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andere Farenmacherei werth."

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Die Neue Welt. Illustrirte Unterhaltungsbeilage.

die is nich eenen Sechser

Na, det kannste nu nich sagen," erwiderte Otto, den es drängte, auch einmal zu widersprechen, Sieh mal, Karle, von's Theater will ich ja nich reden, da halt' ick ooch nischt von. Aber siehste, so im Zirkus, da is doch noch wat los!" " Na," sagte Karl mit einer zweifelnden Hand­bewegung.

" Ja, Karle," fuhr Otto eifrig fort, det nenne id' ne Kunst, wenn eene mit' n Jaul durch' n brennenden Reifen saust, det man denken muß, se verbrennt sich fleich de Hühneroogen. Oder' n feines Ballet

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,, Na ja," meinte Karl nun gleichfalls," det fann man ja ooch noch als' ne Kunst jelten lassen. Aber weeßte, Otto, ich bin eenmal in so'n richtiges Theater jewesen eenmal und nich wieder! Da wurde so'n Stück jespielt-ick weeß viel, wie det heeßt- da jing det nun immerzu so: Ick liebe Dir, Jule und, Da singt de Lerche, wenn's nich de Nachtigall is' und allens so'n Koks! Na- id frage Dir, Otto: wat jeht's mir an, wenn er de Jule liebt, und wenn de Lerchen singen? Ick hab se ruhig singen lassen und bin zahause jejangen zu meine Frau und hab' n Eisbeen jejessen und' ne froße Weiße jetrunken.

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Die drei Frauen unterhielten sich inzwischen unter­einander. Allmälig erschienen auch noch mehrere Gäste, und die Gesellschaft wuchs schließlich auf sechs Karl und Otto saßen noch immer Personen an. unermüdlich speisend am Tische und tauschten ihre Betrachtungen über die Gäste aus."

Otto," fragte der andere soeben, wat is denn det for'n magerer Kerl, der da immerzu mit de olle Apperten spricht? Der Kerl sieht ja mächtig verhungert aus."

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Du!" erwiderte Otto wichtig, det is' n Doktor, meine ' n feiner Mann, der hat ville Jeld Mutter hat ihn einjeladen."

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Det kann nich sind, det der Jeld hat," erklärte Karl mit Bestimmtheit, sich mal blos, wat der Kerl forn freundliches Jesichte macht, wenn er mit da reicht er ihr' n die Olle redet. Sieh mal da reicht er ihr' n Teller rüber, wie' n Kaballier!" " Det is eben' n jebildeter Mann," entgegnete Otto stolz.

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Denn hat der' ne falsche Bildung jenossen," fuhr Jener unbeirrt fort.' n Mann, der Jeld hat, der bemüht sich nich so sehre um so' ne olle Frau, bei der keene Maus wat zu knappern findet, und thut nich so, als wenn se' ne Fürschtin wäre." Naer is eben höflich," entschuldigte Otto das unverantwortliche Betragen des Fremden.

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Na also, wenn er höflich is, denn is die Sache klar: denn hat der Kerl teen Jeld," ent­schied Karl.

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Du, Otto soll ick den mal anulfen?" er­kundigte er sich nach einer Weile.

Der Doktor hatte sich jedoch inzwischen schon erhoben und verabschiedete sich.

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Se woll'n schon jehn, Herr Doktor?" fragte Otto, als Jener ihm die Hand reichte. Sie haben doch blos een Käsebrödchen jejessen!"

Der Doktor ging schon. An der Thüre be­gegnete ihm das Hausmädchen, dem er verstohlen ein Trinkgeld in die Hand drückte. Karl hatte jede seiner Bewegungen beobachtet.

" Du, Otto!" rief er plöglich laut, sodaß die ganze Gesellschaft es hörte, sieh doch mal, wie heimlich der dem Mädchen det Trinkjeld jiebt. Wahrscheinlich hat er blos noch fünf Froschen, det er sich schehnirt.' n anständiger Mann, der stellt sich doch nich, so' dabei an! Der jiebt's ihr frei und offen: hier, Minna, hast'n Thaler!"

