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Nr. 15
Illustrirte Unterhaltungsbeilage.
arl Leberecht hegte noch die naive Freude des Emporfömmlings an seinem Glücke. Es war ihm ein Genuß, sich dem armen Verwandten gegenüber in seinem Wohlstande und Ueberflusse zu zeigen. Er sprach von dem Umfaz, den er jährlich habe, von ben Lenten, die er beschäftige, und den Löhnen, welche er zahle, er brüstete sich mit seinen Geschäftsverbindungen. Dann erzählte er, wie er nur ganz Hein angefangen, mit nichts. Er rühmte sich seiner armsel gen Herkunft und fargte nicht mit Selbstlob. Seiner Tüchtigkeit allein verdanke er es, daß er jest so dastehe. Er wolle dem Neffen mal auseinander fezen, warum der Büttnerbauer und der ganze in Halbenau zurückgebliebene Theil der Familie cs zu nichts gebracht habe. Dabei stellte er sich Tropig vor Gustav hin und legte ihm die Hände auf die Schultern:" Siehste! Ihr Pauern megt noch so sehr schuften und würgen, Ihr megt frih ufiehen und den ganzen Tag uf'n Flecke sein, Ihr megt sparen und jeden Pfeng umdrehn, wie Dei Water' s macht, das mußt Eich Alles nischt! Ihr bringt's doch zu nischt, Ihr Bauern! Vorwärts fommt Ihr im Leben nich, eher rückwärts! Und das will ich Dir sagen, woran das liegt: das liegt daran, daß Ihr nicht rechnen kennt. Was a richtiger Bauer is, der kann nich rechnen. Und wer nich rechnen kann, der versteht och von Gelde nischt, und zu'n Geschäfte taugt er dann schon gar nischt. Heit zutage muß Gener rechnen kennen; das is die Hauptsache. Sieh mich a mal an! Ich bi in Halbenau uf de Schule gegangen. Ich ha' och nich mehr gelernt, als Dei Vater. Ich war a rechter Nichtsnuz als Junge, das kannst De globen! Aber, siehst De, rechnen hab' ich immer gefunnt. Da war ich immer a Lumich! Siehst De! Und dadermit ha ich's gemacht. Damit ha' ich mich durch die Welt gefunden. Und wer bin ich jetzt, und was seid Ihr! Darum werd't Ihr Pauern' s och nie nich zu was bringen, weil, daß Ihr nich ordentlich rechnen kennt."
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Gustav, fiir den diese Auseinandersetzung nicht gerade schmeichelhaft war, fühlte doch keine Veranlassung, dem Onkel zu widersprechen. Er kannte nur einen Wunsch, die Zusage von dem Alten zu erlangen; darum mußte man ihn bei guter Laune zu erhalten suchen. Er kam wieder auf sein Verlangen zurück.
Der Onkel flopfte ihm auf die Schulter und lächelte ihn freundlich an. Er wolle sehen, was sich thun lasse, meinte er, und er sei nicht so Einer, der seine Blutsverwandten im Stiche lasse; aber eine bindende Zusage gab er nicht. Er könne nichts Bestimmtes versprechen, erklärte er schließlich, von Gustav gedrängt; da hätten noch Andere ein Wort mit zu sprechen.
Der Büttnerbauer.
Noman von Wilhelm von Polenz .
Im Nebenzimmer hatte Gustav zwischendurch Stimmen gehört; wie es ihm flang: weibliche Stimmen. Und zwar schien sich eine ältere mit einer jüngeren Frauensperson zu unterhalten. Schließlich that sich die Thür auf, und in's Zimmer trat eine alte Frau, die Tante, wie Gustav richtig vermuthete.
Sie war um einige Jahre älter als ihr Gatte. Die grauen Haare trug sie unter einer Morgenhaube mit lila Bändern. Sie musterte den fremden, jungen Mann, aus kleinen Maulwurfsaugen neugierig spähend. Ihr altes, verivelftes Gesicht nahm sofort einen beleidigenden Ausdruck an, als sie vernahm, daß er ein Büttner aus Halbenau sei. Mit diesen Bauersleuten hatte sie nie etwas zu thun haben wollen. Sie würdigte den Neffen keiner Anrede, nahm den Gatten bei Seite und redete in ihn hinein, wispernd und hastig, mit einer Stimme, welche durch die Zahnlosigkeit so gut wie unverständlich wurde. Gustav konnte nicht verstehen, was sie sagte, er merkte nur an ihrem ganzen Benehmen, daß die Tante wenig zufrieden mit seiner Anwesen heit sei. Der Onkel schien sich vor ihr zu entschuldigen. Sein Wesen machte nicht mehr den zuversichtlichen Eindruck wie zuvor. In ihrer Gegen wart erschien er minder selbstbewußt, ja geradezu wart erschien er minder selbstbewußt, ja geradezu Kleinlaut.
