das Meerwasser durch­schnittlich 3,5 Prozent Salz enthält, so giebt uns das über die wirklich vorhandene Menge erst eine ungenügende Auskunft. Bei der Mehrzahl unserer Leserinnen dürfte die Vorstellung von der Menge Salz, die das bedeutet, noch um ein Beträchtliches hinter der Wirklichkeit zurückbleiben. Wenn wir uns nämlich die Meere ausgetrocknet denken, so würden etwa hundert Milliarden Zentner Salz den Boden bedecken; das wäre eine Schicht, die gleich­mäßig über den ganzen Meeresgrund vertheilt eine Dicke von 55 Meter haben würde!

Selbst wenn wir zur Erlangung des Salzes