, Sie, der hat Jeld," rief Frau Untermann zu ihm herüber.

" Denn is' t desto schlimmer," schrie der Klein­Broß entrüstet, denn versteht er eben nich, det mit de richtige Manier auszujeben!"

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Edle Reiser. Der Maler W. Hasemann hat in dem Bilde, das dem Holzschnitt in dieser Nummer zur Vorlage gedient hat, einen schlichten Vorgang dargestellt, der in jedem Frühling unzählige Male zu beobachten ist. Früher wäre das Motiv des Pfropfens nur dem Zeichner zu einer Illustration" gut genug gewesen. Hätte der Maler sein Augenmerk nur darauf richten wollen, den Vorgang darzustellen, so wäre ein großes Bild in der That eine Arbeitsverschwendung; denn was es an gegen= ständlichem Interesse bietet, wäre sehr wohl in einer fleinen Zeichnung zu sagen gewesen. Was den Maler reizte, war aber das Spiel des Sonnenlichts und der Luft. Darin gerade haben die heutigen Maler so Großes geleistet. Nie zuvor hat man in der Malerei mit einer gleichen Schärfe das" Freilicht", den Eindruck, den die freie Natur auf uns macht, wiedergeben können. In den Kreis dieser Bestrebungen ordnet sich das Bild Hase­mann's ein. Der Maler hat die beiden Personen ab= sichtlich so hoch gestellt, daß ihre Gestalten in die Luft hineinragen, ganz und gar von der Luft umflossen sind. Freilich wird ein Holzschnitt nie einen genügenden Ersatz des Bildes geben können. Ganz abgesehen von dem Fehlen der Farbe, wird es nie möglich sein, beim Holz­schnitt die Uebergänge so fein herauszuarbeiten und die ganze Feinheit und Weichheit des Luftspiels mit hinüber zu nehmen, wie es dem Maler mit den zahllosen Farben­tönen seiner Palette gelingt. Und doch bietet auch der Holzschnitt etwas von dem Eindruck, den das Bild macht. Es ist Frühling. Die höher steigende Sonne zicht die Winterfeuchtigkeit aus der Erde. Dichte Dünste quellen cmpor. Dick wie Mehlstaub legt sich die Luft um die Dinge und giebt ihnen allen einen freidigen Ton. Das schräg einfallende Sonnenlicht streicht darüber hin, erhält aber in dieser schwerfeuchten Luft einen scharfen, fast stechenden Glanz.

Wie Kinder spielen. Ein zweifenstriges Zimmer mit Parkaussicht. Von der Decke herab eine Ampel, schmiedeeiserne Arbeit mit Kupfer. Ueber den Fußboden ein gelbbrauner Kokosteppich. An den Wänden ein eleganter, massiver Eicheitschrank, zwei Kinderbettstellen mit lackirtem Drahtgeflecht und blanken Messingknöpfen. In der Mitte ein Tisch, dahinter ein sophaähnliches Polster. Auf kleinen Korbstühlen am Fenster sitzen zwei Kinder. Ein Knabe, etwa fünf Jahre alt, in dunkel­blauem Blousenanzug, blättert gelangweilt in einem unzerreißbaren Bilderbuche. Das kleine, vierjährige Mäd­chen, ein niedlicher Krauskopf, hält nachlässig in der rechten Hand die Puppe. Dann steht der Knabe auf, flappt das Bilderbuch zusammen und starrt durch's Fenster. Auch das kleine Mädchen ist aufgestanden. Lautlos schleicht es auf den Zehen nach dem Tische, wo die Bonne, über den neuesten Roman gebeugt, lieft, und bettelt um ein Stückchen Chokolade . Dann geht sie wieder zurück und starrt gleichfalls durch's Fenster.. Und später? Der Knabe wird vielleicht ein schneidiger" Kavallerielieutenant, oder ein Börsenspekulant, oder auch ein Gelehrter. Und das Mädchen? Nun, sie besucht die Bälle und Concerte, bis sie den ersehnten reichen Wann gefangen hat!! Heute sind sie Beide ja noch klein und spielen nur, wie die Kinder der oberen Zehntausend spielen!-- Ein ein fenstriges Zimmer mit der Aussicht nach dem Hofe. An den Wänden zwei Kinderbettstellen aus Kiefernholz und