,, Pfeift der Wind aus der Ecke!" dachte Gustav bei sich. Also der Onkel war nicht Herr im eigenen Hause! Da mußte er freilich für das Gelingen seiner Pläne zittern.
Bald tamen auch noch die anderen Mitglieder der Familie herbei: der Better, welchen Gustav vom Laden her kannte, und eine Kousine. Eine Anzahl Laden her kannte, und eine Kousine. Eine Anzahl anderer Kinder hatte geheirathet und befand sich außer dem Hause. Die Kousine war das jüngste Kind der Ehe und stand im Anfang der Zwanzig. Sie hätte können hübsch sein, wenn sie nicht die kleinen, versteckten Augen der Mutter geerbt hätte. Auch sie hatte kaum einen Gruß für den Vetter übrig. Das war die richtige Stadtdame! Mit ihrer engen Taille, der hohen Frisur und den wohlgepflegten Händen. Wenn Gustav damit seine Schwester ver= glich und das war doch Geschwisterkind!
Es wurde ihm plötzlich sehr unbehaglich zu Muthe. Mit diesen Leuten hatte er kaum etwas mehr gemein, als den Namen. Die ganze Umgebung muthete ihn fremd an: die polirten Tische, die Spiegel, die Sammetpolster. Ueberall Decken und Teppiche, als schäme man sich des einfachen Holzes. Dort stand sogar ein Piano, und auf einem Tischchen lagen Bücher in bunten Einbänden. Wie konnten sich die Leute nur wohl fühlen, umgeben von solchem Krimsframs! Man mußte sich ja fürchten, hier einen Schritt zu thun oder sich zu seßen, aus Angst,
1898
etwas dabei zu verderben. Das war doch ganz etwas Anderes daheim, in der Familienstube. Da hatte jedes Ding seinen Zweck. Und auch mit den Leuten war man da besser daran, so wollte es Gustav scheinen; weniger fein waren sie allerdings als diese, aber sie waren offen und einfach, und nicht geziert und heimlich, wie die Sippe hier!
Es wurde zu Tisch gegangen. Gustav saß neben dem Onkel. Das war sein Glück, denn der hatte doch hin und wieder ein freundliches Wort für ihn. Die Tante ließ es bei mißgünstigen Blicken bewenden. Vetter und Cousine unterhielten sich die meiste Zeit über mit einem Eifer, als bekänen sie sich sonst niemals zu sehen. Denr Tone ihrer Unterhaltung merkte man die Schadenfreude an darüber, daß der dumme Bauer doch nichts von dem verstehen könne, wovon sie sprachen.
Gustav dachte im Stillen, daß die Teller wohl nicht so oft gewechselt zu werden brauchten, aber daß es dafür lieber etwas Handfesteres zu beißen geben möchte. Ein Mädchen ging herum mit weißen Zwirnhandschuhen und einer Schürze angethan. Sie trug die Speisen vor sich auf einem Brette. So oft sie anbot, sagte sie:„ Bitte schön!" Gustav fand alles das äußerst sinnlos. Von der Kaserne und dem Elternhause her war er gewöhnt, daß man, ohne viele Umstände zu machen, aus einem Napfe aß und sich setzte und aufstand nach Belieben. Aber hier war man an seinen Stuhl gebannt, mußte warten und schließlich mit kleinen, zugemessenen Portionen seinen Hunger stillen. Die Cousine rümpfte überlegen die Nase, als er während des Essens um ein Stück Brot bat, und zwar um ein großes, weil das seine schon alle geworden sei.
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Nach Tische, als man beim Stippkaffee" beisammen saß, kam noch ein junger Mann hinzu, der Bräutigam der Kousine. Ein geschniegeltes Herrchen, um einen Kopf kleiner als die Braut, welcher die Büttner'sche Körperlänge eigen war. Der wohl pomadisirte junge Mann, mit einer bunten Weste über dem Schmerbauche, riß äußerst verwunderte Augen auf, als er einen Fremden in der Familie vorfand. Er beruhigte sich jedoch, nachdem er in einer Fensternische von seiner Braut genügende Aufflärung über Gustav's Persönlichkeit erhalten hatte.
Später zogen sich die Frauen zurück, damit die Männer von Geschäften sprechen könnten. Frau Büttner hatte zuvor noch ihrem Gatten mit wispernder Stimme Verhaltungsmaßregeln gegeben.
Gustav befand sich allein mit Onkel, Vetter und dem korpulenten Bräutigam. Man schien zu er= warten, daß er sprechen solle. Er merkte sehr bald, daß es ganz etwas Anderes sei, vor diesen hier sein Anliegen vorzutragen, als am Morgen, wo er den