Feuilleton.

ein alter Schrank, ein Erbstück vom Großvater. Auf der Erde allerlei Gerümpel, Spielkram usw. Ein kleines, vierjähriges Mädchen fizzt in einer Ecke und weint. Der Bruder, ein hagerer, rothhaariger Bursche von fünf Jahren, hat ihr die neue Puppenstube zerbrochen, weil er durchaus einen Pferdestall daraus machen will. Nun hat er die Hände in die Hosentaschen gesteckt und lacht. Da das Schwesterchen nicht aufhört zu weinen, beginnt der kleine Repräsentant des stärkeren Geschlechts zu schimpfen. Er gebraucht rohe Ausdrücke, wie er sie von seinem Vater gehört hat, wenn derselbe früh Morgens in heiterer Stimmung nach Hause kommt. Er weiß, daß Mama einen höllischen Respekt vor Papa hat. Sie weint immer. Er muß sich deshalb schon bei Zeiten üben!.. Und später? Aus dem Jungen wird wahrscheinlich ein flotter" Student, ein Sportsmensch oder auch ein Tauge­nichts. Und das Mädchen? Eines von jenen armen Ge­schöpfen, die den Tag über Klavierstunden geben, oder als Buchhalterinnen oder Lehrerinnen ein armseliges Dasein fristen. Wenn es hoch kommt, heirathet sie auch vielleicht und wird eine würdige Mutter mit einem halben Dußend Kinderchen und einem stattlichen, leider etwas brutalen Herrn Gemahl!.. Heute sind ja Beide noch klein und spielen noch, wie die Kinder des breiten Mittel­standes spielen!- Eine feuchte, dumpfe Kellerspelunke. Ein vergittertes Kellerfenster, durch das niemals ein Sonnenstrahl fällt. Kahle Wände. Nur ein wackliger Tisch, zwei invalide Stühle, ein wurmstichiges Sopha und zwei eiserne Bettstellen. Vor dem Fenster sitzt ein fleines, fünfjähriges Mädchen. Sie ist blaß und mager und hat rothe, entzündete Augen. Sie strickt. Es sind dicke, wollene Strümpfe für fremde Leute. Der sechs= jährige Knabe zieht sich die geflickte Jacke an und setzt die Müße auf. Er geht Zeitungen austragen. Beide Kinder sprechen kein Wort. Es ist ganz still in dem Kellerloch. Nur die Stricknadeln rasseln, und manchmal hört man den schlürfenden Schritt der Passanten über Sem Fenster... Und später? Der Knabe wird ein Ar­beiter, einer von jenen Gefnechteten und Entrechteten, wie es Tausende draußen in der Welt giebt. Vielleicht wird er sich seines Elends bewußt und sucht seine und die Lage seiner Brüder zu bessern; vielleicht auch nicht!.. Und das Mädchen? Sie wird gleichfalls Arbeiterin in irgend einer Fabrik. Da sißt sie dann mit frummem Rücken Jahr aus, Jahr ein, bis sie die Schwindsucht bekommt! Wen geht das auch etwas an? Es sind ja heute nur zwei Kinder! Freilich Kinder der arbeitenden Klasse! Proletarierbrut!

―n.

Das Lichtjahr. Wie weit mag wohl der Himmel sein?" beginnt ein Gedicht, das ich in der Schule lernen mußte; zum Schluß wird die Antwort ertheilt: Du brauchst Dich nicht zu sehr zu eilen, es sind nur hundert­tausend Meilen." Diese Größe drückt für das findliche Gemüth die ungeheuerste Entfernung aus, die es zu denken und auszusprechen vermag. Wie klein aber erscheint sie gegenüber den wirklichen Entfernungen im unermeßlichen Weltenraum. Unser Nachbargestirn, der Mond, hat einen Abstand von nur fünfzigtausend Meilen von uns; wenden wir uns aber zur strahlenden Sonne, so kommen wir bereits in die Millionen; sie ist 20 Millionen Meilen von uns entfernt. In die Hunderte von Millionen von Meilen geht es, wenn wir die übrigen Planeten betrachten,

die die Sonne umkreisen. Gehen wir nun gar aus unserem Sonnensystem heraus und betrachten den Firsternhimmel, so wachsen die Entfernungen schier in's Unermeßliche. Auf der Erde benutzen wir das Meter, bei größeren Gut­fernungen das Kilometer als Maß; bei sehr großen Distanzen fassen wir Kilometer zu einer Meile zu­sammen, von denen 5400 den ganzen Umkreis der Erde umspannen. Im Sonnensystem kommen wir mit den Entfernungen in die Millionen von Meilen und für die noch unermeßlich weiteren Firsterne nimmt man mm die Entfernung der Sonne als den Maßstab, mit welchem man mißt. Der uns am nächsten befindliche Firstern, ein Stern des südlichen Himmels, ist fast eine Viertel­million Sonnenweiten von uns entfernt.

Trotz der ungeheuren Maßeinheit, der Sonnenweite, haben wir auch hier wieder in die Hunderttausende und Millionen gehende Zahlen. Um also eine noch größere Einheit und damit kleinere Zahlen zu bekommen, hat man die ungeheure Strecke, die das Licht in einem Jahre durch­läuft, als Einheit genommen und bezeichnet sie als Lichtjahr. Das Licht breitet sich in einer Sekunde 40 000 Meilen weit aus; um von der Sonne zu uns zu gelangen, bedarf es 8's Minuten; in einem Jahre würde es 62 Millionen Sonnenweiten durchlaufen, und diese Strecke nennt man also ein Lichtjahr. In dieser Einheit gemessen ist der nächst gelegene Firstern 3%, Lichtjahre von uns entfernt; der hellste an unserem Himmel sichtbare Firstern, der funkelnde Sirius oder Hindsstern, hat eine Entfernung von 17 Lichtjahren, und bei weiteren Sternen kommt man wieder in die Tausende von Jahren.

Uebrigens muß man nicht denken, daß man mit der Größe der Einheit und der Kleinheit der Entfernungszahl für die Anschauung etwas gewonnen hat; 3, Lichtjahre sind in derselben Weise unvorstellbar, wie Millionen und Billionen von Meilen. Ob die Einheit klein und an­schaulich und die Anzahl sehr groß, oder ob schon die Einheit in's Ungeheure gewachsen ist und die Anzahl dann klein wird, bleibt für unser Anschauungsvermögen dasselbe. Wir können diese Entfernungen wohl noch rechnerisch bewältigen und durch Zahlen ausdrücken, sie uns räumlich vorzustellen, sind wir jedoch nicht mehr im Stande. Für die Rechnung hat die Einführung des Licht­jahres den Vorzug, daß es bequemer ist, mit kleineren Zahlen zu operiren; außerdem erinnert imms das Wort an die Thatsache, daß wir die Gestirne nicht in ihrem gegenwärtigen Zustande erblicken, sondern in einem früheren, der auf ihnen herrschte, als sie das Licht aussandten, das jetzt zu uns kommt. Auch dieser schnellste Bote, den wir kennen, braucht eben doch Zeit, um den Naum zu durcheilen.

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t.

Ich habe immer gefunden, daß die sogenannten schlechten Leute gewinnen, wenn man sie genauer kennen lernt, und die guten verlieren.

Nachdruck des Juhalts verboten!

Alle für die Redaktion der Neuen Welt bestimmten Sendungen sind nach Berlin , SW 19, Beuthstraße 2, zu richten.

Berantwortlicher Redakteur: Oscar Kühl in Charlottenburg. - Berlag: Hamburger Buchdruckeret und Berlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg .

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Trud: Mar Babing in Berlin ,